# taz.de -- Eingeschränkter Rechtsstaat Hongkong: Joshua Wong im Gefängnis | |
> Hongkongs bekannter Aktivist bekennt sich dazu, zu nicht-genehmigten | |
> Demonstration aufgerufen zu haben. Er muss mit mehreren Jahren Haft | |
> rechnen. | |
Bild: Joshua Wong, Hongkongs bekannter Demokratieaktivist, muss mit langer Haft… | |
PEKING taz | Joshua Wong muss [1][erneut hinter Gitter], jetzt jedoch aus | |
fast freien Stücken: Hongkongs wohl bekanntester Aktivist hatte schon im | |
Vorfeld seiner Verhandlung angekündigt, sich schuldig zu bekennen, einen | |
unerlaubten Protest organisiert zu haben. Seine zwei Mitstreiter, Agnes | |
Chow und Ivan Lam, haben dies auch getan. | |
Wenig überraschend nahmen die Behörden die drei Demokratieaktivisten am | |
Montag sofort in Gewahrsam, wo sie mindestens bis zur Urteilsverkündung am | |
2. Dezember bleiben müssen. Bei einem Schuldspruch drohen ihnen bis zu fünf | |
Jahren Haft. | |
Der 24-jährige Wong erklärte sein Schuldgeständnis damit, die mediale | |
Aufmerksamkeit nutzen zu wollen, etwa auf das inzwiscen von Peking stark | |
beeinflusste Justizsystem Hongkongs hinzuweisen. „Was wir jetzt machen, ist | |
der Welt den Wert der Freiheit zu erklären,“ ließ Wong per Twitter | |
verkünden. | |
Chinas Staatsmedien verschwiegen wenig überraschend die Motive der | |
führenden Köpfe der Protestbewegung. „Wenn sie keinen Ärger mehr machen | |
können, dann versuchen sie Aufmerksamkeit zu erhaschen, indem sie ins | |
Gefängnis gehen“, zitiert das KP-Sprachrohr Global Times einen Experten. | |
## Hongkonger im Biedermeier | |
Dies ist an Zynismus wohl kaum zu überbieten. In einem Punkt jedoch trifft | |
es einen wahren Punkt: Wongs medialer Personenkult – für den er nicht | |
verantwortlich ist, den er aber geschickt nutzt – hat überhandgenommen. Die | |
eindimensionale Heldengeschichte eines männlichen Widerstandskämpfers | |
übersieht, dass die Protestbewegung ohne Führungsriege auskommen möchte und | |
überschattet oft ihre unzähligen weiblichen Demonstrant*innen, die eine | |
immer wichtigere Rolle spielten. | |
Die jetzige Zäsur ist trotzdem ein guter Zeitpunkt für eine | |
Bestandsaufnahme der Demokratiebewegung. „Der Drops ist gelutscht“, sagte | |
ein europäischer Diplomat in Peking nach der [2][Einführung von Chinas | |
Nationalem Sicherheitsgesetz] in Hongkong. | |
In vielen Leitartikeln wurde seither „das Ende Hongkongs“ | |
herbeigeschrieben, doch spätestens mit dem [3][Rücktritt der | |
parlamentarischen Opposition] in der Sonderverwaltunsregion Mitte November | |
lässt sich der inflationär verwendete Niedergang des alten Hongkongs wohl | |
zu Recht konstatieren. Längst herrschen Resignation und der Rückzug ins | |
Private. Nur sehr wenige dürften sich im Untergrund radikalisieren. | |
## Überhitzter Immobilienmarkt beeinflusst Politik | |
In der Berichterstattung wird der Kern des Konflikts zu oft auf seine | |
politische Komponente verkürzt. Ein wichtiger Teil ist jedoch auch | |
wirtschaftlicher Natur. So ist Hongkongs Immobilienmarkt extrem aufgeheizt: | |
Mietwohnungen ähneln oftmals eher Schuhkartons, Parkplätze werden nicht | |
selten für umgerechnet mehrere Hunderttausend Euro verkauft. Nirgendwo auf | |
der Welt gibt die Bevölkerung einen größeren Teil ihres Einkommens für | |
Miete aus. Zugleich liegt der Mindestlohn bei nur knapp über vier Euro. | |
Dennoch ist die ökonomische Misere stark mit den Forderungen nach | |
politischer Partizipation verknüpft. Denn einer der Widerstände, die | |
Probleme des Hongkonger Immobilienmarkts aufzugreifen, hängst stark mit | |
Chinas Festland zu tun: Die Prinzlinge der chinesischen Partei- und | |
Unternehmenselite haben mit dem Kauf von Luxuswohnungen in Hongkong dort | |
den Markt künstlich aufgeheizt. Es herrscht die Meinung vor, dass mit der | |
derzeitigen Regierung Chinas für den Hongkonger Wohungsmarkt keine Lösung | |
zu finden ist. | |
23 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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