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# taz.de -- Entscheidungen anhand von Coronazahlen: Unklare Grundlage
> Die Zahl der Neuinfektionen stagniert. Doch bildet das die Realität ab?
> Länder wollen neue Studie zur Gefahr in Schulen.
Bild: Liefert sofort ein Ergebnis, wird aber nicht zentral erfasst: Corona-Schn…
Berlin taz | Am Mittwoch wollen die Ministerpräsident*innen der
Bundesländer erneut per Videokonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
zusammenkommen, um über eine Fortsetzung und mögliche Verschärfung der
Coronavorgaben zu entscheiden. Und die Zahlen, die sie für ihre Beratungen
heranziehen werden, sehen derzeit vergleichsweise gut aus: Im Mittel der
letzten sieben Tage meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 18.338
Coronaneuinfektionen pro Tag. Das sind 1,2 Prozent weniger als eine Woche
zuvor. Statt des exponentiellen Anstiegs, der bis Ende Oktober zu
beobachten war, scheint die Zahl also zu stagnieren oder sogar schon leicht
zu sinken.
Das könnte darauf hindeuten, dass die [1][Anfang November in Kraft
getretenen Regeln] – vor allem verschärfte Kontaktbeschränkungen und die
Schließung von Gaststätten und Freizeiteinrichtungen – wirken. Doch der
Wert ist derzeit wenig verlässlich, räumte RKI-Präsident Lothar Wieler am
Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Berlin ein.
Denn seit Anfang November gelten neue Kriterien für die sogenannten
PCR-Tests, mit dem das Coronavirus im Labor nachgewiesen wird: Wer keine
oder nur leichte Symptome hat, bekommt in der Regel keinen Test mehr. So
soll die Überlastung der Labore verhindert werden, da diese oft nicht mehr
zeitnah arbeiten konnten.
Das hat auch funktioniert: In der letzten Woche ging die Zahl der PCR-Tests
um 13 Prozent zurück. Doch was die Labore entlastet, erschwert die
Vergleichbarkeit der Zahlen: Wenn weniger getestet wird, werden auch
weniger Infektionen gefunden. „Es kann sein, dass wir weniger Fälle
gemeldet bekommen“, sagte Wieler.
Sicher ist das allerdings nicht. Denn während es weniger PCR-Tests gab,
kommen seit Anfang November zugleich neu zugelassene
[2][Corona-Schnelltests] zum Einsatz. Diese liefern schon nach 15 bis 30
Minuten ein Ergebnis, sind aber nicht so genau wie die PCR-Tests. Wenn der
Schnelltest positiv ausfällt, wird das Ergebnis darum mit einem PCR-Test
abgesichert.
Wie häufig die Schnelltests verwendet werden, ist beim RKI aber nicht
bekannt. „Eine Erfassung der nicht in Laboren durchgeführten Tests“ sei
„aktuell nicht möglich“, teilte die Behörde der taz mit. Insofern wäre es
auch denkbar, dass die Gesamtzahl der Coronatests gar nicht gesunken ist –
sondern die Zunahme der Schnelltests den Rückgang bei den PCR-Tests
ausgleicht oder sogar überkompensiert.
Einzelne Beispiele zeigen zumindest, dass die Schnelltests bereits in
relevanter Zahl genutzt werden. So berichtete eine Berliner Hausarztpraxis,
dass dort zuletzt fast so viele Schnelltests wie PCR-Tests durchgeführt
worden. Und der mittelständische Wärmepumpen-Hersteller Stiebel-Eltron
teilte mit, dass unter den Mitarbeiter*innen bisher 7 PCR-Tests pro
Woche durchgeführt werden; zuletzt waren es stattdessen 26 Schnelltests in
einer Woche.
## Zahl der Intensivpatient*innen und Toten steigt weiter
Verlässlichere Indikatoren als die Zahl der Neuinfektionen sind derzeit die
Zahlen der Corona-Intensivpatient*innen und der Toten. Allerdings gibt
es hier eine größere zeitliche Verzögerung, sodass Auswirkungen der
jüngsten Beschränkungen bei diesen Werten noch nicht zu erwarten sind.
Diese Zahlen steigen zwar weiter an, aber deutlich langsamer als im
Oktober: Auf den Intensivstationen liegen aktuell 3.588 Coronapatient*innen
und damit 13 Prozent mehr als vor einer Woche. Die Zahl der im Zusammenhang
mit Corona Verstorbenen liegt im 7-Tage-Mittel bei knapp 200 pro Tag; das
sind 32 Prozent mehr als vor einer Woche.
## Kultusminister sehen Schulen nicht als Treiber der Pandemie
Eine wichtige Frage, über die am kommenden Mittwoch entschieden werden
soll, ist, ob Schulklassen geteilt werden sollen, um im Unterricht mehr
Abstand zu ermöglichen. Hier hatte es beim vergangenen Bund-Länder-Treffen
keine Einigung gegeben. Die Kultusministerien gehen bislang davon aus, dass
Schulen kein wesentlicher Treiber der Pandemie sind.
Mit dieser Einschätzung begründen die Bundesländer ihre Entscheidung, die
Schulen auch bei den aktuellen Infektionszahlen möglichst im Regelbetrieb
zu belassen. Außerdem argumentieren die Länder, Wechsel- oder
Distanzunterricht würde dem Recht auf Bildung nicht gerecht werden.
Die Kultusminister*innen wollen nun wissenschaftlich untersuchen lassen,
welche Rolle Schulen in der Pandemie spielen. Wie der Hamburger
Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Donnerstag mitteilte, werde die
Kultusministerkonferenz dazu eine Studie in Auftrag geben. Alle Länder
wollten Klarheit in eine Debatte bringen, die derzeit in der Gesellschaft
„sehr engagiert“ geführt werde, sagte Rabe. „Die entscheidende Frage ist,
in welchem Maß sich Schülerinnen und Schüler an Schulen infizieren.“
Diese Frage sei wissenschaftlich nach wie vor nicht gesichert. Die
Auswertung von Coronafällen an Hamburger Schulen habe ergeben, dass sich
knapp 80 Prozent der infizierten Kinder und Jugendlichen „mit großer
Wahrscheinlichkeit gar nicht in der Schule, sondern außerhalb“ infiziert
hätten. Ausgewertet wurden Daten zwischen den Sommer- und den Herbstferien
Anfang Oktober, also einem Zeitraum, in dem das Infektionsgeschehen
deutlich niedriger lag als zuletzt.
Wann die Länder die Ergebnisse der geplanten Studie erhalten, ist noch
nicht geklärt. Bis kommende Woche soll feststehen, wer sie durchführt.
Interesse haben laut dem Hamburger Staatsrat Rainer Schulz das
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und das
Universitätsklinikum in Köln gezeigt.
19 Nov 2020
## LINKS
[1] /Einigung-im-Corona-Gipfel/!5724526
[2] /Debatte-um-Schnelltest-in-Berlin/!5717653
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Ralf Pauli
## TAGS
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