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# taz.de -- Kommunalwahlen in Brasilien: Hoffnungsschimmer für Opposition
> Brasiliens Präsident Bolsonaro hat eine Klatsche erlitten. Bei den
> Kommunalwahlen haben die meisten von ihm unterstützten Kandidat*innen
> verloren.
Bild: Guilherme Boulos: Bürgermeisterkandidat in São Paulo
Berlin taz | Aus seiner Garage im armen Stadtrand von São Paulo meldete
sich am Sonntagabend der linke Bürgermeisterkandidat Guilherme Boulos zu
Wort: „Wir haben das Programm von Hass, Rückschritt und Lügen besiegt.“
Kurz zuvor war bestätigt worden, dass er in Lateinamerikas größter Stadt in
die Stichwahl einzieht.
Der 38-jährige Boulos ist Koordinator der Wohnungslosenbewegung MTST und
war im Jahr 2018 Präsidentschaftskandidat für die Partei für Sozialismus
und Freiheit (PSOL). Am Sonntag bekam der Sozialist 20 Prozent der Stimmen.
Vorn lag der amtierende Bürgermeister Bruno Covas von der
Mitte-rechts-Partei PSDB, der sich nun als Gegenwicht zu „den Radikalen“
verkaufen will.
Da Covas über mehr Zeit für TV-Werbespots und einen stabilen Parteiapparat
verfügt, wird es für den Politaktivisten Boulos schwer. Dennoch: Für die
krisengebeutelte Linke war das Wahlergebnis vom Sonntag ein langersehnter
Hoffnungsschimmer.
Am Sonntag waren knapp 150 Millionen Brasilianer*innen zur Wahl von mehr
als 5.000 Kandidat*innen aufgerufen. Das Wahlsystem sieht in Städten mit
mehr als 200.000 Einwohner*innen eine zweite Runde vor, wenn kein*e
Kandidat*in die absolute Mehrheit holt.
## Rio: Nur rechte Kandidaten in Stichwahl
In Rio de Janeiro werden sich zwei rechte Politiker in der Stichwahl
gegenüberstehen: Ex-Bürgermeister Eduardo Paes und Amtsinhaber Marcelo
Crivella. Ein lang diskutiertes Wahlbündnis linker Parteien war
gescheitert. Die Kandidatin der Arbeiterpartei PT landete mit 11 Prozent
nur auf dem vierten Platz.
In der südbrasilianischen Hafenstadt Porto Alegre zieht Manuela D'Ávila,
Kandidatin der sozialdemokratisch geprägten Kommunistischen Partei von
Brasilien (PCdoB), als Zweitplatzierte in die Stichwahl. In der
Küstenmetropole Salvador wurde der Mitte-rechts-Kandidat Bruno Reis mit 65
Prozent der Stimmen direkt gewählt.
Neben den Bürgermeister*innen wählten die Brasilianer*innen am Sonntag auch
die Stadträte. Vielen Schwarzen, LGBTI und Indigenen gelang es, sich ihren
Platz in der Politik zu erkämpfen. In Rio de Janeiro wird Monica Benício,
Witwe der ermordeten Politikerin Marielle Franco, künftig im Stadtparlament
sitzen. In São Paulo zieht die schwarze Transfrau Erika Hilton als
Abgeordnete mit den meisten Stimmen in den Stadtrat der Megametropole.
Beide Politiker*innen sind Mitglied der PSOL.
## Sozialisten laufen PT Rang ab
Die sozialistische Partei, die 2004 von abtrünnigen Politiker*innen der
Arbeiterpartei PT gegründet wurde, läuft der PT immer mehr den Rang ab. Bis
auf einzelne Ausnahmen setzte diese ihren Abwärtstrend fort.
Die PSOL genießt große Unterstützung bei der jungen Wählerschaft und der
intellektuellen Mittelschicht. Auch die linke Kulturszene hatte sich fast
einstimmig hinter PSOL-Kandidat Boulos gestellt. Dennoch: Trotz
charismatischer Politiker*innen und eines klar linken Profils hat die
Partei Probleme, arme Wähler*innen zu mobilisieren – so wie es der PT viele
Jahre gelang.
Auffällig ist das schlechte Abschneiden von Kandidat*innen, die
Rückendeckung von Präsident Jair Bolsonaro erhielten. Der von Bolsonaro
unterstützte Kandidat in São Paulo landete nur auf dem vierten Platz.
Präsidentenspross Carlos holte 34 Prozent weniger Stimmen als vor vier
Jahren. Bolsonaro versuchte noch am Sonntag, den Ausgang der Wahl
herunterzuspielen.
Die Kommunalwahlen sind allerdings kaum ein Gradmesser für die
Präsidentschaftswahl 2022. Dafür ist das Parteiensystem in Brasilien zu
komplex und Wahlentscheidungen sind zu sehr personalisiert. Trotz des
„Schiffbruchs“ seiner Kandidat*innen, wie die Zeitung Folha de São Paulo
schrieb, verzeichnet Bolsonaro derzeit Rekordwerte in den Umfragen. Und
falls der populäre Ex-Präsident Luis Ignácio Lula da Silva 2022 noch einmal
antritt, könnte auch der Sinkflug der PT aufgehalten werden.
16 Nov 2020
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Brasilien
São Paulo
Kommunalwahlen
Jair Bolsonaro
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