| # taz.de -- Krimi „Das Geheimnis des Totenwaldes“: True Detective im Zonenr… | |
| > Zwei Pärchen werden ermordet, eine Frau ist verschwunden. Für Krimis | |
| > nichts Besonderes. Kann auch die ARD das US-dominierte True-Crime-Genre? | |
| Bild: Der Wald sieht schon mal anders aus als in der ersten Staffel von „True… | |
| Reale Kriminalfälle im Fernsehen, das gab es ja auch hierzulande lange vor | |
| dem Anglizismus: Aber so richtig Fahrt aufgenommen hat das „True | |
| Crime“-Genre interessanterweise mit dem Erfolg der [1][Miniserie „True | |
| Detective“] – die, dem Titel zum Trotz, dem Genre gar nicht zuzuordnen ist, | |
| weil von realen Hintergründen viel zu weit entfernt. | |
| Die dritte Staffel, in der Oscarpreisträger Mahershala Ali seinen | |
| Provinzpolizisten in Arkansas in dem Zeitraum zwischen 1980 und 2015 auf | |
| gleich drei Zeitebenen verkörpert, wurde als „Great American Novel“ | |
| gefeiert und wies als solche weit über das (Krimi-)Genre hinaus. | |
| Klar, die US-Amerikaner des Bezahlsenders HBO können so was – die [2][ARD | |
| kann „Tatort“] und „[3][Polizeiruf“]. Apropos: Kaum hat Matthias Brandt | |
| seine Laufbahn als Ermittler im „Polizeiruf“ für beendet erklärt, spielt … | |
| nun schon wieder einen. Und zwar in einem ARD-Dreiteiler, der auf drei | |
| Zeitebenen einen Zeitraum von immerhin 28 Jahren abdeckt und von der | |
| Ermordung zweier Pärchen und dem Verschwinden einer Frau in einem Teil | |
| Niedersachsens erzählt, der 1989, als die Handlung einsetzt, noch | |
| „Zonenrandgebiet“ war. Brandt ist der Bruder der Frau und als frisch | |
| gebackener LKA-Chef ein hohes Tier bei der Polizei: in Hamburg. In | |
| Niedersachsen hat er nichts zu melden, und die „Kollegen“ lassen ihn das | |
| spüren. | |
| Dieser Thomas Bethge ist ein ähnlich distanzierter Typ wie jener Kommissar | |
| Hanns von Meuffels aus dem „Polizeiruf“ – einer, der sich nicht gern duzen | |
| lässt. Er ist außerdem von der ganz korrekten Sorte und muss deshalb, der | |
| Dienstweg und die Hierarchien müssen eingehalten werden, jahrzehntelang mit | |
| ansehen, wie die (männlichen) Niedersachsen sämtliche relevanten Spuren | |
| übergehen – man nennt es Tunnelblick. | |
| ## 1989, das Jahr der auffälligen Frisuren | |
| Weil für sie das Ermittlungsergebnis schon vor der Ermittlung feststeht: | |
| Die Pärchenmorde hat ein verschrobener Sonderling, der sich | |
| praktischerweise – ob unter dem Druck der Ermittlungen, kann man nicht | |
| sagen – bald tötet, begangen; die Frau (Silke Bodenbender) hat ihr | |
| vermögender Mann (Nicholas Ofczarek), der Schwager des (Hamburger) | |
| LKA-Chefs, verschwinden lassen, nachdem er sie für eine Jüngere verlassen | |
| hatte; einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen gibt es nicht. | |
| Gibt es doch. Und die Einzige, die ihn sieht, ist eine Nachwuchspolizistin | |
| (Karoline Schuch) – in deren Haaren sich im letzten Teil graue Strähnen | |
| zeigen. Überhaupt die Frisuren, das Aussehen: 1989: Die Frauen sind sehr | |
| blond und überhaupt sehr frisiert. Die Männer tragen Oberlippenbärte und | |
| auffällig gemusterte Krawatten, gerne auch zur Lederjacke, dann aber ohne | |
| Krawattenklammer. | |
| 1993: Die Haare sind deutlich kürzer, bei den Frauen wie bei den Männern. | |
| 2017: Der Bauchumfang ist signifikant gewachsen, nur bei den Männern. | |
| Matthias Brandt sieht jetzt aus wie Klaus-Dieter Lehmann, der gerade in den | |
| Ruhestand verabschiedete Chef des Goethe-Instituts. Selten hat man im | |
| deutschen Fernsehen eine so überzeugende Altersmaske gesehen. | |
| „Seien Sie mutig, Anne! Ich brauch Sie hier. Sehen Sie das, was andere | |
| nicht sehen! Finden Sie das Verborgene!“, sagt Bethge zu der Polizistin. | |
| „Jetzt benehmen Sie sich wie’n Mann“, sagt zu ihr die Staatsanwältin, als | |
| sie mutig wird. Der Dreiteiler (Regie: Sven Bohse; Buch: Stefan Kolditz) | |
| will nicht nur die Kriminalfälle, sondern auch das Land und die Zeitläufe, | |
| Rollenbilder und ihren Wandel verhandeln. Mehr sein als ein bloßer | |
| Genrefilm. | |
| ## Der Gärtner war's! | |
| „Das Geheimnis des Totenwaldes“ – so der Titel – liegt mitnichten in di… | |
| begraben. Wer vor drei Jahren Zeitung gelesen hat, wird das nicht vergessen | |
| haben. Das Auffinden der Leiche seiner Schwester nur aufgrund der von ihm | |
| vorangetriebenen Privatermittlung des pensionierten Hamburger LKA-Chefs, | |
| der im wirklichen Leben Wolfgang Sielaff heißt, war spektakulär genug. | |
| Der Thrill der inszenierten realen Kriminalfälle hat, anders als dereinst | |
| bei Agatha Christie, nicht mit ihrer überraschenden Auflösung, sondern mit | |
| ihrer Authentizität zu tun. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn | |
| dann die Realität eine alte Ermittlerweisheit der Häkelkrimis von früher | |
| bestätigt: Der Gärtner war’s! | |
| 2 Dec 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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