# taz.de -- Trumps Anfechtung des Ergebnisses: Die US-Wahlen sind vorbei. Oder? | |
> Eine Neuauszählung der Stimmzettel würde am Ergebnis wohl nichts ändern. | |
> Aber ohne eine Einigung könnten Parlamente selbst Wahlleute benennen. | |
Bild: Ein Wahlhelfer in Las Vegas. Manche Republikaner wollen eine Neuauszählu… | |
Seit vielen Jahren schon ist es die Nachrichtenagentur Associated Press | |
(ap), die bei US-Präsidentschaftswahlen die Zahlen aus den vielen | |
Wahlbezirken und Bundesstaaten zusammenfügt, in Wahlleutestimmen umrechnet | |
und schließlich irgendwann einen Gewinner ausruft, wenn derjenige | |
mindestens 270 Stimmen im Electoral College erreicht hat. Da es in den USA | |
so etwas wie einen Bundesleiter nicht gibt und die Bundesstaaten ihre | |
offiziellen Endergebnisse in der Regel erst 20 Tage nach dem Wahltermin | |
veröffentlichen, ist das die eingespielte Weise, um zeitnah zu wissen, wer | |
die US-Wahl gewonnen hat. | |
[1][Das hat diesmal bis zum Samstag gedauert], als der Vorsprung Joe Bidens | |
in Pennsylvania auf knapp über 0,5 Prozentpunkte angewachsen war, jener | |
Marke also, die überschritten sein muss, damit es nicht zu einer | |
automatischen Neuauszählung der Stimmen kommt. Schnell folgten alle | |
größeren Networks wie CNN, ABC und CBS dem Urteil von ap, und mit einiger | |
Verspätung erklärte schließlich auch der konservative Sender Fox News, man | |
müsse nunmehr Joe Biden, der mit dem Gewinn von Pennsylvania 273 Stimmen im | |
Electoral College erreicht hatte, [2][als gewählten Präsidenten | |
betrachten]. | |
Wer das allerdings nicht so sieht, ist Amtsinhaber Donald Trump. Noch kurz | |
bevor sich die Medienwelt entschied, dass die Zahlen nunmehr eindeutig | |
seien und Biden zum Sieger erklärten, schrieb Trump auf Twitter in | |
Großbuchstaben „ICH HABE DIESE WAHL MIT GROSSEM ABSTAND GEWONNEN“, gefolgt | |
von weiteren Tweets mit dem Vorwurf großangelegten Betrugs, der ihn um den | |
Wahlsieg gebracht habe. | |
Unterdessen versuchen Trumps Anwälte, die Vorwürfe zu untermauern und so | |
die Ergebnisse in entscheidenden Bundesstaaten in Zweifel zu ziehen. In | |
Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Nevada und wohl auch Georgia sind | |
inzwischen solche Verfahren anhängig. | |
## Briefwahl könnte angefochten werden | |
Dabei geht es um unterschiedliche Vorwürfe. In Clark County, dem größten | |
Wahlkreis Nevadas, zu dem auch die Stadt Las Vegas gehört, wollen die | |
Republikaner 3.062 Stimmen gefunden haben, die nicht hätten gezählt werden | |
dürfen, weil die entsprechenden Wähler*innen nicht mehr in dem Bundesstaat | |
leben. Eine schnelle Überprüfung der Factchecker-Seite Politifact ergab | |
jedoch, dass viele davon als neue Aufenthaltsorte die Codes AE, AA, AP oder | |
FPO hatten: Das steht für US-Truppen in Europa, Lateinamerika oder im | |
Pazifischen Raum, FPO für Schiffe oder Marinebasen der Navy. | |
Sowohl Soldaten in Übersee als auch Studierende, die in anderen | |
Bundesstaaten zur Uni gehen, dürfen selbstverständlich wählen, genau wie | |
jene, die erst 30 Tage vor der Wahl Nevada verlassen haben. Politifact | |
konnte nicht die ganze Liste überprüfen, wertet den Vorwurf insgesamt | |
jedoch klar als falsch. | |
In Pennsylvania dreht sich alles um Briefwahlstimmen, die erst nach dem | |
offiziellen Wahlende am 3. November um 20 Uhr eingetroffen sind. Schon vor | |
der Wahl hatten die Behörden erklärt, Stimmen mitzuzählen, die bis zum 6. | |
November eintreffen, sofern der Poststempel ausweist, dass sie rechtzeitig | |
abgeschickt wurden. | |
Einen Eilantrag, das zu untersagen, hatte der – mehrheitlich konservative – | |
Oberste Gerichtshof Pennsylvanias vor der Wahl abgelehnt. Und der Supreme | |
Court in Washington hatte nur angekündigt, er werde sich womöglich nach der | |
Wahl mit dem Thema beschäftigen. Inzwischen wurde von dort aus angeordnet, | |
diese Stimmen separat aufzubewahren, was Pennsylvanias Wahlbehörde ohnehin | |
schon getan hatte. Um wie viele Stimmen es sich handelt, ist noch nicht | |
bekannt. | |
## Heikel ist der Zeitplan | |
Anwälte des Trump-Lagers legten am Wochenende die eidesstattliche | |
Versicherung eines Postangestellten aus dem Wahlbezirk Erie in Pennsylvania | |
vor, der bezeugt, seine Vorgesetzten hätten angewiesen, auf zu spät | |
abgegebenen Wahlunterlagen den Poststempel rückzudatieren. Ermittlungen | |
dazu stehen noch aus. | |
Heikel an all diesen Verfahren ist nicht, dass sie zu Neuauszählungen | |
führen könnten. Die gab es auf Bundesstaatsebene in den letzten 20 Jahren | |
31 Mal, und nur in drei Fällen, bei denen der Abstand unter 500 Stimmen | |
gelegen hatte, führten sie zur Umkehr des Ergebnisses. | |
Heikel ist, dass massenhafte Verfahren, selbst wenn sie sich als | |
unbegründet herausstellen sollten, den Zeitplan durcheinanderbringen | |
könnten. Bis zum 8. Dezember müssen die Bundesstaaten ihre Wahlleute | |
benannt haben, am 14. Dezember tritt das Electoral College zur Wahl des | |
Präsidenten zusammen. Sind wesentliche Streitigkeiten bis zum 8. Dezember | |
nicht gelöst, liegt es theoretisch in der Macht der Parlamente der | |
Bundesstaaten, ihre eigenen Wahlen für nicht verifizierbar zu erklären und | |
dann selbst einfach Wahlleute zu benennen, unabhängig vom Wahlausgang. Die | |
Parlamente der in Frage stehenden Bundesstaaten sind allesamt | |
republikanisch kontrolliert. | |
Sollte das Electoral College gar nicht zustande kommen, müsste im Januar | |
das Repräsentantenhaus selbst einen Präsidenten wählen, allerdings mit | |
lediglich einer Stimme pro Bundesstaatdelegation. Das gäbe | |
Republikaner*innen 26 Stimmen gegen 24 der Demokrat*innen. | |
All das ist in der Geschichte der USA so noch nie passiert. Es wäre die | |
größte Krise der US-Demokratie seit ihrem Bestehen. Aber womöglich ist | |
genau das Trumps eigentliche Strategie. | |
8 Nov 2020 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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