# taz.de -- Merkel gratuliert Joe Biden zum Wahlsieg: Ziemlich erleichtert | |
> Die Bundeskanzlerin äußert sich erstmals persönlich zum Ausgang der | |
> US-Präsidentschaftswahl. Sie betont zugleich mehr europäische | |
> Eigenverantwortung. | |
Bild: Freut sich sicher auf Kamala Harris: Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
BERLIN taz | Für Gefühlsausbrüche ist die Bundeskanzlerin nicht bekannt. | |
Insofern klingt das, was Angela Merkel am Montagvormittag in ihrem kurzen | |
Statement sagt, für ihre Verhältnisse beinahe euphorisch. Erstmals tritt | |
sie, nachdem sie zuvor bereits eine schriftliche Stellungnahme abgab, | |
persönlich vor die Presse, um sich zum Ausgang der | |
[1][US-Präsidentschaftswahl] zu äußern. Sie gratuliert dem frisch gewählten | |
Präsidenten Joe Biden „ganz herzlich“ und sagt, sie freue sich auf die | |
Zusammenarbeit mit ihm und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris. Sie | |
wünsche ihnen „Kraft, Erfolg und Gottes Segen“. | |
Merkel lobt den Demokraten Biden für dessen „Erfahrung aus Jahrzehnten in | |
der Innen- wie der Außenpolitik“. Er kenne Deutschland und Europa gut; sie | |
selbst erinnere sich gerne an „gute Begegnungen und Gespräche mit ihm“. Auf | |
Bidens Vize geht Merkel ebenfalls ein: [2][Kamala Harris als erste Frau in | |
diesen Amt] und Kind zweier Einwanderer sei für viele eine „Inspiration“. | |
Und: „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.“ | |
Wie viel Erleichterung daraus spricht, wird deutlich, wenn man Merkels | |
Statement mit jenem von vor vier Jahren vergleicht. 2016 gratulierte sie | |
Donald Trump ebenfalls zur Wahl, mit Sympathiebekundungen hielt sie sich | |
aber zurück. Im Gegenteil: Nach einem ausführlichen Vortrag über gemeinsame | |
Werte wie Freiheit und Demokratie schloss sie: „Auf der Basis dieser Werte | |
biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, | |
Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“ | |
Nun, 2020, mit dem Ende der Ära Trump in Sicht, geht die Kanzlerin | |
ebenfalls auf das deutsch-amerikanische Verhältnis ein. Die USA und | |
Deutschland als Teil der EU müssten „Seite an Seite“ im Kampf gegen die | |
[3][Coronapandemie], den Klimawandel und für freien Handel stehen, fordert | |
sie. Man muss kein Diplomat zu sein, um das auch als Kritik der Trump-Jahre | |
zu sehen. Merkels Botschaft: Viel ist im transatlantischen Verhältnis | |
kaputt gegangen, vieles können wir reparieren – solange wir an einem Strang | |
ziehen. | |
Keine Vorbelastung | |
Die Kanzlerin räumt dabei selbst ein, dass es eine Rückkehr zu früheren | |
Zeiten nicht geben werde. „Amerika ist und bleibt unser wichtigster | |
Verbündeter“, sagt sie. „Aber es erwartet von uns – und zu Recht – st�… | |
eigene Anstrengungen, um für unsere Sicherheit zu sorgen.“ Hier hätten sich | |
die Europäer bereits auf den Weg gemacht, sagt Merkel, Stichwort: | |
[4][höhere Verteidigungsausgaben für die Nato]. | |
Merkel weiß genau, dass auch unter Präsident Biden gewisse Streitpunkte | |
zwischen den USA und Deutschland bleiben werden – zum Beispiel die | |
Gaspipeline Nord Stream 2. Andererseits will Biden wieder mehr auf | |
internationale Kooperation setzen und die USA zum Beispiel ins Pariser | |
Klimaschutzabkommen zurückführen. Vor allem aber kann Merkel in ihrem | |
voraussichtlich letzten Kanzlerjahr auf mehr Berechenbarkeit und eine | |
zivilisierte Gesprächskultur auf der anderen Seite des Atlantiks bauen. | |
Biden wird der vierte US-Präsident sein, mit dem Merkel in ihrer inzwischen | |
15 Jahre währenden Kanzlerschaft zu tun hat – nach George W. Bush, Barack | |
Obama und Trump. Bemerkenswert ist, dass das Verhältnis zwischen Merkel und | |
Biden als unvorbelastet gilt. Die beiden kennen sich, in Bidens acht Jahren | |
als Obamas Vize sind sie sich häufiger begegnet. So dürfte Merkels Start | |
mit Biden deutlich weniger holprig werden, als er das mit seinen Vorgängern | |
im Weißen Haus war, selbst besser als mit Obama, der es Merkel lange übel | |
nahm, dass er als Präsidentschaftsbewerber 2008 nicht am Brandenburger Tor | |
sprechen durfte. | |
9 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Godeck | |
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