# taz.de -- Analyst über Wahl in der Elfenbeinküste: „Für ganz Westafrika … | |
> Der politische Analyst Gilles Yabi erklärt, was bei der Wahl in der | |
> Elfenbeinküste auf dem Spiel steht – und warum er dennoch keinen Krieg | |
> erwartet. | |
Bild: Anhänger:innen des Präsidenten Ouattara bei Wahlkampfveranstaltung in A… | |
taz: Herr Yabi, wie beschreiben Sie die Situation in der Elfenbeinküste | |
[1][unmittelbar vor den Wahlen]? | |
Gilles Yabi: Sie ist von großer Unsicherheit geprägt. Das Risiko | |
gewalttätiger Ausschreitungen ist da; in welchem Maß, lässt sich aber nur | |
schwer vorhersagen. | |
Warum ist die Situation so angespannt? | |
Das liegt an den Rahmenbedingungen. Schon bevor Präsident Ouattara | |
beschloss, erneut anzutreten, gab es Streit, vor allem über die | |
Zusammensetzung der eigentlich unabhängigen Wahlkommission. Es gab | |
zahlreiche Unstimmigkeiten zwischen der Regierungspartei und der | |
Opposition. Am bedeutendsten ist aber die [2][Entscheidung von Präsident | |
Ouattara, für ein drittes Mandat anzutreten]. Die alte wie die neue | |
Verfassung haben das Prinzip der Limitierung auf zwei Mandate. | |
Die Regierungspartei RHDP hat Ouattaras Kandidatur mit dem Tod von | |
Premierminister Amadou Gon Coulibaly begründet, der eigentlich als Kandidat | |
vorgesehen war. Sie sagt, es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der | |
Zeit einen neuen Kandidaten aufzubauen. Was halten Sie davon? | |
In jeder politischen Partei lässt sich ein Präsidentschaftskandidat finden. | |
Wenn man eine Verfassung hat, ist der Tod eines Bewerbers kein | |
ausreichender Grund, sie nicht zu beachten. Als 2016 die neue Verfassung | |
angenommen wurde, sagte die Regierungspartei, dass Ouattara nicht erneut | |
Kandidat sein kann. Er selbst erklärte, dass er das nicht wünscht. Der | |
Wechsel dieses Standpunkts lässt sich heute nicht mit dem Tod von Amadou | |
Gon Coulibaly begründen. | |
Mit Laurent Gbagbo und Guillaume Soro sind zwei äußert bekannte ivorische | |
Politiker im Exil und von den Wahlen ausgeschlossen. Welche Rolle spielen | |
sie dennoch in der Elfenbeinküste? | |
Im geopolitischen Spiel der Elfenbeinküste gab es in den vergangenen 20 bis | |
30 Jahren einige Akteure, die dabei waren. Das sind Alassane Ouattara, | |
Expräsident Henri Konan Bédié, Expräsident Laurent Gbagbo und Guillaume | |
Soro, der Chef der Rebellen war und zum militärischen Sieg Ouattaras gegen | |
Gbagbo nach den umstrittenen Wahlen 2010 beigetragen hat. Soro hat eine | |
politische Basis. Allerdings ist es schwierig zu sagen, an welchem Punkt | |
diese wichtig wird. Er hat Verbindungen zur Jugend und einige Hochburgen im | |
Norden. | |
Und Gbagbo? | |
Auch Gbagbo hat weiterhin politisches Gewicht. Auch wenn seine Ivorische | |
Volksfront (FPI) in den vergangenen zehn Jahren sehr geschwächt worden ist, | |
bleibt sie einflussreich. | |
Warum haben Henri Konan Bédié und Pascal Affi N’Guessan – die beiden | |
wichtigsten der drei zugelassenen Oppositionskandidaten – nun mitten im | |
Wahlkampf den aktiven Boykott angekündigt? Sie hätten doch schon früher die | |
Wahlen boykottieren können. | |
Generell haben die Oppositionsparteien Probleme, eine Strategie zu | |
entwickeln. Auch hat sich die Situation durch die Kandidatur Ouattaras | |
geändert. Alles dreht sich nun darum, ob diese legal ist. Ich denke, dass | |
die Opposition die internationalen Akteure auffordern wollte, Druck auf | |
Ouattara auszuüben, um in einen Dialog einzutreten und die Wahlen zu | |
verschieben. Erfolgreich war das nicht: Am 31. Oktober wird gewählt. | |
Welche Bedeutung hat die politische Stabilität der Elfenbeinküste über die | |
Landesgrenzen hinaus? | |
Eine große. Die ganze Region schaut auf die Elfenbeinküste gerade. In der | |
Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) ist es nach Nigeria und | |
Ghana die drittwichtigste Volkswirtschaft. Innerhalb der frankophonen | |
Staaten und der CFA-Zone spielt es die größte Rolle. Auch ist es ein | |
[3][Land, das zahlreiche Migranten anzieht]. Das politische Gleichgewicht | |
ist deshalb für die ganze Region von Bedeutung. | |
Könnte es passieren, dass es nach den Wahlen zu einer ähnlichen Krise wie | |
2010 kommt? Damals starben mehr als 3000 Menschen. | |
Seit der Ankündigung Ouattaras, erneut zu kandidieren, hat es bereits Tote | |
gegeben. Das Risiko, dass die Gewalt weiter ansteigt, ist höher als noch | |
vor einigen Monaten. Wir befinden uns in einer Vorwahlkrise. Trotzdem gibt | |
es einen Unterschied im Vergleich zu vor zehn Jahren: Damals wurde die Wahl | |
zum Krieg, weil beide politischen Lager Armeen hatten. Gbagbo kontrollierte | |
formal die ivorischen Streitkräfte. Ouattara, Soro und die Opposition | |
konnten die alten Rebellen mobilisieren. Das war eine echte militärische | |
Auseinandersetzung. Auch waren französische Streitkräfte sowie [4][die | |
Vereinten Nationen vor Ort]. Heute ist die Lage anders: Die | |
Sicherheitskräfte stehen unter staatlicher Kontrolle und auf Seiten | |
Ouattaras. Das Risiko von Gewalt ist zwar gegeben. Das wird aber nicht in | |
einer militärischen Auseinandersetzung enden. | |
31 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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