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# taz.de -- Konflikt um Bergkarabach: Russlands Rolle im Südkaukasus
> Noch in der Nacht zu Dienstag lässt Kremlchef Waldimir Putin russische
> Friedenstruppen ins Kampfgebiet entsenden.
Bild: Zeichen des Friedens in der Region Bergkarabach?
Seit Montagnacht 24 Uhr schweigen die Waffen an der Front in Bergkarabach.
Am späten Montagabend unterzeichneten der aserbaidschanische Präsident
Ilham Alijew und der Ministerpräsident Armeniens, Nikol Paschinjan, unter
Vermittlung Präsident Wladimir Putins eine Waffenruhe. Beide Seiten
verpflichten sich, die Truppenbewegungen auf dem letzten Stand
einzufrieren.
Noch in der Nacht zu Dienstag machte sich ein Kontingent von 2.000
russischen Soldaten als Friedenstruppen auf den Weg in die Region. Der
Einsatz an der Demarkationslinie soll auf fünf Jahre begrenzt sein. Sie
sollen auch die Verbindungen zwischen Armenien und Bergkarabach
kontrollieren. Unter Aufsicht der Vereinten Nationen sollen auch
Flüchtlinge zurückkehren können. Ob dies nur für die armenischen
Flüchtlinge der jüngsten Kriegshandlungen gilt oder auch die in den 1990er
Jahren 600.000 vertriebenen Aserbaidschaner betrifft, ist noch unklar.
Den Verhandlungen war am Montagabend der Abschuss eines russischen
Militärhubschraubers vorausgegangen. Die Aseris hatten den Hubschrauber auf
dem Territorium Armeniens abgeschossen. Zwei russische Militärs kamen dabei
ums Leben. Baku entschuldigte sich für den Zwischenfall und bot den
Hinterbliebenen Schadensersatzzahlungen an. Russland unterhält eine
Garnison im armenischen Gymri.
Die Reaktion des russischen Außenministeriums fiel jedoch verhalten aus.
Bei dem Abschuss eines russischen Kampfjets über der Türkei 2015 antwortete
Moskau mit diplomatischen Maßnahmen und verhängte einen Einfuhrstopp für
türkische Tomaten. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria
Sacharowa, maß dem Zwischenfall Dienstag früh im SenderEcho Moskwy aber
keine Bedeutung bei.
## Konkurrenz zwischen der Türkei und Russland nimmt zu
Der Vorfall hätte Russland indes als Anlass dienen können, in den Krieg auf
armenischer Seite einzusteigen. Der Grund für einen Bündnisfall hätte
vorgelegen. Armenien und Russland gehören der Verteidigungsgemeinschaft der
Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (ODKB) an. Aber auch
Nachbar Aserbaidschan ist Teil dieses Bündnisses. Stattdessen wurde der
Zwischenfall zum Anlass genommen, das russische Friedenskontingent sofort
ins Kampfgebiet zu entsenden.
Trotz größerer Territorialverluste hätte das armenische Jerewan durch die
Vereinbarung die Chance erhalten, in Bergkarabach weiter Einfluss
auszuüben, meint der russische Kaukasusexperte Arkadij Dubnow. Es sei
auch ein „Sieg der Armenier“, die sonst Bergkarabach ganz verloren hätten.
Erst hätte der Kremlchef Präsident Alijew „die Stadt Schuscha (armenisch
Schuschi; d. R.) einnehmen lassen und danach dafür gesorgt, dass die
Vereinbarung unterzeichnet wurde“. Damit bliebe Russland „Garant des
Friedens“ im Südkaukasus.
Tatsächlich scheint Russland seine Rolle im Kaukasus festigen zu können.
Friedenstruppen stellt nur Moskau in Bergkarabach. Zuvor kursierten
Gerüchte, auch die Türkei würde sich an dem Einsatz beteiligen. Der Kreml
hatte zuvor türkische Aktivitäten aufseiten Aserbaidschans zähneknirschend
hingenommen.
Die Konkurrenz zwischen der Türkei und Russland hat im Kaukasus trotz
engerer Handelskontakte zugenommen. „Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir
Putin sind beide von dem Gedanken beseelt, an die Geschichte des
Osmanischen und Russischen Reichs anknüpfen zu können, meint der
Islamexperte Alexej Malaschenko von dem Institut Dialog der Zivilisationen
in Moskau.
10 Nov 2020
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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