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# taz.de -- Türkei und Aserbaidschan: Einfallstor Nachitschewan
> Die Waffenruhe zwischen Armenien und Aserbaidschan verschafft der Türkei
> ein Entree in der Region. Die Armenier fürchten den Panturkismus.
Bild: Feiern zum Waffenstillstand vergangene Woche in Ganja, Aserbaidschan
Berlin taz | In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku wird nicht nur ein
militärischer Sieg über Armenien im Konflikt um Bergkarabach gefeiert.
Bejubelt wird auch ein diplomatischer Erfolg, durch den eine Verbindung
zwischen den „verbrüderten Staaten“ Aserbaidschan und Türkei hergestellt
wird.
Laut der Vereinbarung am 10. November, [1][deren Umsetzung russische
Friedenstruppen absichern sollen], verliert Armenien die Kontrolle über
alle sieben Regionen, die Bergkarabach umgeben. Davon ausgenommen ist der
„Laschinkorridor“ auf einer Breite von fünf Kilometern, der Armenien mit
Bergkarabach verbindet. Auch die Stadt Schuschi (aserbaidschanisch:
Schuscha) und einige weitere Landstriche in Bergkarabach fallen an
Aserbaidschan. Der Status von Bergkarabach wird nicht definiert.
Zudem muss Armenien eine Landverbindung zwischen den westlichen Regionen
Aserbaidschans und [2][der aserbaidschanisch besiedelten autonomen Region
Nachitschewan] sicherstellen, zu der Aserbaidschan bisher keinen direkten
Zugang hat.
„Mit dem Abkommen wird die Blockade von Nachitschewan und Aserbaidschan
beendet. Aserbaidschan wird über die Eisenbahnlinie
Baku–Nachitschewan–Igdir–Kars–Istanbul Zugang zur Türkei und Europa
erhalten. Zweitens wird die Überlandkommunikation der Türkei mit der
türkischen Welt, die Anfang der 1920er Jahre beendet wurde,
wiederhergestellt“, sagt der aserbaidschanische Historiker und Abgeordnete
im aserbaidschanischen Parlament Musa Gasimli.
## Gespenst Panturkismus
Doch dahinter lauert für viele armenische Experten das Gespenst des
türkischen Panturkismus: Die Türkei werde jetzt einen direkten Zugang zu
seinem Verbündeten Aserbaidschan bekommen, genauso wie zum Kaspischen Meer.
Genau vor 100 Jahren hatte Mustafa Kemal Atatürk darauf bestanden, dass die
Sowjetunion die Region Nachitschewan nicht Armenien, sondern Aserbaidschan
zuordnete. So wurde am 18. März 1921 in Moskau zwischen russischen
Bolschewiken und türkischen Kemalisten ein Abkommen unterzeichnet, durch
das die Region Nachitschewan der Sowjetrepublik Aserbaidschan angegliedert
wurde. 1924 erhielt Nachitschewan den Status einer Autonomen
Sozialistischen Sowjetrepublik, Bergkarabach blieb ein autonomes Gebiet
innerhalb Aserbaidschans.
Nachitschewan grenzte damals nur an Armenien und den Iran. Weder
Aserbaidschan noch die Türkei hatten einen direkten Zugang.
Mustafa Kemal Atatürk stellte jedoch durch einen Gebietsaustausch mit Iran
eine Verbindung zu Nachitschewan her. Am 23. Januar 1932 wurde in Teheran
das iranisch-türkische Abkommen über die Änderung der Grenzen zwischen
beiden Ländern unterzeichnet. Aufgrund dieses Abkommens hatte die Türkei
fortan eine 17 Kilometer lange Grenze zu Nachitschewan.
## Rechte Hand Əliyevs
Die autonome Region, die wirtschaftlich von der Türkei abhängig ist, ist
ausschließlich von Aserbaidschanern bewohnt. Sie hat offiziellen Angaben
zufolge heute etwa 449.000 Einwohner, in Wahrheit dürften es weniger sein.
Aserbaidschans Präsident İlham Əliyev, der seit 2003 an der Macht ist,
stammt aus Nachitschewan – genauso wie sein Vater Heydər (Präsident von
1993 bis 2003) und dessen Vorgänger Äbülfäz Elçibäy.
Parlamentssprecher und damit Oberhaupt der Exklave ist Vasif Talıbov. Der
60-Jährige gehörte zu dem politischen Team von Heydər Əliyev und war dessen
rechte Hand. Als Əliyev 1993 zum Präsidenten Aserbaidschans gewählt wurde,
übernahm Talıbov in Nachitschewan die Führung.
Bereits seit Ende Juli 2020 fanden türkisch-aserbaidschanische
Militärübungen an der Grenze zu Armenien statt. Während des sechswöchigen
Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan positionierte sich der türkische
Staatschef Recep Tayyip Erdoğan an der Seite von İlham Əliyev.
19 Nov 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Tigran Petrosyan
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