# taz.de -- Türkei und Aserbaidschan: Ankara darf jetzt Truppen schicken | |
> Das türkische Parlament gibt Erdoğan grünes Licht für eine Entsendung von | |
> Soldaten nach Aserbaidschan. Das letzte Wort hat aber jemand anderes. | |
Bild: Zwei Männer trauern nahe der Botschaft von Aserbaidschan in Moskau | |
Istanbul taz | Das türkische Parlament hat am Dienstagabend beschlossen, | |
dass die Regierung zur Überwachung des Waffenstillstands in Bergkarabach | |
Truppen nach Aserbaidschan schicken darf. Dem Antrag stimmten bis auf die | |
prokurdische HDP alle Parteien zu. Er ist auf ein Jahr befristet. | |
Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird damit ermächtigt, nach eigenem Ermessen | |
so viele Soldaten nach Aserbaidschan zu schicken, wie er es für nötig | |
erachtet. Die Entscheidung im Parlament war eine Formsache, weil die | |
Regierungsmehrheit dafür ausreichte und auch alle Oppositionsparteien außer | |
der kurdisch-linken HDP die Politik Erdoğans im Südkaukasus unterstützen. | |
Aserbaidschan gilt traditionell als enger Verbündeter der Türkei. Außerdem | |
ist die Türkei auf Öl-und Gaslieferungen aus Aserbaidschan angewiesen. | |
Wie und wo die türkischen Truppen eingesetzt werden, entscheidet aber nun | |
vor allem der russische Präsident. Wladimir Putin hat den | |
[1][Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan], der vor einer | |
Woche in Kraft trat, vermittelt. Teil des Übereinkommens ist, dass Russland | |
mit eigenen Friedenstruppen die Vereinbarung militärisch absichert. | |
Mittlerweile sind deshalb rund 2.000 russische Soldaten entlang der | |
Waffenstillstandslinie stationiert worden. Trotz der Forderungen | |
Aserbaidschans, auch türkische Truppen zur Überwachung des | |
Waffenstillstands nach Bergkarabach zu schicken, hat Putin von Beginn an | |
klargemacht, dass er dem nicht zustimmen werde. Das wäre eine unnötige | |
Provokation Armeniens, sagte er am Dienstag noch einmal während einer | |
Pressekonferenz, in der er Armenien aber auch davor warnte, den | |
Waffenstillstand zu verletzten oder gar aufzukündigen, wie die Opposition | |
in Armenien es fordert. | |
Statt einer Stationierung türkischer Truppen in Karabach selbst schlägt | |
Putin vor, auf aserbaidschanischem Gebiet eine gemeinsame | |
russisch-türkische Beobachtungsstation einzurichten, von der aus vor allem | |
aus der Luft der Waffenstillstand überwacht werden soll. Die Türkei könne | |
dafür Drohnen einsetzen, sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow. | |
Zähneknirschend wird Erdoğan diesem Vorschlag wohl erst einmal zustimmen, | |
immerhin hat die Türkei damit offiziell erstmals seit dem Ende des Ersten | |
Weltkriegs wieder einen Fuß im Kaukasus. | |
Das Waffenstillstandsabkommen sieht noch einen weiteren von Aserbaidschan | |
durchgesetzten Schritt vor, der der Türkei entgegenkommt: Armenien musste | |
einer Transitverbindung über sein Territorium zur aserbaidschanischen | |
Enklave Nachitschewan zustimmen, die direkt an die Türkei angrenzt. | |
Erstmals hat die Türkei damit eine direkte Landverbindung nach | |
Aserbaidschan, wovon die türkischen Pantürkisten seit Jahrzehnten träumen. | |
Zwar ist der Waffenstillstand bislang stabil, doch die Zukunft von | |
Bergkarabach ist weiterhin unklar. Erst einmal gilt: Jeder kontrolliert das | |
Territorium, das er zum Zeitpunkt des Waffenstillstands beherrschte, also | |
Aserbaidschan den südlichen Teil von Bergkarabach und einige nördliche | |
Zipfel. Außerdem muss Armenien bis auf einen fünf Kilometer breiten | |
Korridor zum armenischen Mutterland alle um Karabach liegenden | |
aserbaidschanischen Provinzen räumen, die es im Krieg 1994 erobert hatte. | |
Armeniens Regierung will nun zügig über den zukünftigen Status von | |
Bergkarabach verhandeln, was der aserbaidschanische Präsident İlham Əliyev | |
allerdings ablehnt. Bergkarabach sei aserisches Land, darüber werde er | |
nicht mehr verhandeln, verkündete er am Dienstag bei einem Triumphzug durch | |
die eroberten Gebiete. | |
18 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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