| # taz.de -- Selbstvertretung wohnungsloser Menschen: Politisch sichtbar bleiben | |
| > Selbst ohne Wohnung, setzt sich Dirk Dymarski für Obdachlose ein. Er ist | |
| > aktiv in der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. | |
| Bild: Billiger Wohnraum fehlt für wohnungs- und obdachlose Menschen | |
| Berlin taz | In Dirk Dymarskis sanfter Stimme schwingt Wut mit. Kürzlich, | |
| zu Beginn der kalten Jahreszeit, [1][hatten wohnungslose Menschen die leer | |
| stehende Habersaathstraße 46 in Berlin-Mitte besetzt] – für den Aktivisten | |
| Dymarski eine richtungweisende Aktion gegen Leerstand und Wohnungsnot. | |
| „Dass es dann trotz der Zusagen des Bezirks zu dieser widerwärtigen Räumung | |
| kam, stößt mir extrem sauer auf“, sagt er der taz am Telefon. „Es muss | |
| einfach mehr bezahlbarer Wohnraum her.“ | |
| Dymarski ist aktiv in der [2][Selbstvertretung wohnungsloser Menschen], | |
| einer Plattform mit Sitz im niedersächsischen Freistatt. Ziel des Vereins: | |
| einstehen für die Anliegen von Wohnungs- und Obdachlosen, Armut, | |
| Ausgrenzung und Entrechtung zu überwinden. „Hinter jedem Obdachlosen steht | |
| ein Mensch mit einer Geschichte“, sagt der 44-Jährige. „Mir ist ein | |
| ehemaliger Staatsanwalt begegnet, der obdachlos wurde. Da rutscht man | |
| schneller rein, als man rauskommt.“ | |
| In Bochum beginnt Dirk Dymarskis eigene Geschichte. Dort ist er geboren und | |
| aufgewachsen, dort bezieht er seine erste eigene Wohnung und arbeitet in | |
| einem Stahlwerk. Als sein Vater plötzlich stirbt, zieht er zurück zur | |
| Mutter, die zunehmend unter Angstzuständen leidet. | |
| Er erinnert sich: „Es hatte damals 24 Stunden, sieben Tage die Woche, | |
| Priorität, für meine Mutter da zu sein.“ Doch diese Hingabe verträgt sich | |
| nicht mit Dymarskis Job, den er schließlich verliert. Die Mutter erholt | |
| sich wieder und findet einen neuen Lebensgefährten. 300 Euro legt sie ihrem | |
| Sohn eines Tages auf den Tisch und bedeutet ihm mit den Worten „Ich hab | |
| jetzt Günther“, dass er ausziehen soll. 2003 war das. | |
| Auch von Freund*innen sieht Dirk Dymarski sich damals im Stich gelassen. | |
| Zuerst schläft er in gewerblichen Unterkünften. Als sein Geld aufgebraucht | |
| ist, zieht der Endzwanziger von [3][Notübernachtung] zu Notübernachtung, | |
| zunächst im Ruhrgebiet, ab 2005 dann in Berlin, wohin ihn die | |
| Beach-Volleyball-WM lockte. | |
| ## Das eigene Ding durchziehen | |
| „In den letzten Jahren habe ich mich aus den unterschiedlichsten Gründen | |
| hängen lassen und wollte keine Hilfe annehmen, sondern war engstirnig und | |
| wollte mein eigenes Ding durchziehen“, schreibt Dymarski in einem | |
| Selbstporträt über diese Zeit. „Irgendwann dachte ich mir, so kann es nicht | |
| weitergehen.“ | |
| 2017 hat Dirk Dymarski es geschafft, von der Straße wegzukommen. Noch lebt | |
| er in einer Einrichtung der Diakonie in Freistatt, 2022 dann soll der Umzug | |
| in eine eigene Wohnung gelingen. Bis dahin arbeitet der Selbstvertreter | |
| daran, dass die Netzwerk- und Selbsthilfearbeit seiner Initiative die | |
| Pandemie übersteht. Und daran, dass Wohnungs- und Obdachlose politisch | |
| sichtbar bleiben. | |
| „Dass ich so eine Entwicklung durchmachen und die Zähne auseinanderbekommen | |
| würde, um über unsere Anliegen zu reden, hätte ich nicht für möglich | |
| gehalten“, sagt er. | |
| Infos zu und aus den sozialen Bewegungen finden Sie auf | |
| [4][taz.de/bewegung] | |
| 12 Nov 2020 | |
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| [1] /Protest-nach-Raeumung/!5726592 | |
| [2] http://www.wohnungslosentreffen.de/projekt/71-selbstvertretung.html | |
| [3] /Kaeltehilfe-in-Pandemiezeiten/!5723867 | |
| [4] /Bewegung/!p4715/ | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Hunglinger | |
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