# taz.de -- Neuer Gedenkort für KZ-Häftlinge: „Erinnerung soll nicht verwit… | |
> In der KZ-Gedenkstäte Neuengamme gibt es jetzt einen „Ort der | |
> Verbundenheit“ für die bisher Ungenannten. Mit Plakaten zum | |
> Immer-Wieder-Nachdrucken. | |
Bild: Können jederzeit nachgedruckt werden: Plakate am Ort der Verbundeneit in… | |
taz: Herr Esser, warum haben Sie den „Ort der Verbundenheit“ in der | |
KZ-Gedenkstätte Neuengamme initiiert? | |
Bernhard Esser: Weil ich der Sohn eines einstigen Häftlings bin und es für | |
ihn – wie für Tausende andere – keinen Gedenkort gab. | |
Wie kann das sein? | |
Das liegt daran, dass etliche Namen nicht bekannt sind. Im „Haus des | |
Gedenkens“ werden auf Stoffbahnen zwar 22.460 Häftlinge genannt, die in | |
Neuengamme und den Außenlagern starben, umgekommen sind aber fast doppelt | |
so viele. Von Tausenden kennt man weder die Identität noch die Orte und | |
Umstände des Todes. | |
Wann ist Ihnen das zum ersten Mal aufgefallen? | |
In den 1990er-Jahren, als ich anfing, ehrenamtlich in Neuengamme zu | |
arbeiten. Da habe ich oft beobachtet, dass im „Haus des Gedenkens“ | |
Angehörige die Namen ihrer Väter, Großväter, Großmütter vergebens suchten | |
und trotzdem Blumen, Fotos, Briefe dort ablegten. Da dachte ich, dass man | |
einen Gedenkort für alle braucht. Auch für diejenigen, die – wie mein | |
Vater – das KZ überlebten. Denn auch sie haben körperlich und seelisch | |
gelitten und diese Erfahrung in ihre Familien getragen. | |
Was hat Ihr Vater erlitten? | |
Er war, wie sein Bruder, im kommunistischen Widerstand aktiv. Seinen Bruder | |
hat die Gestapo 1933 nach brutalen Verhören im [1][Stadthaus] im KZ | |
Fuhlsbüttel ermordet. Mithäftlinge haben es gesehen und es meinem ebenfalls | |
verhafteten Vater erzählt. Lagerarzt Ulrich Schnappauf hat „Suizid“ auf den | |
Totenschein geschrieben; ich habe das Dokument hier. | |
Ihr Vater kam frei? | |
Ja. 1944 ist er aber bei einem Treffen seiner [2][Widerstandgruppe] | |
aufgeflogen und kam nach Neuengamme. Aber er hatte Glück: Als das Lager | |
kurz vor Kriegsende aufgelöst wurde und die Häftlinge auf den Todesmarsch | |
zur [3][„Kap Arkona“] gezwungen wurden – die dann von Briten bombardiert | |
wurde –, kam er ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Denn er war | |
politischer Häftling und noch nicht abgeurteilt. Das hat ihn gerettet. | |
Und wie gedenken Sie seiner am „Ort der Verbundenheit“? | |
Mit einem Plakat, das ich nach einem altmodischen Hochdruck-Verfahren | |
hergestellt und an die dort aufgestellte Wand gehängt habe. 83 Plakate von | |
Angehörigen aus aller Welt hängen da schon... | |
In Wind und Wetter? | |
Ja, und das ist das Geniale an der Idee, die Studenten der Hochschule für | |
bildende Künste für uns entwickelt haben: Jeder, der möchte, kann – zu | |
festen Terminen – mit den Druckstöcken hier Plakate nachdrucken. So wird | |
nicht nur das Plakat vor dem Verwittern gerettet und erneuert, sondern auch | |
die Erinnerung. | |
Wie sieht Ihr Plakat aus? | |
Ich habe meinem Vater einen Brief geschrieben, in dem ich ihm verspreche, | |
die [4][Erinnerung] wachzuhalten. Dass AfD-Leute wie Herr Gauland die | |
NS-Zeit als „Fliegenschiss der Geschichte“ verharmlosen, macht mich wütend | |
und spornt mich an. | |
16 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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