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# taz.de -- Berliner Kurzfilmfestival läuft online: Kurze Einblicke in 270 Wel…
> Das Festival Interfilm streamt Filme aus aller Welt. Dort treffen
> feministische Animationen auf poetische Meditationen oder postkoloniale
> Positionen.
Bild: Reise zwischen Hoffnung und Dystopie in einem halluzinierten Kinshasa: de…
Glockengeläut, ein Fenster, das geöffnet wird. Der Blick aus dem Fenster
fällt auf Messdiener. Weiter schweift der Blick, das Haar des einen
Messdieners wird zu einem Hügel. In den über 20 Jahren seiner Filme hat der
italienische Animationsfilmer Simone Massi die Technik eines Vorwärts in
[1][die Tiefe des Filmraums] perfektioniert.
In einer Mischung aus visuellen Umdeutungen von Flächen, die sich zu Formen
öffnen, etwa bei einem Zoom auf die Stirn eines Jungen, die zu einem Himmel
wird, über den Vögel flattern, entfalten Massis Filme einen Sog. In seinem
neusten Film „L’infinito“ wird dieser Sog begleitet von Giacomo Leopardis
gleichnamigem Gedicht. „Untergehen in diesem Meer ist inniger Schiffbruch.“
Massis Film ist Teil des diesjährigen Internationalen Wettbewerbs [2][des
Kurzfilmfestivals Interfilm]. Dort werden 270 Kurzfilme aus aller Welt in
30 Programmen gezeigt. Auch Interfilm wurde von der Schließung der Kinos
kalt erwischt und hat schnell umgemodelt. Nun präsentiert es die Programme
der diesjährigen Ausgabe kurzerhand online auf der Berliner
Streamingplattform „sooner“.
Neben dem internationalen, dem deutschen und dem Wettbewerb der kurzen
Dokumentarfilme gibt es einen Länderschwerpunkt zu Kurzfilmen aus Polen,
Themenprogramme zu Postkolonialismus, zu Beirut, zu neuen Talenten des
chinesischen Kurzfilms sowie zu revoltierenden jungen Frauen.
Eine Lücke klafft inmitten des Hügels, der mit Palmen bedeckt ist.
Stimmengewirr. Wie von Zauberhand erhebt sich die Palme zurück an ihren
Platz. „Rewild“ von Nicholas Chin, Ernest Zacharevic ist ein schlichter wie
effektiver Film. Die alte Filmtechnik, Aufnahmen rückwärts abzuspielen,
wird hier zur Utopie. Sie findet Bilder dafür, wie es wäre, die Zerstörung
der Umwelt rückgängig zu machen. Das Beispiel im Film ist die Abholzung der
Wälder Sumatras. Beinahe die Hälfte des Waldes ist in nur zwei Jahrzehnten
verschwunden. „Rewild“ läuft im Umweltfilm Wettbewerb von Interfilm.
## Bedrückende Poesie
In Zusammenarbeit mit Afrikamera präsentiert Interfilm zwei Programme unter
dem Titel [3][„Focus on Postcolonialism“]. In einem dieser Programme läuft
„No Archive Can Restore You“ der Künstlerin und Filmemacherin Onyeka Igwe.
Es ist eine Spurensuche im leerstehenden Gebäude der Nigerian Film Unit.
Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um statt der zentralen
britischen Colonial Film Unit die Filmarbeit in den Kolonien zu
dezentralisieren. Igwe erkundet Filmbilder, die nicht wirken als seien sie
Vergangenheit.
Interfilm steht seit Jahren für einen unkomplizierten Einstieg in die Welt
des Kurzfilms. Das wird auch bei der notgedrungenen Transformation in ein
Onlinefestival beibehalten: der Festivalpass kostet gerade einmal 7,95
Euro. So sind alle Voraussetzungen gegeben, um als Zuschauer:in abzutauchen
in ein Meer von Kurzfilmen und zu schwelgen.
Im flirrenden Kinshasa von Baloji Tshianis „Zombies“, in der bedrückenden
Poesie von Daniel Asadi Faezis „Where we used to swim“ oder in Renata
Gasiorowska [4][feministischem Animationsfilm] „Cipka“. Unendliche Weiten
des Kurzfilms. Im Laufe des Jahres haben Festivals Erfahrungen gesammelt,
wie Filme am besten online zu präsentieren sind.
Spannend wird sein zu sehen, wie gut es Interfilm gelingt, Gespräche und
Begegnungen ins Internet zu verlagern. Schön wäre ja, wenn die Diskussionen
durch den Wechsel der Plattform nicht ganz wegfielen.
11 Nov 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Kinotipp-der-Woche/!5719796
[2] https://www.interfilm.de/
[3] /Rassismus-als-System/!5702380
[4] /Animationsfilm-Ruben-Brandt-im-Kino/!5721033
## AUTOREN
Fabian Tietke
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Kolumne Frisch gesichtet
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