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# taz.de -- Corona-App und Datenschutz: Datensammelfantasien
> Soll die App alle möglichen privaten Daten sammeln und an Behörden geben?
> Diese Idee wird gerade populär. Durchdenken wir das mal kurz.
Bild: Wer der App nicht vertraut, installiert sie auch nicht
Das ging wirklich schnell. Kaum steigen die Infektionszahlen, diffundieren
Vertreter:innen der Fraktion Ich-hab-nichts-zu-verbergen in die Talkshows
hinein. So forderte etwa Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin [1][am
Sonntag bei Anne Will]: Die Corona-App solle persönliche Daten sammeln und
an die Gesundheitsämter weiterleiten, auf dass derart die
Pandemiebekämpfung erleichtert werde.
Die [2][Corona-App], könnte man sagen, ist das datenschutzvorbildlichste
Projekt, das die Bundesregierung in den vergangenen Jahren so auf den Weg
gebracht hat. Dass es nun Forderungen gibt, den Datenschutz hier
runterzuschrauben, ist also erwartbar und ironisch zugleich. Als ob
„informationelle Selbstbestimmung“ ein Schimpfwort wäre. Und das Erinnern
daran, dass mehr persönliche Daten nicht unbedingt mehr Sinn oder mehr
Handeln oder mehr Pandemiebekämpfung bringen, ein Leugnen der Schwere der
Situation.
Lassen wir das [3][Datenschutzargument] kurz beiseite und sagen: Okay. Soll
die Corona-App doch tracken und sammeln was das Zeug hält und die Daten
direkt an die Gesundheitsämter schicken. Das ließe sich politisch so
entscheiden. Zwar auf wackeligem rechtlichen Boden – aber das ist ja in der
Politik nicht unbedingt ein Argument. Stellen wir uns daher vor, die
Bundesregierung träfe jetzt die Entscheidung, die App entsprechend zu
ändern. Was würde passieren?
Nun, zunächst einmal müsste die Architektur der App entscheidend verändert
werden. Denn derzeit ist sie sehr datensparsam angelegt. Die Daten, die die
Ich-hab-nichts-zu-verbergen-Fraktion gerne bei den Gesundheitsämtern sehen
würde, werden noch gar nicht gesammelt. Es müssten also gute Teile der App
und der dahinterstehenden digitalen Infrastuktur neu aufgebaut werden.
Gemessen an der Zeit, die die App-Entwicklung im Frühjahr gebraucht hat,
wäre es gut möglich, dass es schneller einen zugelassenen Impfstoff gibt
als eine neu gebaute App.
## Es geht um Vertrauen
Aber selbst wenn es schneller ginge: Wie kommen die frisch gesammelten
Daten zu den Gesundheitsämtern? Nun, die Gesundheitsämter müssten auch an
die App-Infrastuktur angeschlossen werden. Schließlich können die Daten ja
nicht per Fax übermittelt werden. Hier wären also weitere Investitionen
nötig, in Hardware, in Softwareentwicklung, in Schulungen. Investitionen,
die auch der konventionellen Nachverfolgung gut täten, aber das nur
nebenbei.
Doch die größte Hürde liegt bei den Nutzer:innen. Die Entscheidung für eine
datensparsame Architektur fiel nach einer breiten öffentlichen Debatte auch
über problematische, datensammelnde Nachverfolgungspraktiken in anderen
Ländern. Die Bundesregierung schien schließlich zu verstehen, dass es bei
einer freiwilligen App auf das Vertrauen der Nutzer:innen ankommt – und das
ist eher mit Datensparsamkeit als mit Tracken und Sammeln zu gewinnen.
Heißt also: Mehr Datensammelei gleich weniger Nutzer:innen. Gleich: Der
vermeintliche Vorteil bei der Pandemiebekämpfung wäre schneller wieder
dahin als ein Talkshowabend.
26 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.daserste.de/information/talk/anne-will/videosextern/corona-infe…
[2] /100-Tage-Corona-Warn-App/!5711786/
[3] /Schwerpunkt-Ueberwachung/!t5007813/
## AUTOREN
Svenja Bergt
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Schwerpunkt Coronavirus
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