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# taz.de -- Unverständliche Corona-Warn-App: Falsches Sicherheitsgefühl
> Nur eine verständlichere Corona-App wirkt! Einfach programmierbare
> Änderungen der Mitteilungen, die die App gibt, wären sinnvoll.
Bild: Schnelltests sind angesagt. Hier in einem Autohaus in Dortmund
Was wünschen wir uns zu Weihnachten? Kaum etwas mehr als gute Nachrichten
zur Eindämmung der Coronapandemie. Handfeste Maßnahmen [1][wie verordnete
Kontaktbeschränkungen], obwohl wirksam, stehen allerdings weniger auf dem
Wunschzettel. Da bietet die viel gescholtene Corona-Warn-App einen guten
Weg, denn sie könnte ab Mitte Januar entscheidend helfen, wenn hoffentlich
der Lockdown wieder gelockert sein wird. Die App schränkt die Nutzer nicht
ein und Datenschutzprobleme wurden durch die Programmierung wirksam
verhindert. 24 Millionen Nutzer haben die App auch bisher heruntergeladen.
Doch weit weniger und damit wahrscheinlich nur gut 25 Prozent der
Erwachsenen in Deutschland nutzen sie aktiv. Und auf den meisten älteren
Telefonen arbeitet die App nicht.
Es ist gut, dass Nutzende inzwischen mehrmals täglich über mögliche
Risiko-Begegnungen im Alltag informiert werden. Weitere Verbesserungen
folgen zeitnah, wie das optionale Kontakttagebuch und ein Link zum
freiwilligen Spenden von Kontextinformationen. Doch dadurch wird die App
nicht automatisch mehr akzeptiert oder genutzt. Ein Großteil der Menschen
in Deutschland lehnt die App von Beginn an ab, weil sie nicht glaubten,
dass sie hilft, die Pandemie einzugrenzen. Eine vom Max-Planck-Institut für
Bildungsforschung durchgeführte Befragung zeigt zudem, dass viele Menschen
sich möglichst handfeste Informationen über die Entwicklung der Pandemie
wünschen. Wir folgern daraus, dass die App ihre Wirkung verständlicher
machen sollte und irreführende Warnungen unterbleiben müssten.
Solange die App grün anzeigt, wird man in falscher Sicherheit gewogen. Es
steht in breiten Lettern da: „Niedriges Risiko“. Das ist aber eine
irreführende Feststellung, solange die App nicht zumindest von fast allen
Menschen in Deutschland genutzt wird und coronapositive Nutzende der App
ihr Testergebnis tatsächlich immer mitteilen. Denn gegenwärtig kann die App
etwa drei Viertel aller riskanten Begegnungen, die ein aktiver App-Nutzer
hat, gar nicht erfassen, da ja nur ein Viertel der Erwachsenen die App
aktiv nutzt.
## Unzutreffende Mitteilung
Die Mitteilung „Niedriges Risiko“ ist also schlicht unzutreffend. Sie
verleiht einerseits ein falsches Sicherheitsgefühl, solange es nicht viel
mehr App-Nutzer gibt. Andererseits kann man wenig damit anfangen, da die
Niedrig-Risiko-Mitteilung nicht ausreicht, sich rasch vorsichtshalber
testen zu lassen. Wenn dann noch ein Arzt sagen sollte, „Ignorieren Sie
einfach diese Mitteilung“, dann führt der tägliche, grün hervorgehobene
Hinweis auf „Niedriges Risiko“ bei vielen Nutzern zu weniger und nicht mehr
Vorsicht, die gegenwärtig und auf absehbare Zeit angezeigt ist. Es lässt
sich zwar annehmen, dass diese „Warnungen“ bei manchen von jenen Nutzern,
die wissen, was das bedeutet[2][, eine erhöhte Risikowahrnehmung zur Folge]
haben, weil man sich gewissermaßen von Infizierten umzingelt wähnt. Aber
wenn man sich auf den Einkaufsstraßen umsah, gewann man den Eindruck, dass
viele von dem Entlastungscharakter der grünen Meldung überzeugt sind.
Solange es keine rote Meldung gibt, zeigt die App ein „unbekanntes Risiko“
an. Das sollte auch – grau unterlegt – dastehen; und nicht in grüner
Schrift „niedriges Risiko“.
Differenzierte Erklärungen mit neutraler Farbgebung („blau“) könnten auf
einfache Art und Weise helfen. Vielleicht wäre es sogar das Beste, als
unkritisch eingestufte Begegnungen gar nicht anzuzeigen?
Die einzig handfeste Information, die die App übermittelt, ist die rote
Warnmeldung: Eine kritische Begegnung wurde registriert und das ist eine
handlungsrelevante Information. Auf dieser Basis kann man mit
Selbstquarantäne und einer Abklärung durch einen Corona-PCR-Test eine
Infektionskette frühzeitig unterbrechen. Sie wirkt also zum Schutz anderer.
## Kein Medikament ohne Nebenwirkung
Zur gesellschaftlichen Wirksamkeit sollte die App ihren Nutzenden sagen,
wie viele Menschen bislang ein positives Testergebnis mitgeteilt haben
(wenn dieser Beitrag gedruckt wird, dürften das über 113.000 Infizierte
gewesen sein). Das entspricht etwa 10 Prozent des Infektionsgeschehens in
Deutschland, welches so schneller bekämpft werden konnte. Etwa jede vierte
Kontaktperson der infizierten App-Nutzer, einschließlich ihrer
Haushaltsmitglieder, wurde gewarnt. Nur dadurch konnten diese Menschen
früher getestet werden, in Selbstquarantäne gehen und aufmerksamer für
Symptome sein. Dass dies in manchen Fällen unnötig ist, Menschen
verunsichert werden und ein unnötiger Test an anderer Stelle im
Gesundheitssystem fehlen kann, weil die App fälschlicherweise Alarm
schlägt, gehört auch zum Gesamtbild. Aber kein Medikament wirkt ohne
Nebenwirkungen.
Wir sind davon überzeugt: Wenn man die möglichen Nutzen und Risiken der App
verständlicher gegenüberstellen würde, außerhalb und innerhalb der App,
könnten diese Argumente mehr potenzielle Nutzer überzeugen.
Um die App-Nutzenden nicht in falscher Sicherheit zu wiegen, wäre auf jeden
Fall eine Information darüber zentral, wie viele Leute die App tatsächlich
aktiv nutzen und wie viele potenzielle, kritische Kontakte sie nicht
erfassen konnte. Die Standardmitteilung der App könnte etwa so auf dem
Startbildschirm stehen: [3][Gegenwärtig nutzen weniger als 25 Millionen
Menschen die App aktiv]. Deswegen kann die App im Mittel nur etwa 25
Prozent aller Ihrer Kontakte registrieren. Auch wenn die App Ihnen keine
Warnung gibt, sollten Sie vorsichtig sein. Informieren Sie auch Freunde und
Arbeitskollegen über die möglichen Vor- und Nachteile der App. Um die App
effektiver zu machen, ist ein neues Smartphone, auf dem die Warn-App laufen
kann, für die alte Mutter oder den Opa zu Weihnachten ein äußerst
sinnvolles Weihnachtsgeschenk.
21 Dec 2020
## LINKS
[1] /Aktuelle-Entwicklungen-in-der-Coronakrise/!5739937
[2] /Aerzte-und-Pflegende-in-der-Coronakrise/!5729518
[3] /Corona-App-und-Datenschutz/!5723399
## AUTOREN
Felix G. Rebitschek
Gert G. Wagner
Christian Groß und Gerd Wagner
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