# taz.de -- Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Ehrung für Amartya Sen | |
> Amartya Sen schreibe an gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt, sagt | |
> Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Laudatio auf den | |
> indischen Ökonomen. | |
Bild: Ausgezeichnet: Amartya Sen (rechts) war per Video aus Boston zugeschaltet | |
FRANKFURT AM MAIN epd | Der indische Wirtschaftswissenschaftler und | |
Philosoph [1][Amartya Sen] ist am Sonntag in Frankfurt am Main mit dem | |
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. „Amartya Sen | |
schreibt an gegen die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten dieser Welt“, | |
sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Laudatio, die in | |
der Paulskirche von Schauspieler Burghart Klaußner verlesen wurde. Sen sei | |
eine „moralische Instanz“. Seine Überzeugungen „sind Kernüberzeugungen,… | |
mir aus dem Herzen sprechen“, bekannte der Bundespräsident. | |
Weder der Laudator noch der Preisträger konnten wegen der Coronapandemie | |
anwesend sein. Steinmeier ist wegen der Corona-Infektion eines seiner | |
Personenschützer seit Samstag in Quarantäne. Sen war per Video aus Boston | |
zugeschaltet. Die Veranstaltung fand fast ohne Gäste in der Paulskirche | |
statt, wurde [2][aber in der ARD übertragen]. | |
In seiner Rede hob der Bundespräsident hervor, Amartya Sen sei „wie kein | |
anderer verbunden mit der Idee der globalen Gerechtigkeit“. Er sei zwar | |
„durch und durch Akademiker“, aber sein Werk bleibe nicht akademisch. Er | |
wolle verstanden werden, und er wolle die Welt nicht nur begreifen, er | |
wolle sie verändern. „Amartya Sen hat sie verändert“, lobte Steinmeier. | |
Der in Boston lebende Preisträger Sen beklagte in seiner Dankesrede | |
repressive Tendenzen in vielen Staaten Asiens, Europas, Lateinamerikas und | |
in den USA. Dabei konzentrierte er sich auf die politischen Verhältnisse in | |
seinem Heimatland Indien. Von der Regierungslinie abweichende Meinungen | |
würden dort als „Aufwiegelung“ angesehen. „Missliebige Menschen können | |
einseitig zu Terroristen erklärt und ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis | |
geworfen werden“, klagte Sen. Vorbeugehaft sei unter der | |
hindu-nationalistischen Regierung üblich wie einst während der britischen | |
Kolonialherrschaft. | |
## Wie Ausländer | |
Muslime würden in Indien systematisch unterdrückt und von | |
Hindu-Nationalisten „wie Ausländer“ behandelt, kritisierte Sen, der selbst | |
Hindu ist. Auch die heute als Dalits bezeichnete einstige „Kaste der | |
Unberührbaren“ werde trotz formaler Antidiskriminierungsmaßnahmen weiter | |
unterdrückt. | |
Weltweit erschwere soziale Spaltung den gesellschaftlichen Fortschritt, | |
klagte der international renommierte Wirtschaftsphilosoph. Dabei erwähnte | |
er namentlich Polen und Brasilien wegen ihrer homophoben Regierungen, die | |
Philippinen wegen ihrer repressiven Drogenpolitik und die USA angesichts | |
der noch immer „zementierten Ungleichheit“ von Schwarzen und Weißen. | |
Staatlicher „Autoritarismus“ sei eine weltweite Pandemie, vergleichbar der | |
Verbreitung des Coronavirus. | |
Amartya Sen wurde 1933 in der indischen Region Westbengalen geboren. Er | |
forscht seit Jahrzehnten an weltweit führenden Hochschulen über die Folgen | |
der Globalisierung und die Ursachen von Armut und Hunger. Seine | |
Überlegungen liegen dem von den Vereinten Nationen verwendeten Index der | |
menschlichen Entwicklung (Human Development Index) zugrunde. Für seine | |
Theorien zur Wohlfahrtsökonomik in Entwicklungsländern erhielt er 1998 den | |
Wirtschaftsnobelpreis. | |
Die Verleihung des Friedenspreises findet traditionell zum Abschluss der | |
Frankfurter Buchmesse statt. Die Auszeichnung wird seit 1950 vergeben und | |
ist mit 25.000 Euro dotiert. Im vergangenen Jahr erhielt der brasilianische | |
Fotograf Sebastião Salgado den Preis. | |
18 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Oekonom-Amartya-Sen-wird-geehrt/!5717060 | |
[2] https://www.ardmediathek.de/ard/video/tagesschau24/friedenspreis-des-deutsc… | |
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