| # taz.de -- Ringen um den CDU-Vorsitz: Ab durch die Mitte | |
| > Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen werben bei der Jungen | |
| > Union um Unterstützung. Vor allem jedoch sind sie sehr nett zueinander. | |
| Bild: Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz bei ihrem „Pitch“ … | |
| Berlin taz | Samstagabend in Berlin. Die Junge Union veranstaltet einen | |
| „Pitch“ mit den drei Konkurrenten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert | |
| Röttgen. Es geht um Digitalisierung, Bildung, weniger Bürokratie und | |
| Generationengerechtigkeit – was Jungkonservative eben so umtreibt. | |
| Die Debatte ist extrem formatiert. Am Anfang ein fünf Minuten Statement, am | |
| Ende sollen die drei noch mal in 30 Sekunden ihre, so der aufgeräumte | |
| Moderator, „unique selling points“ zusammenfassen. Pitch und Verkaufe – | |
| Politik in Werbesprache zu formulieren hält man bei der JU offenbar für | |
| modern. | |
| [1][Armin Laschet, der liberale Katholik], [2][Friedrich Merz, der | |
| schneidige Wirtschaftskonservative], [3][Norbert Röttgen, der ehrgeizige | |
| Intellektuelle] – sie streiten sich nicht. Es herrscht ein | |
| Nichtangriffspakt, der nur zarte Andeutungen eigener Überlegenheit zulässt. | |
| Laschet, als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident im Vorteil, betont | |
| immer wieder, dass er nicht „nicht bloß Reden hält, sondern konkret | |
| anpackt“ – etwa bei Corona. „Wir machen das“, verkündet er mehrmals. D… | |
| geht gegen Merz, der als Politrentner außer markigen Meinungen nichts im | |
| Angebot hat, mal entsprechend verdrießlich drein schaut, aber sich | |
| ansonsten nichts anmerken lässt. | |
| Merz verkündet, dass Deutschland „zu träge“ geworden sei, will wolkig an | |
| die Agenda 2010 von Schröder anknüpfen und verspricht der Parteijugend | |
| „einen neuen Generationsvertrag“. Alle Gesetze sollten auf | |
| Generationsgerechtigkeit geprüft werden. Was damit konkret gemeint ist, | |
| bleibt offen. Nachfragen sind in diesem Pitch nicht vorgesehen. So bleibt | |
| es bei der Selbstinszenierung der Kandidaten. | |
| ## Außenseiter Röttgen gibt den Unbequemen | |
| Röttgen, mit offenem Hemdkragen, gibt den Unbequemen, der dramatische | |
| Herausforderungen kommen sieht. Deutschland sei bei der Digitalisierung 20 | |
| Jahre hinter Estland zurück. Er wünscht sich, leicht spontihaft für die | |
| CDU, Debatten, bei denen nicht klar sein soll, wo sie enden. Das kann man | |
| sich bei einem CDU-Chef Merz nicht so gut vorstellen. | |
| Die CDU müsse „weiblich, jünger, digitaler“ werden, so Röttgen schwungvo… | |
| Die naheliegende Frage, ob drei männliche Kandidaten um die 60 ein | |
| überzeugendes Mittel auf diesem Weg sind, bleibt ungestellt. Auch die Junge | |
| Union ist an diesem Abend Teil des diskursiven Waffenstillstandsabkommens. | |
| Eine Art zaghaften Schlagabtausch gibt es, als Laschet fragt, wie die sehr | |
| lange Mängelliste, die Röttgen aufzählt, zu dem Umstand passt, dass die | |
| Union ja seit 2005 regiert. Point taken. Röttgen klingt mitunter wie | |
| Kassandra, nicht wie jemand, der seit 30 Jahren zur politischen Klasse | |
| gehört. Er erwähnt des öfteren, dass er sich schon vor zehn Jahren für | |
| dieses oder jenes ausgesprochen habe, was besserwisserisch klingt. | |
| Wobei: Norbert Röttgen läuft sowieso halb außer Konkurrenz. Von Anfang an | |
| war er in einer krassen Außenseiterrolle. Seine Ankündigung, als CDU-Chef | |
| dem in den Umfragen derzeit [4][weit populäreren CSU-Mann Markus Söder] den | |
| Vortritt als Kanzlerkandidat zu lassen, ist zwar einerseits ein nicht ganz | |
| unpfiffiger taktischer Zug, dürfte jedoch andererseits von eingefleischten | |
| ChristdemokratInnen als Kapitulationserklärung aufgefasst werden. | |
| ## Desinteresse an sozialen Fragen | |
| Ansonsten sind alle für ein Digitalministerium, für mehr junge | |
| UnternehmerInnen, die etwas riskieren, und für weniger Bürokratie. Sie | |
| wollen die AfD bekämpfen und das Klima schützen. Das Rentenalter werde, so | |
| die einhellige Ansicht, in den den nächsten Jahrzehnten nicht bei 67 | |
| Jahren, sondern später liegen. Genaues wisse man aber nicht. | |
| Röttgen überrascht mit ein paar markigen Law-and-Order-Sprüchen, Merz mit | |
| der Erkenntnis, dass die soziale Marktwirtschaft bei der Reduzierung der | |
| CO2-Emissionen in Deutschland bisher „sensationell erfolgreich“ war. Zu | |
| Mindestlöhnen, Hartz IV oder Tariflöhnen in der Pflege wollen die | |
| Jung-Unionisten, die per Zoom zugeschaltet Fragen stellen dürfen stellen, | |
| nichts wissen. | |
| Die meisten Punkte macht Laschet, weil er Thesen mit politischer Praxis | |
| verbinden kann. Er reklamiert für sich die Mitte. In seinem Kabinett habe | |
| er sowohl den ArbeitnehmerInnen- als auch den Wirtschaftsflügel | |
| eingebunden, eine Migrantin und die Frauenunionseien auch mit dabei, | |
| verkündet er stolz. Also alle mitnehmen – das Modell Merkel. | |
| Als [5][Annegret Kramp-Karrenbauer Ende 2018] knapp gegen Friedrich Merz | |
| gewann, war das die erste Kampfkandidatur um den CDU-Parteivorsitz seit 47 | |
| Jahren. Dass es mehrere Kandidaten gibt, ist für die Machtmaschine CDU | |
| ungewöhnlich. Daher rührt die Nervosität, dass der Dreikampf zwischen Merz, | |
| Laschet und Röttgen womöglich aus dem Ruder laufen und den Wahlkampf 2021 | |
| verhageln kann. | |
| Die Harmlosigkeit der Debatte am Samstag ist die Selbstversicherung, dass | |
| der Machtkampf ohne Kollateralschaden über die Bühne geht. Die nächste | |
| Diskussion findet am 3. November statt. | |
| 18 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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