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# taz.de -- Aktualisierte Söder-Biografie: Märchenonkel, Märchenprinz
> Eine Biografie erklärt den Aufstieg des CSU-Chefs Markus Söder vom
> belächelten PR-Heini zum „Schattenkanzler“. Sein Talent: geduldiges
> Abwarten.
Bild: Ein bajuwarischer Mundschutz
Immerhin drei Menschen hatten in diesem Jahr Glück: Markus Söder, der vom
[1][belächelten Provinzheini zur beliebtesten Führungskraft der Union
aufstieg], und seine Biografen, die SZ-Autoren Roman Deininger und Uwe
Ritzer, die davon profitieren. Völlig zu Recht.
Da man dem fränkischen Ober-Bayern inzwischen alles zutraut, von der
eigenhändigen Vertreibung der Corona bis zur Nachfolge der Kanzlerin, wurde
die Biografie flugs aktualisiert und umbenannt. Statt „Politik und
Provokation“ heißt die Neuauflage jetzt „Der Schattenkanzler“. Das klingt
natürlich spannender. Wie kann es sein, dass ausgerechnet der Märchenonkel
Söder, dem früher kein konservatives Klischee zu altmodisch und kein
[2][„Asyltourist“] zu populistisch war, plötzlich als Märchenprinz gilt,
der mit Robert Habeck turtelt?
Über Söders Staatsmannwerdung staunen auch seine Biografen, die so viele
peinliche Auftritte des egomanischen Angebers miterlebten, und hinreißend
komisch beschreiben. Ein Höhepunkt: Die Rettung bayerischer Zugvögel vor
italienischen Jägern durch den damaligen Umweltminister Söder 2009.
Leider entpuppt sich der aus einem Käfig am Gardasee befreite Piepmatz bei
näherem Hinsehen als Grünfink, der gar kein Zugvogel ist. Aber egal.
Hauptsache, Söder bekam wieder ein Heldenfoto in der Bild – und einen
Beleg, dass seine heutige Grünen-Liebe nicht aus heiterem Himmel kam.
## Keine Chance für Rivalen
Sehr amüsant zu lesen ist auch die Beschreibung der dilettantischen
Versuche seiner CSU-Rivalen, den Aufstieg Söders zu verhindern. Man lernt,
warum sie keine Chance hatten.
Da ist einmal das Unterhaltungstalent, das Söder von all den Biedermännern
und -frauen in der Politik abhebt. Aber auch extremer Fleiß, den sich die
Biografen mit Söders Herkunft als Maurersohn erklären. Ihm sei nie etwas in
den Schoß gefallen wie dem Freiherrn zu Guttenberg. Söder habe sich
hochgekämpft, diszipliniert und alkoholfrei.
„Das Prinzip Söder, und mithin all die PR-Gags und Peinlichkeiten,
funktioniert nur, weil er sich in der täglichen Arbeit kaum eine Blöße
gibt“, konstatieren Deininger und Ritzer, die auch seine brutale Härte
schildern, von der einige aus dem Weg geräumte Ex-Gefährten eindrucksvoll
berichten.
Als größtes Erfolgsgeheimnis aber stellen die Autoren Söders Lernfähigkeit
heraus, die Bereitschaft, sich auch mal reuevoll zu korrigieren, was ihn
vom sozialpolitisch eher linken, aber migrationspolitisch rechten Sturkopf
Seehofer unterscheidet. Söder war immer schnell da, wo sich die Mehrheit
gerade hindreht. Auch deshalb gilt Seehofer immer noch als Schurke und
Söder als Versöhner.
## Will er Kanzler werden?
Als [3][harter Coronabekämpfer] hat Söder erstmals ein großes Thema, bei
dem er konsequent scheint. Auch sein Anti-AfD-Kurs wirkt glaubwürdig. Ob er
so mittig bleibt? Gut möglich, meinen die Biografen. Als Ministerpräsident
habe er sein großes Ziel erreicht, und er sei gern „endlich einmal der good
guy“.
Aber will er Kanzler werden? Da sind auch die Söder-Experten überfragt. Sie
bescheinigen ihm nur ein weiteres Talent: geduldig abwarten zu können.
Söder würde dazu wohl sagen, was er schon oft gesagt hat: „Herzlichen Dank
für die lobenden Worte. Sie waren angemessen.“
19 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Lukas Wallraff
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