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# taz.de -- Hamstern in Coronazeiten: Der Klopapier-Index
> Wie im Frühjahr machen Warnungen vor Hamsterkäufen die Runde. Die Angst
> vor leeren Regalen zeigt mehr als alles andere die Wahrnehmung der
> Pandemie.
Bild: Wenn eine:r anfängt zu hamstern, ziehen die anderen schnell nach
Was ist der effektivste Weg, um Menschen dazu zu bringen, [1][Hamsterkäufe]
zu tätigen? Nun, man könnte ihnen zuraunen: „Leute, kauft Nudeln, sie
könnten bald alle sein!“ Wirklich vielversprechend ist das allerdings
nicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe etwa
ruft seit Jahren dazu auf, sich eine Vorratshaltung im ungefähren Umfang
eines kleinen Kinderzimmers zuzulegen – weitgehend ohne große Resonanz.
Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat deshalb den umgekehrten und
deutlich vielversprechenderen Weg gewählt: „Für Hamsterkäufe gibt es keinen
Grund“, [2][sagte sie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Montag].
Doch spätestens seit „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“
denkt sich manche:r, vielleicht sollte es jetzt doch eine Nudelpackung mehr
sein. Oder zwei.
Da reden sich Politiker:innen, das Robert-Koch-Institut, Virolog:innen,
Epidemiolog:innen und Gesundheitsämter seit Wochen den Mund fusselig.
Warnen vor steigenden Fallzahlen, erklären zum hundertzwanzigsten Mal das
Wesen des exponentiellen Wachstums und weisen auf die Grenzen der
Kontaktnachverfolgung hin. Sie verschärfen Regeln, erhöhen Bußgelder,
verstärken Kontrollen. Sie melden Inzidenz, R-Wert und die Zahl der
durchgeführten Sars-CoV-2-Tests. Sie starten [3][eine über Deutschland
hinaus beachtete Debatte über das Lüften]. Doch nichts scheint hierzulande
den Zustand der Pandemie so deutlich zu machen wie ein leeres Nudel- oder
Klopapierregal – oder [4][notfalls Bilder] davon.
Dass Lieferengpässe eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sind –
geschenkt. Je mehr Menschen aus Angst vor leeren Regalen hamstern, desto
mehr Bilder von leeren Regalen gibt es, und desto mehr Menschen werden aus
Angst vor leeren Regalen hamstern. Da ist es fast egal, ob das initiale
Bild morgens um kurz nach acht entstanden ist, als die Mitarbeiter:innen im
Supermarkt noch nicht die Zeit hatten, den Inhalt des Palettenwagens ins
Regal zu räumen. Oder ob es sich wirklich um einen Lieferengpass handelte.
## Wer es sich nicht leisten kann, verliert
Denn klar: Wenn auf einmal die Nachfrage unvorhergesehenermaßen steigt –
sei es, weil sich viele Menschen plötzlich Vorräte zulegen oder weil von
jetzt auf gleich alle Büroarbeiter:innen ins Homeoffice gebeten werden
und dort selbst kochen, statt in die Kantine zu gehen –, dann sind Engpässe
möglich. Warenströme lassen sich nicht von heute auf morgen von Lieferung
an Kantinen und Restaurants auf Lieferung an Supermärkte und Discounter
umstellen. Die Verlierer:innen des Hamstertums sind dabei diejenigen, die
sich einen großen Vorratskauf nicht leisten können.
Mehr als der Maskenknigge, mehr als Reiseverbote, mehr als
Quarantäne-Vorgaben machen leere Regale oder auch nur die Angst davor
deutlich: Hier stimmt etwas nicht. Hier fällt die Wohlstandswelt, wie sie
ein großer Teil der hierzulande Lebenden gewohnt ist, auseinander. Ein
Produkt, nach dem einem gerade der Sinn steht, ist nicht erhältlich? Auch
wenn davon die Welt vielleicht noch nicht untergeht, sie ist auf alle Fälle
kurz davor. Es gilt: Wenn der MNK-Index (= Mehl, Nudeln, Klopapier) in
Deutschland unter 1 sinkt, ist die Lage ernst.
Und wie sieht es nun wirklich aus? Die großen Lebensmittelketten zeichnen
auf Anfrage der taz ein uneinheitliches Bild. Während Edeka angibt, „keine
flächendeckende Veränderung des Einkaufsverhaltens der Kunden“ zu
beobachten, berichtet Aldi Süd von einem „leichten Anstieg der Nachfrage
nach vereinzelten Produkten“. Um welche Produkte es sich handelt, sagt das
Unternehmen auf Nachfrage nicht. Aber einzelne Händler, darunter ein Edeka,
[5][der das auf Twitter öffentlich machte], setzen in Sachen
Klopapierverkauf bereits wieder auf die Abgabe in „haushaltsüblichen
Mengen“. Der MNK-Index, er könnte demnächst wieder unter 1 fallen. Frau
Klöckner wäre daran wohl nicht ganz unbeteiligt.
20 Oct 2020
## LINKS
[1] /Supermarktleiter-ueber-Klopapier-Hype/!5703173
[2] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/julia-kloeckner-fuer-hamsterkaeufe-g…
[3] https://www.theguardian.com/world/2020/sep/30/germans-embrace-fresh-air-to-…
[4] https://www.rbb24.de/studiocottbus/panorama/coronavirus/beitraege_neu/2020/…
[5] https://mobile.twitter.com/EdekaEsslinger/status/1316724767341400064?p=v
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
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