# taz.de -- Sky-Serie „Hausen“: Ein Geisterhaus | |
> In der TV-Serie „Hausen“ auf Sky wohnt der Grusel in einem alten | |
> Plattenbau. Es blubbert, knarzt und ächzt – und ist dabei trotzdem hübsch | |
> anzusehen. | |
Bild: Juri (Tristan Göbel) und sein Vater Jaschek (Charly Hübner) ziehen ein | |
Als Verb ist „Hausen“ ja doch eher schlecht beleumundet. Man denkt an wenig | |
anspruchsvolle Formen des Wohnens in verlotterten Studentenbuden, elenden | |
Tönnies-Unterkünften oder heruntergewirtschafteten Sozialbauten. | |
Wobei der Plattenbau, in den nach dem Tod der Mutter, der 16-jährige Juri | |
(Tristan Göbel) und sein Vater Jaschek ([1][Charly Hübner]) in der ersten | |
von acht Folgen „Hausen“ einziehen – in einer vergessenen Trabantenstadt | |
irgendwo am äußersten Rand des untergegangenen Sowjetimperiums? – ein | |
besonders unterdurchschnittliches Exemplar ist. Der Putz bröckelt, der | |
Schimmel expandiert, die Tapeten hängen in Fetzen. Der blanke Horror für | |
jeden Wohnconnaisseur. | |
„Burning Down the House“, tönen aus dem Off die Talking Heads. Keine Frage, | |
da war großer Stilwille am Werk. Das kalt flimmernde Leuchtstoffröhrenlicht | |
in den dunklen grauen Gängen, die Rohre an Wand und Decke des | |
Heizungskellers, sogar die von einer gleitenden Kamera in Schrägsicht aus | |
der Froschperspektive gefilmten Außenfassaden erinnern an das Raumschiff | |
Nostromo in „Alien“, den Klassiker des Science-Fiction-Horrors. Vielleicht | |
werden nach ein paar mehr Jahrzehnten mit anonymen Hausmeisterservice-GmbHs | |
irgendwann alle Immobilien so aussehen. | |
Aber noch ist es nicht so weit: „Ich bin der Hausmeister“, sagt Charly | |
Hübner: „Ich muss mich um die Heizung kümmern.“ Und so sieht er aus. Alle… | |
Ronald Zehrfeld, der andere normannische Kleiderschrank (so hatte einst | |
Brigitte Bardot den nicht schmächtigen Curd Jürgens genannt) unter den | |
aktiven deutschen Schauspielern könnte man sich noch in der Rolle | |
vorstellen – aber der hatte schon bei Netflix für „Barbaren“ | |
unterschrieben. „Hausen“ ist nicht schlecht besetzt mit Sandra Hüller, | |
Alexander Scheer, Lilith Stangenberg. | |
## Ein Ausflug in den Horror | |
„Wir haben für morgen ’nen Besichtigungstermin in einer neuen Wohnung. Die | |
hat sogar ’ne funktionierende Heizung. Ich glaube, diesmal könnte’s echt | |
was werden“, spricht sie ihrem Mann auf den antiken Anrufbeantworter. Die | |
Digitalisierung ist in der vergessenen Sowjettrabantenstadt noch nicht | |
angekommen. Die Kassette wird wie von Geisterhand gelöscht. Das Haus hört | |
mit. Es ächzt, krächzt, faucht, grummelt, rauscht. Durch seine Rohre fließt | |
schwarzer Blubberschleim, hält die marode Maschinerie in Gang. Der blanke | |
Horror – nicht nur für Wohnconnaisseurs. | |
„Haunted House“ heißt das beliebte Horrorsubgenre, in dem das Böse von | |
einer Immobilie ausgeht – und dessen berühmtester Vertreter Stanley | |
Kubricks „Shining“ ist. Obwohl Roman Polański mit seiner Mietertrilogie | |
(mit „Rosemary’s Baby“) auch eine Marke gesetzt hat. Wie Lars von Trier m… | |
seiner Miniserie „Geister“. | |
So ein Ausflug in den Horror ist also keine Schande für einen | |
ambitionierten Autorenfilmer. Der Leipziger Regisseur Thomas Stuber, dessen | |
Kinofilm „In den Gängen“ im Jahr 2018 bei der Berlinale lief, hat sich | |
schließlich schon mit seinem „[2][Tatort: Angriff auf Wache 08]“ am Remake | |
eines Films von „Halloween“-Regisseur John Carpenter versucht. Apropos: | |
„‚Hausen‘ wird das große Halloween-Event …“, ächzt, krächzt die | |
Sky-Marketing-Maschinerie. | |
Das muss man ihnen lassen: Auf Atmosphäre und Effekte verstehen sich Thomas | |
Stuber und seine Chef-Autoren Till Kleinert und Anna Stoeva. Es gab da ja | |
diese andere deutsche Genreserie – „[3][Dark]“ –, bei der man als | |
Zuschauer, der die immer zahlreicher gewordenen Handlungsstränge irgendwann | |
nicht mehr überblickt, so ein Gefühl hatte, dass das wohl auch bei den | |
Serienschöpfern so war: dass sie das irgendwann nicht mehr überblickt | |
haben. | |
So ein Gefühl wird sich bei „Hausen“ garantiert nicht einstellen. Vielmehr | |
überlegt man nach den ersten beiden Folgen – Sky hat sie im Oktober bereits | |
in rund 100 Kinos vorab gezeigt –, ob sich unter all der Atmosphäre und den | |
Effekten überhaupt schon so etwas wie der Ansatz einer Handlung zu | |
entfalten begonnen hat. | |
Und ob es wirklich so eine gute Idee ist, wenn, um des Gruseleffekts und | |
des Cliffhangers willen, ausgerechnet eine deutsche Serie suggeriert, dass | |
da ein kleines Baby im Verbrennungsofen am Ende eines Müllschluckers | |
gelandet sein könnte. Auf dass die Heizung wieder anspringt. | |
29 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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