# taz.de -- Gesellschaftliche Elite in Deutschland: Oben wird es eintönig | |
> In gesellschaftlichen Eliten fehlen Ostdeutsche und Menschen mit | |
> Migrationshintergrund zumeist. Das fällt sogar dem Rest der Gesellschaft | |
> auf. | |
Bild: Wer schafft es nach oben? Eliten sind in Deutschland vor allem weiße Wes… | |
BERLIN taz | Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund haben | |
mindestens eine Gemeinsamkeit: Sie sind in der deutschen Elite | |
unterrepräsentiert. Das belegt die am Montag veröffentlichte Studie | |
„Soziale Integration ohne Eliten?“ des Deutschen Zentrums für Integrations- | |
und Migrationsforschung (DeZIM), der Hochschule Zittau/Görlitz und der | |
Universität Leipzig. Dieser Umstand habe negative Auswirkungen auf die | |
Integration und die liberale Demokratie, heißt es in der Studie. Die | |
Wissenschaftler:innen fanden zudem heraus, dass selbst die westdeutsche | |
Mehrheitsgesellschaft die fehlende Repräsentation wahrnimmt und damit nicht | |
zufrieden ist. | |
Die deutsche Gesellschaft ist dreißig Jahre nach der Wende und zwanzig | |
Jahre nach Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts so heterogen wie | |
nie zuvor. Laut der besagten Studie ist jede fünfte Person in Deutschland | |
ostdeutsch und jede vierte hat einen Migrationshintergrund. Die | |
Untersuchung von gut 3.000 Elitepositionen ergab jedoch, dass von 10 | |
Chefsesseln lediglich je einer von Menschen aus diesen beiden Gruppen | |
besetzt ist. Der Weg zur Repräsentation bleibt lang. | |
Zur Elite gehören nicht nur DAX-Vorstände und Bundestagsabgeordnete. Neben | |
Politik und [1][Wirtschaft] haben die Forscher:innen des DeZIM-Instituts | |
sowie der Universitäten Leipzig und Zittau-Görlitz zentrale | |
Führungspositionen in den Bereichen Verwaltung, Wissenschaft, | |
Gewerkschaften, Justiz, Militär, Sicherheit, Medien, Kultur, | |
Zivilgesellschaft und Religion untersucht. Abgesehen von der Tendenz | |
„unterrepräsentiert“ unterscheiden sich die Ergebnisse der einzelnen | |
Bereiche enorm. | |
Die Daten zeigen beispielsweise, dass Ostdeutsche in der Politik bereits | |
gut aufgestellt sind, während (Post-)Migrant:innen mit 7,7 Prozent bisher | |
deutlich unterrepräsentiert bleiben. Anders sieht es im Bereich Religion | |
aus. Dort sind Menschen mit Migrationshintergrund fast repräsentativ | |
vertreten, Ostdeutsche mit 5 Prozent hingegen kaum. | |
## Justiz und Militär schneiden besonders schlecht ab | |
Auch in den Medien gibt es zwischen den beiden Gruppen klare Unterschiede. | |
Menschen mit Migrationshintergrund sind mit anteilig 17,7 Prozent zwar noch | |
nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil in den Führungspositionen | |
aufgestellt, Ostdeutsche hängen mit 7 Prozent Beteiligung der | |
Repräsentation jedoch noch weiter zurück. Besonders schlecht schneiden die | |
Bereiche Justiz und Militär ab. Dort liegt der Anteil beider Gruppen an der | |
Elite bei unter 2 Prozent. | |
Seit vielen Jahren wird diskutiert, wie sich der Anteil von [2][Menschen | |
mit Migrationshintergrund und Ostdeutschen] in Führungspositionen erhöhen | |
ließe. Auf der Suche nach Lösungswegen sind der direkte Vergleich von | |
Ostdeutschen und Menschen mit Migrationshintergrund und auch die | |
Aufschlüsselungen der Bereiche der Studie wegweisend. Die | |
Unterschiedlichkeit der Ergebnisse zeigt, dass es Unterschiede in den | |
Aufstiegschancen, Aufstiegshindernissen und Rekrutierungswegen für die | |
verschiedenen Bereiche gibt und somit auch nicht die eine Lösung des | |
Problems. | |
Was auch neu ist: Diese Tatsachen bewegen nicht nur (Post-)Migrant:innen | |
und Ostdeutsche. Eine im Rahmen der Studie durchgeführte | |
Bevölkerungsumfrage ergab, dass ein Großteil der Deutschen die | |
Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund und Ostdeutschen | |
in zentralen Führungspositionen wahrnimmt. | |
Bemerkenswert ist auch, dass drei Viertel der Befragten diese fehlende | |
Repräsentation als problematisch wahrnehmen, weil es so an | |
Interessenvertretung, Erfahrungen, einem kollektiven Beteiligungsgefühl und | |
schlichtweg an Gerechtigkeit fehle. Lediglich jede:r Fünfte:r sieht den | |
fehlenden Aufstieg als individuelles Problem an. Das Bild der | |
Chancengleichheit scheint auch bei der Mehrheitsgesellschaft zu bröckeln – | |
doch wer macht Platz? | |
[3][Gesetzliche Quoten] werden laut der Studienergebnisse lediglich von | |
einem Viertel der Befragten als sinnvoll erachtet. Öffentliche Förderungen | |
und eine Stärkung der Stimme erscheinen dem Großteil der Befragten als | |
sinnvollere Lösungsoptionen. 58 beziehungsweise 68 Prozent der Befragten | |
meinen gar, es brauche für die Repräsentation ostdeutscher beziehungsweise | |
(post-)migrantischer Menschen keinerlei Gegenmaßnahmen. Nun liegt es an der | |
Wissenschaft, auch dieser Annahme Abhilfe zu leisten. | |
26 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Elitenforscher-ueber-Reichtum/!5695972 | |
[2] /Migrationsforscherin-ueber-Ostdeutsche/!5582157 | |
[3] /Ostdeutsche-in-Leitungsfunktionen/!5697959 | |
## AUTOREN | |
Pia Stendera | |
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