# taz.de -- SPD-Chefin zur Rassismus in der Polizei: „Seehofer regelt das nic… | |
> Die Polizei-Rassismus-Studie wird kommen, versichert SPD-Chefin Saskia | |
> Esken. Und formuliert eine Kampfansage an den CSU-Innenminister. | |
Bild: Gegen alle Widerstände: SPD-Chefin Esken will Rassismus in der Polizei u… | |
taz: Frau Esken, wird das Innenministerium eine Studie über Rassismus in | |
der Polizei beauftragen – oder nicht? | |
Saskia Esken: Ja, das wird es tun. Die Studie muss unabhängig und | |
wissenschaftlich erstellt werden. Es geht darum, den Polizeialltag zu | |
untersuchen und zu fragen, ob es Strukturen gibt, die rassistische | |
Einstellungen begünstigen. Wir haben an dieser Einigung mitgewirkt und | |
werden auch an dem Studiendesign mitwirken. | |
Minister Seehofer sagt, dass sich die Studie mit Gewalt gegen Polizei | |
befassen soll. Das Ministerium spricht von einzelnen Beamten, die mitunter | |
„Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen“ haben. Hat das mit | |
der Rassismusstudie, die die SPD forderte, noch etwas zu tun? | |
Das lässt sich verbinden. Im Fokus soll die Frage stehen, ob der | |
Polizeialltag dafür sorgt, dass rassistische Denkmuster verstärkt werden. | |
Dass Herr Seehofer die Einigung über diese Studie, die er nie wollte, jetzt | |
so darstellt, wie er sie gern sehen möchte, ist nicht überraschend. Aber er | |
regelt das nicht alleine. | |
Laut Seehofer stehen mehr als 99 Prozent der PolizistInnen fest zur | |
Verfassung. Können Wissenschaftler bei einer so klaren Vorgabe des | |
Auftraggebers noch neutral forschen? | |
Die große Mehrheit der Polizei steht Rechtsextremismus kritisch gegenüber, | |
davon bin auch ich überzeugt. Das in Prozentzahlen anzugeben, halte ich | |
aber für gewagt. Angesichts der vielen [1][Nachrichten über rechtsextreme | |
Chatgruppen und Netzwerke in der Polizei] können wir nicht mehr von | |
Einzelfällen reden. Es ist eine gute Entwicklung, dass Polizisten und | |
Polizistinnen vermehrt auf solche Chatgruppen hinweisen und Ermittlungen | |
ermöglichen. | |
Seehofer sagt, es gebe weder einen neuen Stand noch eine Rassismusstudie. | |
Das Studiendesign ist also unklar. | |
Olaf Scholz hat gesagt, dass man sich in der Regierung auf eine solche | |
Studie geeinigt hat. Dem ist nichts hinzuzufügen. | |
Aber am Ende entscheidet der Innenminister. | |
Wenn das so wäre, hätte es keiner Absprache im Vorfeld bedurft. | |
Sie haben [2][im Juni gesagt, es gebe „latenten Rassismus“ bei der | |
Polizei]. Sehen Sie das noch immer so? | |
Ja. Ich habe damals aber auch gesagt, dass die große Mehrheit der | |
Polizisten und Polizistinnen solchen Tendenzen kritisch gegenübersteht. Wie | |
groß das Problem ist, ob und wie rassistische Denkmuster im Polizeialltag | |
entstehen oder verstärkt werden, das soll Gegenstand der Studie sein. Erst | |
aus der Erkenntnis heraus können wir geeignete Maßnahmen ergreifen. Es darf | |
keine rassistischen Stereotype im Umgang der Polizei mit Menschen mit | |
Migrationshintergrund geben. | |
Sie glauben, dass die Seehofer-Studie „latenten Rassismus“ erfassen wird? | |
Wir werden über das Studiendesign gemeinsam debattieren und dafür sorgen, | |
dass eine wissenschaftlich unabhängige Studie zu den relevanten Fragen | |
dabei herauskommt. | |
Im Beirat, der die Studie begleiten soll, wird Jörg Radek, der Vizechef der | |
Gewerkschaft der Polizei, sitzen. | |
Die GdP ist da eine wichtige Stimme. Aber der Beirat wird nicht nur aus | |
Herrn Seehofer und Herrn Radek bestehen. | |
Die Regierung hat sich geeinigt: [3][Hier die sogenannte Rassismusstudie – | |
dafür gibt die SPD ihren Widerstand gegen den Einsatz von Staatstrojanern | |
auf]. Verfassungsschutz, BND und MAD sollen die Handys von Verdächtigen | |
ausspähen können. Ist das für die SPD ein gutes Geschäft? | |
Ich war immer der Auffassung, dass der Einsatz von Staatstrojanern ein | |
schwerer Eingriff in Grundrechte ist. Deshalb muss er sehr gut kontrolliert | |
werden. Er ist aber auch eine Gefährdung der allgemeinen IT-Sicherheit. | |
Denn dieser Trojaner kommt durch Sicherheitslücken auf das Handy. | |
Schadsoftware zu entwickeln oder einzukaufen und zu ihrer Einbringung | |
Sicherheitslücken offenzuhalten, halte ich auch weiterhin grundsätzlich für | |
sehr problematisch, weil es die IT-Sicherheit von uns allen infrage stellt. | |
Deshalb habe ich im Bundestag gegen den Staatstrojaner für die Polizei | |
gestimmt und die Klage dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht | |
unterstützt. Solange aber der Einsatz von Staatstrojanern rechtlich für die | |
Polizei erlaubt ist, müssen auch die Geheimdienste diese Möglichkeit haben | |
– parlamentarisch kontrolliert und begrenzt. | |
Geheimdienste spähen zur Gefahrenabwehr Handys aus – wird Ihnen da nicht | |
mulmig? | |
Es geht nicht um flächendeckende Überwachung der Bevölkerung. Und die | |
Dienste dürfen heute schon Telekommunikation überwachen, nur keine | |
verschlüsselte. Das wird nun gezielt zur Gefahrenabwehr geändert. | |
Die SPD hatte dagegen lange Vorbehalte. Justizministerin Barley hat | |
Handyüberwachung von Verdächtigen 2017 noch abgelehnt. Warum sagt die SPD | |
jetzt doch Ja? | |
Auch Katarina Barley hat die Quellen-TKÜ… | |
… die Staatstrojaner… | |
… für die Polizei nicht stoppen können. Ich war damals dagegen, doch die | |
SPD hat, außer bei den Diensten, zugestimmt. Im neuen Koalitionsvertrag ist | |
vereinbart worden, die Gesetze an die Erfordernisse der digitalen Welt | |
anzupassen. Die Ausweitung des Staatstrojaners auf die Dienste ist die | |
Folge davon. Ich war damals schon nicht einverstanden, aber da war ich noch | |
nicht Parteivorsitzende. | |
Also sind Sie da nicht in Haftung zu nehmen? | |
Ich hatte keinen Einfluss auf diesen Teil des Koalitionsvertrags. | |
Der Verfassungsschutz soll auch Einzelpersonen per Staatstrojaner ausspähen | |
dürfen. Ein Argument dafür sind die von Einzeltätern begangenen Morde in | |
Hanau und [4][Halle]. Hilft die Einzelperson-Ausspähung, um solche Morde zu | |
verhindern? | |
Die Radikalisierung dieser beiden Täter war ja öffentlich erkennbar und | |
nicht verdunkelt. Insofern sind ihre Taten kein sehr starkes Argument. Es | |
ist vor allem wichtig, rechtsextreme Netzwerke intensiv zu beobachten. Die | |
rechtsradikalen Chatgruppen von Polizisten nutzen verschlüsselte | |
Kommunikation. Wenn rechte Netzwerke anfangen, Munitionslager und schwarze | |
Listen für den Tag X anzulegen, muss der Verfassungsschutz genau hinschauen | |
und schnell reagieren. Was dafür an rechtlichen Mitteln nötig ist, muss zur | |
Verfügung stehen. | |
Die FDP hält den geplanten Einsatz der Staatstrojaner durch Geheimdienste | |
für einen Ausverkauf von Bürgerrechten. | |
Vertrauliche Informationen auszuspähen und die Integrität der Kommunikation | |
zu verletzen, ist immer ein Eingriff in Bürgerrechte. Der muss, wenn er | |
nötig ist, gut begründet sein. Der Einsatzzweck muss klar sein, auch der | |
Weg, wie die Trojaner auf die Geräte kommen. Wir werden das im | |
parlamentarischen Verfahren hart debattieren. Zudem muss die | |
parlamentarische Kontrolle effektiver werden. Auch das ist im | |
Koalitionsvertrag vereinbart. | |
Die G10-Kommission des Bundestags, die alle Geheimdiensteingriffe in | |
Kommunikation prüft, soll personell verstärkt werden. Ist das mehr als | |
bloße Kosmetik? | |
Das ist keine Kosmetik. Eine ausreichende personelle Ausstattung ist | |
Voraussetzung für effektive Kontrolle und diese ist unbedingt erforderlich. | |
Ob das ausreicht, werden wir debattieren. | |
Vielleicht eine Rassismusstudie – dafür Staatstrojaner für die | |
Geheimdienste. Hat sich die SPD von der Union über den Tisch ziehen lassen? | |
Nein. Auch Zielrichtung und Ausgestaltung der Studie sind Gegenstand der | |
Vereinbarung von Merkel, Seehofer und Scholz. Ich lege großen Wert darauf, | |
dass die Studie rassistische und antisemitische Denkmuster in den Reihen | |
der Polizei beleuchten wird. | |
21 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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