# taz.de -- Dokumentarfilm über das Geld: Ohne Kredite gibt es keine Gewinne | |
> In ihrem Film „Oeconomia“ gibt die Regisseurin Carmen Losmann einen | |
> lustigen Einblick in die Bankenwelt und einen Basiskurs in Geldtheorie. | |
Bild: Herrliche Aussichten für Banker in „Oeconomia“ | |
Geld ist ein Wunder: Jeder benutzt es – aber fast niemand versteht es. | |
Selbst gestandene Banker wissen oft nicht, wie Geld entsteht, wie sich in | |
[1][dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Oeconomia“] bestaunen lässt. Seit | |
Donnerstag läuft er bundesweit in den Kinos. | |
In Minute 40 spielt sich die lustigste Szene ab. Regisseurin Carmen Losmann | |
fragt aus dem Off einen Vermögensverwalter: „Wo kommt das Geld her, damit | |
Unternehmen gesamtwirtschaftliche Gewinne machen können?“ Ihr | |
Gesprächspartner zögert und sagt schließlich hilflos: „Das ist eine gute | |
Frage.“ | |
Auch BMW-Finanzchef Nikolas Peter kann nicht erklären, woher eigentlich das | |
Geld stammt, das seinem Unternehmen Renditen von 7,2 Prozent im Jahr | |
beschert. Peter kann nur wie ein Betriebswirt antworten: Gewinn entsteht, | |
wenn die Umsätze größer als die Kosten sind. | |
## Wie Geld aus dem Nichts entsteht | |
[2][Losmanns Film] ist sehr unterhaltsam, und dennoch absolvieren die | |
Zuschauer einen kleinen Basiskurs in Geldtheorie. Sie sehen zu, wie Geld | |
aus dem Nichts entsteht, wenn eine Bank einen Kredit vergibt und auf ihren | |
Konten verbucht. Dieser Vorgang namens „Bilanzverlängerung“ ist in Worten | |
extrem schwer zu beschreiben – aber bei Losmann wird er sofort plastisch, | |
weil sie die visuellen Möglichkeiten eines Films grandios nutzt. | |
Schritt für Schritt werden die Zuschauer mit den Paradoxien unseres | |
Geldsystems vertraut gemacht. Sie lernen, dass Wachstum nur möglich ist, | |
wenn Kredite vergeben werden – und dass diese Kredite wiederum nur | |
zurückgezahlt werden können, wenn weiteres Wachstum entsteht. Sie lernen, | |
dass es auch Gewinne nur geben kann, wenn neue Kredite aufgenommen werden, | |
und dass das System nicht stabil wäre, wenn sich der Staat nicht | |
verschulden würde. Kurz: Schulden sind der Motor im Kapitalismus. | |
Geldtheorie ist harte Kost, aber Losmann versteht es immer wieder | |
erheiternde Pausen einzubauen, indem sie die Männerwelt in den Banken | |
subtil ironisch einfängt: Wer erfolgreich ist, sitzt im obersten Stock | |
eines Glaspalasts und hat einen weiten Blick über Main oder Rhein. Die | |
weniger bedeutenden Chargen hocken hingegen meist in dunklen Büros, durch | |
deren Fenster nur das nächste Bürogebäude zu sehen ist. | |
## Dilemma erklären | |
Allerdings gibt es auch seltsame Momente in diesem Film. So werden einige | |
Teile der Geldtheorie von einer gottgleichen Männerstimme aus dem Off | |
vorgetragen, ohne dass klar würde, wer zitiert wird und wer der Sprecher | |
ist. Nur so viel ist rein akustisch deutlich: Es ist nicht die Regisseurin. | |
Losmann will keine Lösungen präsentieren, sondern das Dilemma unseres | |
Wirtschaftssystems erklären: Es gibt keinen einfachen Ausstieg aus dem | |
Kapitalismus. [3][In einer endlichen Welt kann man nicht unendlich wachsen | |
– aber sobald wir uns vom Wachstum verabschieden, würde auch der | |
Schuldenberg zusammenkrachen] und die Wirtschaft ins Chaos reißen. | |
Bisher hat kein Film so plastisch erklärt, wie Geld funktioniert. Nur ein | |
kleiner Fehler findet sich: Losmann hält die Geldschöpfung für | |
„kapitalistisch“, also für neu. Doch tatsächlich entsteht das Geld seit d… | |
Antike aus dem Nichts, indem Kredite vergeben wurden. Ein Instrument war | |
etwa der Wechsel, der sich im Mittelalter durchsetzte: Er war Darlehen und | |
Zahlungsmittel zugleich. | |
Aber egal. Losmann ist es gelungen, die Paradoxien von Schulden, Wachstum, | |
Gewinnen und Vermögen amüsant auszuleuchten. | |
18 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://youtu.be/b1uM-MNuCxI | |
[2] http://oeconomia-film.de/ | |
[3] /Klimapolitik-und-Oekonomie/!5640956 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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