| # taz.de -- Anarcho-Blues-Band Sasebo: Japanischer Komödienstadl | |
| > Die Münchner Band Sasebo mischt auf ihrem Album „Sasebo Super Spreader“ | |
| > Blues mit japanischem Folk und bayerischem Grant. Ein leckerer Eintopf. | |
| Bild: Als Kollektiv allzeit handlungsfähig: Sasebo | |
| Am Anfang war die Münchner Band Sasebo nicht mehr als ein Gerücht. | |
| „Bayrisch-japanischer Anarcho-Blues, der Ry Cooder, Tom Waits und Captain | |
| Beefheart verarbeitet“, hatte ein Kollege formuliert. Der kann mir viel | |
| erzählen, dachte ich und brach eher skeptisch zu meinem ersten | |
| Sasebo-Konzert auf. | |
| Zwei Stunden später war ich geheilt. Und auch insofern eines Besseren | |
| belehrt, als da tatsächlich kratzbürstige Spurenelemente eines Don van | |
| Vliet im Spiel gewesen waren. Und der hatte als überirdischer Bandleader | |
| von [1][Captain Beefheart Ende der 1960er] seine Ideen schließlich auch nur | |
| von der Inspiration durch die alten Delta-Blueser bezogen. Am Ende des | |
| überbordenden Auftritts der acht MusikerInnen war ich jedenfalls aus dem | |
| Häuschen – nicht nur wegen der vollen Dosis Anarcho-Blues, sondern auch | |
| dank einer Breitseite Japan in Wort und Bild und einer großen, verrätselten | |
| Bühnenpracht. | |
| Nach zwei EPs beim [2][Münchner] Label Echokammer ist jetzt das Debütalbum | |
| von Sasebo veröffentlicht. „Monkey Business“ hätte er ursprünglich heiß… | |
| sollen, was man dem Cover noch ansieht, aus gegebenem Anlass ist es nun | |
| aber „Sasebo Super Spreader“ betitelt. Auch ohne die optische Komponente | |
| fällt sofort auf, wie simpel die Songs des Oktetts gestrickt sind, aber | |
| auch, wie zuverlässig ihre betörende Kraft aufgebaut wird: Gitarrenriff, | |
| Taktung, Groove – niemand will hier über Gebühr solistisch glänzen. | |
| ## Druckvolle Entfaltung im Gruppensound | |
| Wichtiger ist, als Kollektiv im Gruppensound präsent zu sein, der sich | |
| dadurch umso druckvoller entfaltet. Und dann wird mit Ausfallschritten | |
| Neuland erobert. Untergründiges Brodeln von Ivica Vukelics Rhythmusgitarre, | |
| aus Yutaka Minegishis Leadgitarre züngeln vereinzelte Flammen. David | |
| Bielander flötet lieber eine hübsche Fanfare, als mit einem abgezirkelten | |
| Saxsolo anzugeben. Statt auf Keyboard-Gimmicks setzt Tinka Kuhlmann auf | |
| dezente Akkordeoneinwürfe, während Andreas Kolls Tuba und Dirk Eisels | |
| Schlagzeug verlässlich die Fahrrinne auschecken. | |
| Im Vordergrund agieren mit Toshio Kusaba und Carl Tokujiro Mirwald zwei | |
| irrlichternde Sänger, die auf [3][Japanisch] reden und brabbeln, singen und | |
| johlen. Über Gott und die Welt, also über alles und nichts. Mal beiläufig | |
| über einen verdösten Sofa-Nachmittag (Tinka Kuhlmann in „Gogo“), mal | |
| inbrünstig wie in „Gagac“, das die höfische Musik des japanischen | |
| Kaiserhauses imitiert. | |
| In „Nechan“ gipfeln beliebte japanische Anmachsprüche in einem alten | |
| Geisha-Spiel: Wer beim Fli-Fla-Flu verliert, muss sich ausziehen – was bei | |
| der kleinen Expatgemeinde im Live-Publikum zuverlässig große Heiterkeit | |
| hervorruft, auch weil die Message in der entsprechenden Mimik und Gestik | |
| aufgelöst wird. | |
| ## Theatralik und Kostümierung | |
| Effekte von Theatralik, Kostümierung und genialischem Dilettantismus | |
| mischen sich und passen gut zur rumpligen Sasebo-Musik, die manchmal | |
| tatsächlich in die Vaudeville-Phase eines Tom Waits der 1980er | |
| zurückblendet. Die Band ist aber nicht von ungefähr nach der japanischen | |
| Stadt Sasebo benannt, die 1902 als Stützpunkt der kaiserlichen Marine | |
| gegründet und 1945 von der US-Navy erobert wurde. | |
| Von hier aus sticht die kleine Sasebo-Flotte in See, navigiert mal Blues-, | |
| mal Polka-, mal Walzer-selig durch interkulturelle Rock-Gewässer und legt | |
| an den unmöglichsten Orten Landgänge ein. Die mögen im Studio zwar nicht so | |
| ergebnisoffen geraten sein, wie es Sasebo im Konzert inszenieren können – | |
| aber man denke sich die farbigen Gewänder, das dramatische Gebaren der | |
| Sänger und überhaupt den ganzen japanischen Komödienstadl in drei Teufels | |
| Namen einfach zur Musik dazu! | |
| 5 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Schäfler | |
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