# taz.de -- DJ über seine Corona-Erkrankung: „Für manche noch abstrakt“ | |
> Der Münchner DJ Benji Fröhlich war an Covid-19 erkrankt. Ein Gespräch | |
> über Maskentragen in der Öffentlichkeit und den Stillstand der | |
> Clubkultur. | |
Bild: Gut, dass es ihm wieder besser geht: Benjamin Fröhlich | |
taz: Herr Fröhlich, wie geht es Ihnen? | |
Benji Fröhlich: Danke, so weit fühle ich mich wieder ganz gut. | |
Das Coronavirus erwischte Sie zu einem frühen Zeitpunkt der Pandemie. | |
Damals glaubten viele in Deutschland noch, die Ausbreitung des Virus bliebe | |
auf die chinesische Stadt Wuhan beschränkt. Das Wissen um den Verlauf der | |
Erkrankung kam erst nach und nach. Wann haben Sie sich mit der Krankheit | |
infiziert und wie ist es Ihnen dabei ergangen? | |
Am 8. März besuchte ich die Geburtstagsparty eines Freundes, daraufhin | |
fühlte ich mich drei Tage später krank. Obwohl die Schmerzen heftiger | |
waren, als ich das sonst gewöhnt bin, etwa von grippalen Infekten, habe ich | |
mir damals noch nichts dabei gedacht. | |
Warum war das so? | |
Da das Virus für mich im März noch recht weit weg schien und ich es | |
statistisch für unwahrscheinlich hielt, dass ich mich mit Corona infiziert | |
haben könnte. Ich hatte aber bald sehr starke Rückenschmerzen, was ich | |
zunächst auf das viele Liegen zurückgeführt habe. Als meine Frau für mich | |
ein Schmerzmittel holte und dem Apotheker meine Symptome beschrieb, wurde | |
der zum Glück hellhörig. Er meinte, dass die Schmerzen auch von der Lunge | |
kommen könnten. Dann habe ich von einem Freund erfahren, dass bereits | |
mehrere andere Besucher:Innen der Party positiv getestet wurden. Und so war | |
ich sicher, dass ich auch Covid-19 habe. Zum Glück war ich zu diesem | |
Zeitpunkt bereits auf dem Weg der Besserung. Sonst hätte ich Panik bekommen | |
und wäre vermutlich auch ins Krankenhaus gegangen. Heute würde man die | |
Geburtstagsfeier als Superspreader-Event bezeichnen. Von den anwesenden | |
Gästen hatte sich knapp die Hälfte infiziert. | |
Sie sind 40 Jahre alt. Vielfach wurde geäußert, dass Menschen unter 60 ohne | |
Vorerkrankung sich eher selten anstecken, auch das hat sich geändert. | |
Würden Sie ihren Krankheitsverlauf – der als milde eingestuft werden kann – | |
als harmlos bezeichnen? | |
Nein, definitiv nicht. Ich habe fast sechs Wochen gebraucht, um mich | |
körperlich wieder richtig fit zu fühlen. Lange hatte ich etwa den Geruchs- | |
und Geschmacksinn verloren und mit starker Müdigkeit zu kämpfen. | |
Sie haben mehrmals öffentlich über ihre Covid-19-Erkrankung gesprochen. Wie | |
haben Menschen darauf reagiert? Ignoranz und Unkenntnis sind weit | |
verbreitet. Viele kennen niemand direkt, der oder die sich angesteckt hat. | |
Ich wurde mehrmals darauf angesprochen. München ist als Stadt überschaubar | |
und ich treffe viele Leute auf der Straße. Die waren sichtlich geschockt | |
und haben auch nachgefragt, wie es mir ergangen ist. Für viele Bekannte in | |
der Münchner Dancefloorszene war ich der einzige bekannte Fall, der sich | |
mit Corona infiziert hat. | |
Letztes Wochenende gab es nun eine rechtspopulistische „Querdenker | |
089“-Kundgebung auf der Münchner Theresienwiese. Viele Teilnehmer:innen | |
hatten sich in Trachten kostümiert, so als besuchten sie das Oktoberfest. | |
Es ist wegen Corona abgesagt. Auf der Demo wurde etwa die Aufhebung der | |
Immunität von Gesundheitsminister Jens Spahn gefordert und eine Beobachtung | |
von Ministerpräsident Markus Söder durch den Verfassungsschutz. Erschüttert | |
es Sie eigentlich, wie anschlussfähig die Gesellschaft in München und | |
anderswo beim Thema Corona gegenüber Verschwörungstheorien ist? | |
Ich war zum Glück nicht in München – und habe auch nicht mitbekommen, wer | |
alles dorthin gegangen ist. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, über | |
meine Erfahrungen mit der Krankheit zu sprechen. Ich habe den Eindruck, für | |
manche ist das Virus immer noch sehr abstrakt. Was ich mir wünschen würde, | |
ist, dass alle Menschen das Virus ernst nehmen und sich, so gut es geht, an | |
Abstandsregeln halten und eine Maske dort tragen, wo es nötig ist. | |
Es gibt auch unangenehme Begleiterscheinungen, etwa was die Datensammelwut | |
der Behörden bei Restaurantbesuchen angeht. | |
Ja, die Behörden dürfen die Angaben nicht für andere Zwecke als für den | |
Gesundheitsschutz nutzen, etwa wenn die Polizei Daten von | |
Gaststättenbesuchern abfischt oder – meines Erachtens – unsinnige | |
Alkohlverbote an [1][öffentlichen Plätzen] ausgesprochen werden. Wo sollen | |
denn die Leute hingehen, wenn Restaurants und Clubs geschlossen haben? | |
Sie sind in der Clubszene als DJ unterwegs. Wie ist ihre Einschätzung, | |
sollte man die Clubs derzeit öffnen? | |
Nein, ich denke nicht, dass es unter den gegebenen Umständen möglich ist, | |
Clubs momentan so zu öffnen, wie es vor Corona war. Leider ist das, was man | |
so an den Nächten schätzt, das schwitzige, ausgelassene Miteinander, der | |
ideale Nährboden für das Virus. | |
Sind Open-Air-Veranstaltungen für Sie eine annehmbare Alternative? Gibt es | |
Merkmale des Club-Erlebnisses, die nicht auf Freilichtveranstaltungen zu | |
übersetzen sind? | |
Ich denke, im Sommer sind Open-Air-Veranstaltungen definitiv eine | |
Alternative. Schon vor Corona haben sich Festivals und Open- Air-Partys | |
großer Beliebtheit erfreut, die auch Menschen jenseits der regelmäßigen | |
Clubgänger angesprochen haben. Trotzdem sind es zwei sehr unterschiedliche | |
Dinge. Das Club-Erlebnis ist durch den begrenzten Raum mitunter noch | |
intensiver. Abgesehen davon sind Open-Air-Veranstaltungen in unseren | |
Breitengraden maximal 4 bis 5 Monate im Jahr möglich, der Sommer ist bald | |
um. Für den Rest der Zeit und für die Clubbetreiber:innen muss es | |
Perspektiven geben. | |
Seit SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach öffentlich über | |
Schnelltestverfahren gesprochen hat, wurden Stimmen laut, dass man dies | |
auch auf Clubs anwenden könne. Dafür müsste man etwa zwei Stunden vor | |
Öffnung auftauchen, testen, auf das Ergebnis warten und dann könnte man | |
unbesorgt „clubben“. Man braucht keine tiefere Kenntnis der Gegebenheiten, | |
um sich die Frage zu stellen: Widerspricht das nicht dem anarchischen | |
Moment von Partykultur? Würden Sie das Testprozedere dafür in Kauf nehmen? | |
Das kommt darauf an, wie sich die Pandemie fortentwickelt. Wenn | |
Schnelltests die einzige Möglichkeit sind, „clubben“ noch möglich zu | |
machen, denke ich schon, dass das zumindest mittelfristig eine Lösung sein | |
könnte. Ideal ist es sicher nicht, aber zumindest einen Versuch wert. Vor | |
dem Club testen, ein Bier trinken gehen und hoffen, dass der Test negativ | |
ausfällt und man tanzen darf. Das wäre fürs Erste doch machbar. | |
Als DJ, der oft international gebucht wird – auch ihr Label lebt von einem | |
hervorragenden Renommee in aller Welt –, stellt sich die Frage, ob der | |
kosmopolitische Nonstop-DJ-Booking-Traffic überhaupt noch Sinn macht? | |
Was meine Engagements angeht, ist die Lage betrüblich. Sie wurden zunächst | |
in den Herbst verschoben, aber nun werden nach und nach auch diese Termine | |
abgesagt. Bis auf wenige Länder ist momentan leider Stillstand und ich | |
fürchte, das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. | |
Was bedeutet dieser Stillstand für eine Stadt wie München? Bei Ihnen gibt | |
es eine vergleichsweise [2][kleine Sub- und Untergrund-Kultur]? | |
Noch kann hier niemand genau sagen, welche Auswirkungen die Coronakrise auf | |
die Kulturlandschaft haben wird. Viele hoffen und wünschen sich einen | |
baldigen Restart. Ich denke aber, die Auswirkungen werden weitreichend sein | |
und man wird erst im Nachhinein das komplette Ausmaß erfassen können. Aber | |
so schwierig es im Moment ist, ich glaube dennoch, dass daraus neue Ideen | |
entstehen können. Niemand konnte dieses Szenario so vorhersagen, und wir | |
müssen jetzt versuchen, das Beste daraus zu machen. Unterstützung ist dabei | |
überaus wichtig, um die vorhandenen guten Orte zu erhalten, zu retten und | |
Neuem Raum zu geben. | |
17 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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