# taz.de -- Rückkehr von IS-Frauen nach Deutschland: Mütter, Bräute, Kämpfe… | |
> An Hamburger Gerichten gibt es immer wieder Prozesse gegen Frauen, die | |
> sich freiwillig dem IS in Syrien angeschlossen haben. Wie mit ihnen | |
> umgehen? | |
Bild: Eine IS-Romanze: Omaima A. mit ihrem Mann Denis Cuspert | |
HAMBURG taz | Sie haben mit Kalaschnikows und Handgranaten posiert, in | |
Videos dazu aufgerufen, sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) | |
anzuschließen, manche haben gekämpft. Sie haben ihre Kinder nach den Lehren | |
des IS erzogen und von einer Zukunft im Kalifat geträumt. | |
Aber Krieg ist nicht romantisch. In Interviews berichten deutsche | |
IS-Frauen, die einst freiwillig nach Syrien ausgereist sind, wie sie | |
desillusioniert wurden, von Leichen an Straßenrändern und dem Wunsch, | |
wieder nach Deutschland zurückkehren zu können. Endlich wieder zu Hause | |
sein, in einem Supermarkt einkaufen, in Sicherheit leben. Aber ist es | |
richtig, diesen Frauen eine Rückkehr zu ermöglichen? Und was passiert | |
danach? | |
Der IS gilt seit 2017 als militärisch besiegt, auch wenn es seit Monaten | |
Berichte über ein Wiedererstarken gibt. Kurdische Einheiten haben männliche | |
IS-Kämpfer in Gefängnisse gesteckt, [1][aber mehrere Hundert von ihnen | |
sollen mittlerweile entkommen sein]. Vor allem Frauen und Kinder leben in | |
Zeltstädten in Nordsyrien. Die Zahl der Erwachsenen soll derzeit im unteren | |
dreistelligen Bereich liegen. | |
Das Auswärtige Amt geht außerdem davon aus, dass etwa 150 deutsche Kinder | |
in den Lagern leben. Genaue Zahlen gibt es nicht: „Wir haben weiterhin | |
keine konsularische Präsenz in Syrien und damit auch keinen konsularischen | |
Zugang in Nordost-Syrien“, heißt es aus dem Amt. | |
## Kinder sollen nach Deutschland kommen | |
[2][Klar ist aber, dass es den deutschen Behörden vor allem um die Kinder | |
geh]t: „Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, die Ausreise deutscher | |
Kinder aus Nordost-Syrien zu ermöglichen.“ Dafür sei Deutschland jedoch auf | |
unterschiedliche Akteure angewiesen, etwa auf kurdische Gruppen. „In den | |
Fällen erwachsener mutmaßlicher IS-Anhängerinnen und -Anhänger können sich | |
weitere schwierige Fragen stellen. Hierzu zählen auch | |
Strafverfolgungsansprüche gegen IS-Anhänger, die unter Umständen vor Ort | |
bestehen.“ | |
Die Männer sind für den Kampf an der Waffe ausgereist. [3][Doch sind auch | |
die Frauen eine Gefahr, wenn sie nach Deutschland zurückkehren?] | |
Gesellschaftlich werden diese Frauen häufig nicht als Täterinnen | |
wahrgenommen, sondern als Bräute oder Mütter. Die Vorstellung eines | |
angeblich schwachen Geschlechts hält sich hartnäckig. | |
Das Auswärtige Amt geht hingegen davon aus, dass sich Frauen und Männer, | |
die „sich freiwillig und teilweise unter Überwindung erheblicher | |
Hindernisse in den Herrschaftsbereich des IS begeben haben“, mit den | |
Zielen, der Ideologie und konkreten Gewalttaten des IS identifiziert haben. | |
„Frauen waren ein integraler Bestandteil des Machtapparats des IS, ob in | |
der Erziehung ihrer Kinder, der Unterstützung ihrer Ehemänner, im | |
Spitzelsystem des IS, in der Propagandaarbeit oder auch in offiziellen | |
Funktionen der Sittenpolizei.“ | |
Wollen diese Frauen also nur zurück, weil sich ihr Traum von einem | |
Islamischen Staat zerschlagen hat? Weil sie Verliererinnen sind? Oder haben | |
sie den ideologischen Holzweg erkannt, auf dem sie waren? Bereuen sie? | |
Elina F. und [4][Songül G. sind IS-Anhängerinnen], denen in Deutschland der | |
Prozess gemacht wurde. Beide Fälle wurden vor dem Hanseatischen | |
Oberlandesgericht in Hamburg verhandelt – mit unterschiedlichem Ausgang. | |
Elina F. reiste 2013 nach Syrien, der Liebe wegen, aber sie war auch so | |
überzeugt von der Sache, dass sie Propaganda für den IS machte. Sie landete | |
über Umwege mit ihren Kindern in einem türkischen Gefangenenlager und wurde | |
nach Hamburg abgeschoben. Hier wurde sie wegen der Mitgliedschaft in der | |
Terrororganisation angeklagt – und Anfang September verurteilt. | |
## Hamburgerinnen vor Gericht | |
Vor Gericht erschien F. geschminkt, die blonden Haare unverhüllt. „Ich | |
stelle mich meiner Verantwortung“, [5][sagte sie laut NDR]. „Das Wichtigste | |
in meinem Leben war aber, meine Kinder in Sicherheit zu bringen.“ Das | |
Gericht glaubte ihr ihren Wandel und verhängte nur eine zweijährige | |
Haftstrafe auf Bewährung. | |
Anders war dies im Fall der 41-Jährigen Songül G.. Das Hamburger Gericht | |
glaubte ihr im Dezember vergangenen Jahres nicht, dass sie die radikal | |
islamistische IS-Ideologie abgelegt hatte, und verurteilte sie zu fünf | |
Jahren und neun Monaten Haft. | |
Auch G. hatte versucht, nach Syrien zu gelangen, das aber offenbar nicht | |
geschafft. Stattdessen soll sie, so der Anklagevorwurf, versucht haben, | |
einen IS-Kämpfer aus Syrien nach Hamburg zu holen und zu heiraten, damit er | |
hier einen Anschlag vorbereiten kann. | |
„Sie waren sogar bereit, Ihren fanatischen Glauben über das Wohl Ihrer | |
Kinder zu stellen“, [6][zitiert die Zeit die Richterin]. Im Prinzip geht es | |
also – neben tatsächlichen Straftaten – um diese Frage: Distanzieren sich | |
die Frauen glaubhaft vom IS? Das sollte ein deutsches Gericht in einem | |
rechtsstaatlichen Verfahren aufklären. Es sollte sie zur Rechenschaft | |
ziehen. | |
## U-Boote in Deutschland | |
Ein weiterer guter Grund dafür, dass diese Frauen zurück nach Deutschland | |
kommen, sind ihre Kinder. Diese haben erlebt, dass Bomben vom Himmel | |
fallen, und sie mussten mit ihren Familien fliehen. Manche waren bei | |
Hinrichtungen dabei, manche wurden selbst an der Waffe ausgebildet. | |
Wohl die allermeisten sind traumatisiert. In Deutschland können sie | |
psychologische Unterstützung bekommen – und wenn es für ihr Wohlergehen | |
nötig ist, von ihren Familien getrennt werden. Die Kinder aber einfach | |
grundsätzlich allein, ohne ihre Mütter nach Deutschland zu holen, könnte | |
ihre Traumata noch verstärken. | |
Gefährlicher als die Menschen, die offiziell von deutschen Behörden | |
eingeflogen werden, sind ohnehin diejenigen, die unentdeckt zurückkehren, | |
unbeobachtet, ohne Strafverfolgung. | |
Derzeit läuft ein weiterer Prozess in Hamburg [7][gegen eine IS-Anhängerin: | |
Omaima A.] Sie hat es selbst zurück nach Deutschland geschafft. Zweieinhalb | |
Jahre lang lebte sie mit ihren Kindern bereits wieder in Hamburg, bevor sie | |
aufflog. Nicht etwa deutsche Behörden, sondern eine libanesische | |
TV-Journalistin hatte sie aufgespürt und damit ihr unbehelligtes Leben in | |
Fischbek im Hamburger Süden beendet. | |
Wie viele solcher U-Boote in Deutschland leben, weiß niemand. | |
3 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Tuerkische-Invasion-in-Syrien/!5633151/ | |
[2] /Deutsche-IS-Kaempfer-in-Syrien/!5616165/ | |
[3] /Umgang-mit-IS-Rueckkehrern/!5638352/ | |
[4] /IS-Prozess-in-Hamburg/!5610918/ | |
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/IS-Mitgliedschaft-Zwei-Jahre-auf-Bew… | |
[6] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fhamburg%2F20… | |
[7] /Prozess-gegen-Islamisten-Witwe/!5715511/ | |
## AUTOREN | |
Andrea Maestro | |
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