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# taz.de -- Klimagerechtigkeit und Feminismus: One struggle, one fight!
> Global kämpfen besonders Frauen an vorderster Front gegen die Klimakrise.
> Die Entscheidungen treffen aber andere.
Bild: Indigene Frauen beim Protest gegen die Ölförderung im Yasuní-Nationalp…
Die Klimakrise geht uns alle an. Aber wir tragen nicht alle gleichermaßen
zu ihr bei, wir sind nicht alle gleich von den Auswirkungen betroffen und
wir sind auch nicht alle gleichberechtigt an den Entscheidungen über die
Lösungen beteiligt.
Die Klimakrise ist tief verwurzelt in [1][historisch miteinander verwobenen
Unterdrückungssystemen]: Patriarchat, Rassismus, Kapitalismus und
Kolonialismus. Ohne Rücksicht auf Verluste und die katastrophalen Folgen
für unser Klima beuten wir den Planeten aus.
Dahinter liegen dieselben Machtstrukturen, die zur Ausbeutung der Körper
von Frauen und (un)bezahlter Care-Arbeit führen, zur Ausbeutung von
Menschen und Rohstoffen des globalen Südens und zur Diskriminierung
nicht-weißer Menschen.
Wir werden die Klimakrise nicht aufhalten, wenn wir die tiefliegenden
Ursachen des Problems unangetastet lassen. Wir brauchen Lösungen, die die
Erhitzung des Planeten aufhalten und gleichzeitig unterdrückerische
Machtstrukturen in ihren Grundfesten erschüttern.
## Den Planeten retten, das Patriarchat zerschlagen
Alle drei arbeiten wir seit Jahren zu Feminismus und Klimagerechtigkeit.
Wir wollen den Planeten retten, das Patriarchat zerschlagen und eine Welt
schaffen, in der alle Menschen frei und gleichberechtigt leben. Aber es ist
verdammt schwierig, sich die Alternativen zum Business-as-usual
vorzustellen. Denn diese Unterdrückungssysteme lassen uns nicht viel Zeit
und Raum, außerhalb von ihnen zu denken und zu leben.
Während unserer Arbeit mit anderen Feministinnen und Klimaaktivistinnen auf
der ganzen Welt haben wir viele erstaunliche Frauen kennengelernt, die
dafür kämpfen, dass wir Schritt für Schritt einer feministischen und
klimagerechten Zukunft näher kommen. Drei davon wollen wir hier vorstellen.
Wir beginnen an einem der Orte, an denen auch die Klimakrise beginnt.
Antonella Calle engagiert sich im Yasunidos-Kollektiv in Ecuador – und zwar
dort, wo Extraktivismus Existenzen vernichtet. Sie kämpft für den Schutz
des Yasuní-Nationalparks – und gegen die [2][Förderung von Erdöl in dem
artenreichen Gebiet], das auch das Zuhause indigener Gemeinschaften ist.
Für Antonella geht Extraktivismus, also die massive Ausbeutung natürlicher
Rohstoffe, Hand in Hand mit dem westlichen Patriarchat. Beides kam mit dem
Kolonialismus in die Region. Durch den Bergbau wurden Urwälder zerstört,
Flüsse und Böden verseucht.
Und mit dem Bergbau einher gehen Vergewaltigungen und Mord an der indigenen
Bevölkerung. „Der Kampf gegen die Klimakrise muss immer einhergehen mit
Feminismus“, sagt Antonella in der [3][Youtube-Dokumentarserie] „Makana:
Women in the frontlines fighting the extractive industry and climate
change“.
Sie kämpft nicht nur für den Schutz der Natur, des Lands und des Wassers,
sondern auch für ihre (indigenen) Mitstreiterinnen. Für die
Selbstbestimmung über ihre Körper und ihr Leben. Dagegen, dass man sie
belästigt, verletzt oder sogar tötet. Die Kämpfe seien eins, und um sie zu
führen, brauche es feministische Arbeitsweisen.
Ebenfalls für die Rechte der Frauen ihrer indigenen Gemeinschaft streitet
Hindou Oumarou Ibrahim, die Koordinatorin der „Indigenous Women and
Peoples’ Association of Chad“. Im Tschad sind Frauen wie überall auf der
Welt stärker von der Klimakrise betroffen als Männer; nicht weil sie
„schwächer“ wären, sonders aufgrund ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft
und Familien. Sie haben schlechteren Zugang zu Bildung, Lohnarbeit,
medizinischer Versorgung und gleichberechtigter Teilhabe in Entscheidungen.
Hindou ist eine von wenigen in ihrer Gemeinschaft, die die Chance hatte,
zur Schule zu gehen. Ihre Mutter bestand darauf. Jetzt verhandelt sie auf
den UN-Klimakonferenzen die Bildung einer globalen Plattform, um „die
indigene Bevölkerung darin zu unterstützen, ihre Menschenrechte
einzufordern und für Klimagerechtigkeit zu streiten“, so Hindou.
## Die Klimakrise verschärft Konflikte, oft zulasten von Frauen
Ihre indigene Gemeinde, die Peuls M’Bororo, durchwandert mit ihren Kühen
die Sahelzone. Doch mit der Abnahme von Weideflächen, dem Versiegen der
Wasserstellen und stärker werdenden Hitzewellen wird ihre Lebensweise
bedroht – und damit ihre Existenzgrundlage. Angefangen von den Kühen, die
immer weniger Milch geben, bis zu gewaltsamen Konflikten zwischen den
Nomad*innen und den sesshaften Landwirt*innen.
„Wenn das Essen nicht für alle ausreicht, [4][sind es Frauen, die als
Erstes verzichten], damit die Kinder satt werden“, erzählt Hindou. Mit der
Bewahrung und Vermittlung von indigenem Wissen, welche Pflanzen
beispielsweise gegen Wetterextreme am resistent sind, versucht sie
Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen.
Dies werde am Rande der Sahelzone aber nicht helfen, wenn die Klimakrise
jetzt nicht aufgehalten wird. „Für meine Gemeinschaft bedeuten bereits 1,5
Grad globale Erhitzung eine existenzielle Bedrohung.“
Für Hindou ist die Forderung zentral, dass alle Staaten ihre
Klimaschutzzusagen von Paris einhalten. „Sie müssen so schnell wie möglich
auf,zero emissions' kommen“ – also ganz ohne die Emission von
Treibhausgasen auskommen. Von Argumenten, dies sei schwer oder nicht
möglich, hält sie wenig. „Wissenschaftliche Lösungen sind vorhanden. Nur
der politische Wille, das auch umzusetzen, fehlt.“
## Frauen brauchen Platz an den Verhandlungstischen
Eine Ursache, warum zu wenig geschieht: Die Perspektiven indigener Frauen
werden nicht berücksichtigt und sie dürfen erst recht nicht an den
entscheidenden Verhandlungstischen Platz nehmen. Ndivile Mokoena arbeitet
als Projektkoordinatorin für das internationale Netzwerk „GenderCC – Women
for Climate Justice“ daran, dass sich das ändert.
„Frauen werden nicht involviert“, sagt sie. „Entscheidungen werden für s…
getroffen. Nicht mit ihnen.“ Sie fordert ein, dass Frauen gleichberechtigt
beteiligt sind – auf allen politischen Ebenen. Und dass sie die
Entscheidungsstrukturen selbst verändern müssen.
Ndivile arbeitet in Südafrika. Dort begleitet sie Programme, die Frauen
helfen, ihre Stimmen für Klimagerechtigkeit und Nahrungssicherheit zu
erheben. In vielen Regionen ist die Ernährung der Familien abhängig von der
Subsistenzlandwirtschaft der Frauen. Die extremer werdenden Dürren treffen
sie hart.
Ndivile will mit ihren Projekten Bäuerinnen über die Auswirkungen der
Klimakrise aufklären und ihnen mit Permakultur und nachhaltigen
Anbaumethoden helfen, sich anzupassen. „Die Frauen wissen am besten
Bescheid über ihr Leben“, sagt Ndivile. „Sie kennen ihre Bedürfnisse und
nutzen auch ihr traditionelles Wissen.“
Außerdem unterstützt Ndivile den Aufbau von Gemeinschaftsgärten. „Als wir
mit unserer Arbeit begannen, hatten wir sofort Probleme mit patriarchalen
Verhalten“, berichtet sie. Männer hätten versucht, die Kontrolle über die
Projekte an sich zu reißen, die eigentlich zur Förderung von Frauen gedacht
waren. „Sie meinten, den Frauen beispielsweise sagen zu können, sie seien
nicht fähig zu graben.“
Die Lebensrealitäten von Hindou, Ndivile und Antonella zeigen, dass der
Kampf gegen die Klimakrise eng verwoben ist mit den anderen Kämpfen gegen
Unrecht. Ihre Erfahrungen machen deutlich, wie wichtig gleichberechtigte
Partizipation an den Entscheidungen über die Lösung der Klimakrise ist:
„Nothing about us without us!“ Es ist entscheidend, diejenigen in unseren
Bewegungen zu unterstützen und zu ermutigen, deren Stimmen noch immer
übertönt werden.
Wir brauchen endlich eine [5][kritische Auseinandersetzung mit der
europäischen Kolonialgeschichte], die rassistische, patriarchalische,
kapitalistische Strukturen in die ganze Welt exportiert hat. Wir müssen
diejenigen Konzerne in die Verantwortung nehmen, die Leben und
Lebensgrundlagen von Menschen zerstören: die fossile Industrie und die
Menschen in politischer Verantwortung, die die Interessen dieser Konzerne
über das Leben von Menschen stellen.
Und Hindou, Ndivile und Antonella erinnern uns daran, dass wir es alleine
nicht schaffen können. Wollen wir es mit all diesen mächtigen
Unterdrückungssystemen aufnehmen, brauchen wir Gemeinschaften, in denen wir
Kraft schöpfen und wachsen können, mit denen wir Alternativen erträumen und
ausprobieren können. Also schließt euch Bewegungen an, die global für
Gerechtigkeit und eine Welt ohne Klimakrise kämpfen!
25 Sep 2020
## LINKS
[1] /Forscherin-ueber-Klimakrise-und-Rassismus/!5701838
[2] /Umstrittene-Erdoelfoerderung-in-Ecuador/!5338335
[3] https://www.youtube.com/watch?v=zUuyDz35k-I
[4] /Expertin-ueber-Gender-und-Klimawandel/!5550052
[5] /Debatte-Deutsche-Kolonialgeschichte/!5579997
## AUTOREN
Isadora Cardoso
Lisa Göldner
Kathrin Henneberger
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