# taz.de -- Bürgerenergie ausgebremst: Auf die Dächer, fertig, stopp? | |
> Bürgerenergie ist der Schlüssel für die Energiewende. Aber schon der | |
> bloße Beantragungsaufwand ist fatal. Potenzial wird nicht ausgeschöpft. | |
Bild: Pioniere: Energiegenossenschaft Starkenburg mit einem ihrer Windräder | |
Bürger*innen sind die aktivsten Unterstützer*innen der Energiewende. Lange | |
vor den Stromkonzernen haben sie den Ausbau der Erneuerbaren | |
vorangetrieben. Doch obwohl die Mehrheit der Gesellschaft sich somit | |
deutlich für einen ambitionierten Ausbau von erneuerbaren Energien | |
ausspricht, liegen die Klimaziele der Bundesregierung noch in weiter Ferne. | |
Wer genauer nachfragt, sieht: Es fehlt Schwung hinter der dezentralen | |
Energiewende. Was aber hemmt den weiteren Ausbau der Bürgerenergie? Welche | |
gesetzlichen Hindernisse erschweren die Nutzung, und was muss sich ändern, | |
damit die vorhandenen Flächen genutzt werden können und die Energiewende | |
vorankommt? | |
Mehr als ein Drittel der Eigentümer*innen von erneuerbaren Anlagen in | |
Deutschland sind bereits heute Privatpersonen. Das klingt viel, das | |
Potenzial ist aber längst nicht ausgeschöpft. Wer einmal gesehen hat, wie | |
viele Anträge nötig sind, um ein einziges Windrad in Betrieb zu nehmen, der | |
lässt es ganz schnell wieder bleiben. | |
## Schlüssel für die Transformation | |
Dass der bloße Beantragungsaufwand zum Hindernis wird, ist fatal. Denn | |
[1][ohne den deutlichen Ausbau von erneuerbaren Energien wird Deutschland | |
seine Klimaschutzziele nicht erreichen]. Um die Energiewende nachhaltig | |
voranzubringen, braucht es ein dezentrales, von Bürger*innen getragenes | |
System. Bürgerenergie ist der Schlüssel für die Transformation zu einem | |
umweltbewussten und sozialen System – [2][getragen von Einzelpersonen,] | |
Genossenschaften, Hauseigentümern, kleinen und mittleren Unternehmen oder | |
durch von Kommunen getragenen Stadtwerken. | |
Was es braucht, um die Energiewende durch Bürgerenergie voranzubringen, | |
sind entsprechende Rahmenbedingungen. So kann es nicht sein, dass die | |
eigene Nutzung des selbst produzierten Stroms Umlagen, Abgaben und Gebühren | |
unterliegt. Kleine Bürgerenergieprojekte müssen von verpflichtenden | |
Ausschreibungen freigestellt werden, um unbürokratisch voranzukommen. | |
Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften müssen so anerkannt werden, dass ihnen | |
keine Nachteile entstehen und Energy Sharing gelingt. In den Bürger*innen | |
liegt das größte Potenzial für die dynamische Entwicklung und die Stärkung | |
der erneuerbaren Energien. Ihre aktive Partizipation muss endlich | |
ermöglicht und genutzt werden! | |
## Bürgerenergie Berlin | |
Während viele Dächer von Einfamilienhäusern auf dem Land heute schon | |
Solaranlagen tragen, sieht es auf den Dächern Berlins und anderer | |
Großstädte noch mau aus. Damit sich das ändert, arbeiten Christoph Rinke | |
und seine MitstreiterInnen von der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin an | |
der urbanen Energiewende. Beispielsweise mit solaren Mieterstromanlagen, | |
die sie letztes Jahr auf den Dächern zweier Wohnkomplexe errichtet haben. | |
Deren Bewohner*innen können nun günstigen Sonnenstrom vom eigenen Dach | |
beziehen. „Mit unseren Mieterstromprojekten bringen wir die bürgereigene | |
Energiewende in die Stadt“, sagt Rinke. Die Idee: „Wir produzieren die | |
Energie dort, wo sie gebraucht wird.“ | |
Doch die gesetzlichen Regulierungen machten es unnötig kompliziert, findet | |
Rinke. Die Förderung nach dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz – der sogenannte | |
Mieterstromzuschlag – ist durch die Degression im EEG de facto ausgelaufen. | |
Auch vorgeschriebene Messkonzepte bremsen die Genoss*innen immer wieder | |
aus. „Wirtschaftlich ist Mieterstrom kaum noch umsetzbar. Eine Anhebung der | |
Förderung und eine bilanzielle Verrechnung der Energie vom eigenen Dach | |
wären eine spürbare Verbesserung“, so Rinke. Wenn es nach den Genoss*innen | |
geht, hätten bald alle Berliner Mietshäuser bürgereigene Solarkraftwerke: | |
„Jetzt ist die Politik am Zug!“ | |
## Energiegenossenschaft Starkenburg | |
Die [3][Energiegenossenschaft Starkenburg eG] aus dem südhessischen | |
Heppenheim hat in ihrer Region bereits sieben Windkraftprojekte mit hoher | |
Beteiligung von Bürger*innen aufgebaut. Genossenschaftsvorstand Micha Jost | |
sagt: „Unser Motto ist: Wer auf ein Windrad schaut, der soll auch den | |
Nutzen haben. Deshalb legen wir größten Wert darauf, dass Bürgerinnen und | |
Bürger im Projektumfeld an den Windparks finanziell über | |
Genossenschaftsanteile beteiligt sind.“ So könne man den selbst erzeugten | |
Strom auch über den Stromtarif der Dachgenossenschaft Bürgerwerke an | |
Bürger*innen verkaufen. Das helfe ungemein, die Akzeptanz vor Ort zu | |
steigern: „Die Menschen identifizieren sich mit ‚ihrem‘ Windrad. Damit | |
schließt sich der Kreislauf. Saubererer Strom, sauber vermarktet und das | |
alles auch noch in Bürgerhand.“ | |
1 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Berlins-Klimaschutzziele/!5711858&s=klimaziele/ | |
[2] /Verbandschef-ueber-Genossenschaften/!5636255&s=b%C3%BCrgerenergie/ | |
[3] https://www.energiestark.de/ | |
## AUTOREN | |
Marco Gütle | |
Friederike Treuer | |
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