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# taz.de -- Japans neuer Premier „Onkel Reiwa“: Suga wird Nachfolger Abes
> Japan könnte sich unter dem Nachfolger von Dauerpremier Shinzo Abe nach
> innen wenden und an internationalem Profil verlieren.
Bild: Yoshihide Suga nach Bekanntgabe seiner Wahl zum neuen Chef der Regierungs…
TOKIO taz | Nach dem unerwarteten [1][Rücktritt von Japans Premierminister
Shinzo Abe] Ende August wegen einer schweren Erkrankung hat seine
Liberaldemokratische Partei (LDP) am Montag mit deutlicher Mehrheit seinen
engsten Mitstreiter Yoshihide Suga zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Am Mittwoch folgt im Parlament Sugas Wahl zum neuen Ministerpräsident.
Wegen der Mehrheit der LDP im maßgebenden Unterhaus ist ihm die Wahl zum
Regierungschef der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt sicher.
Mit diesem Wechsel hatte zunächst fast niemand gerechnet. Denn Suga ist
schon 71 Jahre alt. Auch fehlen ihm Ausstrahlung und internationale
Erfahrung. Eigentlich galt der Ex-Verteidigungsminister Shigeru Ishiba als
Favorit für die Nachfolge des rechtskonservativen Abe, der Japan fast acht
Jahre regierte.
Doch die konservative LDP-Führung hat einen Sieg des eher zur Mitte
orientierten Abe-Rivalen Ishiba defacto verhindert, da nur die Abgeordneten
und einige regionale Vertreter abstimmen durften.
## Experte: Innenpolitik dürfte Sugas Schwerpunkt werden
Als Kabinettschef und damit faktische Nummer zwei hielt Suga seinem Chef
Abe stets den Rücken frei, auch bei innenpolitischen Skandalen. Das Duo
teilte sich die Arbeit auf: Der Nationalist Abe verfolgte seine Vision vom
„wunderschönen Nippon“, während Suga sich um die Wirtschaft kümmerte.
Daher erwartet der Politologe Sebastian Maslow von der Frauenuniversität
Sendai nun eine Verschiebung des Schwerpunkts. „Als Realist wird Suga sein
Kapital eher für die Innenpolitik verwenden“, meint Maslow.
Zwar gehört der künftige Premier wie Abe und viele Minister der rechten
Gruppe Nippon Kaigi für ein starkes Japan an. Aber Suga bevorzugt nach
eigenen Worten Vorhaben, die den Bürgern direkt nützen.
Der von Abe verfolgte Rechtskurs könnte sich also abmildern. Aber Japan
droht auch an globaler Bedeutung zu verlieren. Durch seine intensive
Reisediplomatie hat Abe von Indien bis Australien das Bewusstsein für die
Gefahren einer regionalen Dominanz Chinas geschürt.
[2][Er erhöhte die Verteidigungsausgaben], erweiterte den
Bewegungsspielraum der Streitkräfte und setzte umstrittene
Sicherheitsgesetze durch. Auch versuchte er, einen Schlussstrich unter die
Kriegsvergangenheit zu ziehen, was letztlich die Beziehungen zu Südkorea
zerrüttete.
„Doch Abe hat Japan wieder ein Gesicht gegeben und das Profil seines Landes
unerwartet stark gesteigert“, meint Frank Rövekamp, Direktor des
Ludwigshafener Ostasieninstituts. Selbst der Spagat zwischen einem leicht
entspannten Verhältnis zu China und einem guten Einvernehmen mit
US-Präsident Donald Trump sei ihm gelungen.
## Im Vergleich zu Abe ist Suga farblos
Das selbstbewusste Auftreten auf der Weltbühne verschaffte Abe den Respekt
vieler Japaner, obwohl sie seine revisionistischen Töne nicht mochten. Den
eher farblos wirkenden Suga können sich viele nur schwer bei einem
G7-Treffen vorstellen.
[3][Suga fiel den Bürger erst im Vorjahr auf, als er mit seinem typisch
ernsten Gesicht den offiziellen Namen „Reiwa“ (schöne Harmonie) für die
Amtszeit des neuen Kaisers Naruhito enthüllte.] Seitdem heißt er im
Volksmund „Onkel Reiwa“. Doch man sollte ihn nicht unterschätzten, meint
der Japan-Experte Tobias Harris.
Der Selfmade-Man hat sich mit eisernem Willen nach oben gearbeitet. Statt
die Erdbeerfarm seiner Eltern in der schneereichen Nordprovinz Akita zu
übernehmen, verdiente er sich das Geld für sein Jurastudium mit Jobs in
einer Kartonfabrik und auf dem Fischmarkt in Tokio. Im Wahlkampf für einen
Sitz im Stadtparlament von Yokohama klapperte er 30.000 Haushalte ab und
verbrauchte dabei angeblich sechs Paar Schuhe.
## Oppositionsführer wirkt agiler
Seit 1996 sitzt er im Nationalparlament. In der ersten Abe-Amtszeit
(2006/07) war Suga Minister für Internes und Kommunikation. Danach blieb er
Abe treu und verhalf ihm 2012 zurück an die Parteispitze.
Als nur von der Partei gekürter Nachfolger will sich Suga offenbar durch
vorzeitige Neuwahlen noch in diesem Herbst ein eigenes Mandat von den
Bürgern holen. Dabei dürfte die LDP jedoch einige Stimmen verlieren: Denn
die zwei größten Oppositionsparteien haben sich soeben zusammengeschlossen.
Yukio Edano, der die Verfassungsdemokratische Partei führt, wirkt
wesentlich agiler und volksnäher als Suga.
Der 56-jährige Edano war während der Fukushima-Atomkatastrophe 2011
Kabinettssekretär des damaligen Premiers Naoto Kan und erlangte als
Regierungssprecher durch [4][seine täglichen Pressebriefings] im Blaumann
auch international große Bekanntheit.
14 Sep 2020
## LINKS
[1] /Ruecktritt-von-Japans-Premier-Shinzo-Abe/!5710517
[2] /Kommentar-Japans-Verteidigungsetat/!5556900
[3] /Neuer-Kaiser-in-Japan/!5582178
[4] /Gesichter-der-japanischen-Katastrophe-II/!5124768
## AUTOREN
Martin Fritz
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