# taz.de -- Partei wählt neuen Chef: Kampf um Japans Regierung | |
> Die ewige Regierungspartei LDP stimmt über den Vorsitz ab – und damit | |
> über den neuen Premierminister. Erstmals könnte es eine Frau werden. | |
Bild: Die japanischen Präsidentschaftskandidatinnen Sanae Takaichi (links) und… | |
Tokio taz Wer wird der 100. Premierminister von Japan? Die Antwort geben | |
die Liberaldemokraten (LDP), wenn sie am Mittwoch ihren neuen Vorsitzenden | |
küren. Den Sieger oder die Siegerin wählt das Parlament nämlich zum | |
Nachfolger von Regierungschef [1][Yoshihide Suga], der nicht erneut als | |
Parteichef kandidiert. Damit reagierte der 72-Jährige auf die große | |
Unzufriedenheit mit seinem Pandemiemanagement. Tausende Coronakranke | |
erhielten kein Klinikbett, während Suga allein auf Impfungen setzte. | |
Wegen seines Rückzugs kommt es zu einem selten spannenden Abstimmungskrimi | |
in der LDP, die Japan seit 1955 fast ununterbrochen regiert. Zwei Männer | |
und zwei Frauen haben ihre Hüte in den Ring geworfen, drei davon werden | |
Siegchancen nachgesagt. In der Folge ergibt sich zum ersten Mal eine | |
realistische Möglichkeit, dass eine Frau Nippon regiert. | |
Ebenfalls ungewöhnlich: Normalerweise einigen sich die sieben internen | |
LDP-Gruppen, Faktionen genannt, auf die Unterstützung eines Kandidaten und | |
stimmen geschlossen ab. Diesmal gelangen den Faktionen solche Absprachen | |
nicht. | |
Spätestens im November findet nämlich eine reguläre Parlamentswahl statt. | |
Daher achten vor allem jüngere Abgeordnete darauf, ob der künftige Premier | |
diese Wahl so klar gewinnen kann, dass sie ihr Mandat behalten werden. | |
## Entscheidung wird im zweiten Wahlgang fallen | |
Umfragen zufolge liegt der 58-jährige Taro Kono sowohl bei den Wählern als | |
auch in seiner Partei vorn. Der Minister für Verwaltungsreform und der | |
Verantwortliche für die Corona-Impfkampagne passt in kein Klischee. | |
Einerseits gehört der „Impfzar“ dem Parlamentsadel an. Vater Yohei Kono | |
war selbst LDP-Chef und verantwortete 1993 als Kabinettssprecher die | |
einzige offizielle Entschuldigung Japans für den Zweiten Weltkrieg. | |
Andererseits hielt sich Kono nie an die Regeln von Politdynastien. | |
Sein Studium an der Edel-Universität Keio brach er ab und blieb lieber | |
lange in den USA. Frühzeitig setzte er auf soziale Medien. Auf Twitter | |
folgen ihm 2,4 Millionen Menschen, mehr als jedem anderen Politiker in | |
Japan. Dort belehrt er ausländische Journalisten, dass er Kono Taro heiße, | |
gemäß der neuen offiziellen Reihenfolge aus Nach- und Vorname. In seiner | |
Partei vertritt er eher liberale Ansichten. Er gibt [2][erneuerbaren | |
Energien] den Vorzug vor einer Wiederbelebung der Atomkraft und will den | |
Einheitsnamen von Eheleuten abschaffen. | |
Als Kandidat des Establishments tritt Fumio Kishida an. Der 64-jährige | |
Ex-Außenminister möchte die gewachsene Kluft zwischen Arm und Reich | |
verkleinern und ein Konjunkturpaket gegen die Pandemiefolgen schnüren. | |
Unerwartet macht ihm jedoch [3][Sanae Takaichi] Konkurrenz, eine | |
Taiwan-Freundin und ein Mini-AKW-Fan. Die Ex-Innenministerin vom | |
nationalkonservativen Flügel erhält massive Unterstützung durch Ex-Premier | |
[4][Shinzo Abe], der alle Abgeordneten einzeln angerufen haben soll. Damit | |
stellte die 60-Jährige ihre Rivalin Seiko Noda, auch eine | |
Ex-Innenministerin, in den Schatten. Die 61-jährige LDP-Generalsekretärin | |
engagiert sich besonders für die Rechte von Frauen. | |
Laut Beobachtern wird im ersten Wahlgang, wenn LDP-Abgeordnete und | |
regionale Parteivertreter gleichgewichtet abstimmen, kein Bewerber die | |
notwendige absolute Mehrheit erreichen. Kono dürfte zunächst vorne liegen, | |
aber bei der Stichwahl könnte er gegen Kishida oder Takaichi unterliegen. | |
Denn wegen seiner singulären Positionen hat er unter den Abgeordneten viele | |
Gegner. Genau die entscheiden aber im zweiten Wahlgang fast im Alleingang | |
über den Parteichef, da dann nur wenige Regionalvertreter stimmberechtigt | |
bleiben. | |
28 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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