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# taz.de -- Umbruch in Großbritannien: London will BBC auf rechts wenden
> Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt BBC ist der britischen
> Regierung zu links. Nun sollen zwei Ultrakonservative auf wichtige
> Posten.
Bild: Bald BBC-Chairman? Ex Telegraph-Chef und Gebührenverweigerer Charles Moo…
In Deutschland heißt es gerne, die Renter*innen seien die beste
Lebensversicherung des [1][öffentlich-rechtlichen Rundfunks]. Deren
Lebenserwartung steigt, es werden immer mehr und sie gucken alle gern
traditionelles TV-Programm. Das trifft auch für Großbritannien zu. Doch
dort könnten der öffentlich-rechtlichen BBC bald zwei Rentner extrem
gefährlich werden.
Denn die britische Regierung setzt auf zwei pensionierte ultrakonservative
Journalisten, um [2][die ihnen zu kritische und unberechenbare BBC] künftig
sanft umzulenken. Paul Dacre, von 1992 bis 2018 rekordverdächtige 26 Jahre
lang Chefredakteur der rechtskonservativen Daily Mail, und Charles Moore,
von 1992 bis 2003 Chefredakteur des rechtskonservativen Daily Telegraph,
könnten demnächst an wichtigen Schalthebeln in Sachen BBC sitzen.
Dacre, der die Daily Mail auf populistisch-fremdenfeindlichen Boulevard
ausrichtete, wird als nächster Chef der mächtigen britischen Medienaufsicht
Ofcom gehandelt. Die Ofcom reguliert zentral den gesamten Medien- und
Telekommunikationsbereich auf der Insel. Anders als in Deutschland, wo die
Landesmedienanstalten nur für die Aufsicht über den privaten Rundfunk
zuständig sind, reguliert die Ofcom auch weite Teile der BBC.
Was Dacre politisch von der BBC hält, fasst er gerne in dem Satz zusammen,
der Laden verströme eine Art [3][„kulturellen Marxismus“] und versuche, die
eigentlich konservative gesellschaftliche Stimmung zu unterminieren, in dem
er „all deren Werte auf den Kopf stelle“.
## Schwierige Ansichten
Wie gut, könnte man meinen, dass es neben dem Intendanten bei der BBC noch
einen Chairman gibt, der dem BBC Board vorsteht. Dieses „Board“ ist kein
Rundfunkrat im deutschen Sinne, sondern eher ein zehnköpfiger Aufsichtsrat,
in dem sowohl Senderbosse als auch unabhängige Persönlichkeiten sitzen.
Von diesem „Chair“ könnte nun landläufig eine robuste Verteidigung der
BBC-Positionen erwartet werden und dass er oder sie mit Leuten wie Dacre in
den Clinch geht. Doch der Favorit von Premierminister Boris Johnson für den
Posten des nächsten BBC-Chairman ist niemand anderes als Charles Moore.
„Wenn ich mich bei der BBC um einen Job bewerben würde, wüssten sie, dass
ich gegen Abtreibung, die gleichgeschlechtliche Ehe, für die Fuchsjagd und
skeptisch in Sachen Klimawandel bin“, hat Moore vor ein paar Jahren im
Telegraph geschrieben. „Und sie würden sagen: So jemand können wir nicht
nehmen.“ Auch wenn sich an seinen Ansichten nichts geändert haben dürfte,
hat er nun beste Aussichten, den momentanen Chairman David Clementi zu
beerben.
Clementis Amtszeit endet im Februar 2021. Selbst dass Moore schon mal wegen
Nichtbezahlens der Rundfunkgebühren rechtskräftig verurteilt wurde, scheint
dem keinen Abbruch zu tun. Mal im Ernst: EinE Beitragsverweiger*in als
Gremienchef*in wäre hierzulande – noch? – ein Ding der Unmöglichkeit.
[4][Aber Johnsons Regierung will ohnehin eine Abkehr von der
gesamtgesellschaftlichen Finanzierung der BBC]. Sein für Medien und damit
auch die BBC zuständiger Kulturminister Oliver Dowden macht keinen Hehl
daraus, dass für ihn auch ein Abomodell wie bei Netflix infrage kommt.
## Cummings Handschrift
Die Doppelpersonalie Dacre/Moore kommt dabei vermutlich direkt aus dem
Skizzenbuch von Johnsons Oberberater Dominic Cummings. Der will die BBC
radikal schleifen und kommt dabei immer weiter voran. Dass der erst seit
wenigen Wochen amtierende neue Director General Tim Davie als erste
Amtshandlung seinen Mitarbeiter*innen verbot, auf Social Media ihre Sicht
der Dinge kund zu tun, passt ins Bild.
Auch an Cummings zweiter Baustelle geht es zügig voran. Er will möglichst
bald in Großbritannien einen rechtskonservativen Nachrichtensender als
Alternative zur BBC. Vorbild ist natürlich [5][Fox News aus den USA]. Für
den Konzern des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch bastelt denn auch
der frühere Fox-News-Chef David Rhodes an einem britischen Klon.
Daneben ist das Konsortium All Perspectives am Start. Es plant einen
Nachrichtenkanal namens GB News und hat dafür schon eine Lizenz von der
Ofcom. Nach britischen Presseberichten hat GB News eine Sicht von der BBC,
die sogar Dacre und Moore harmlos aussehen lässt. Da heißt es: Die BBC sei
„eine Schande“ und „muss aufgelöst werden“.
29 Sep 2020
## LINKS
[1] /!t5015122/
[2] /Boris-Johnson-vs-BBC/!5712042
[3] https://www.theguardian.com/commentisfree/2007/jan/24/comment.comment
[4] /Boris-Johnson-vs-BBC/!5712042/
[5] /Fox-News-expandiert/!5702397
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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