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# taz.de -- Südtirol klagt gegen Umweltschützer: Pestizidrebellen vor Gericht
> Eine Region in Norditalien zieht wegen „übler Nachrede“ gegen
> konventionellen Apfelanbau vor Gericht. Kritiker sollen offenbar mundtot
> gemacht werden.
Bild: Im Apfelgeschäft ist Südtirol ein gewichtiger Player
Rom taz | Üble Nachrede lautet der Vorwurf, mit dem am 15. September in
Bozen der [1][Prozess gegen den Pestizidkritiker] Karl Bär eröffnet werden
soll. Bär, Agrarreferent beim Umweltinstitut München, hat laut
Staatsanwaltschaft Südtiroler Apfelbauern verunglimpft, als er in einer
[2][Kampagne den hohen Einsatz von Chemie] auf den Südtiroler
Apfelplantagen anprangerte. Den [3][Tourismus]–Slogan „Südtirol sucht
dich“ hatten die Kampagnenmacher dabei in „Südtirol sucht sich“
entfremdet.
Bei diesem einen Prozess soll es nicht bleiben. Arnold Schuler, Landesrat
für Landwirtschaft in der Südtiroler Regierung, klagte im Jahr 2017 nicht
nur gegen Bär, sondern auch gegen sechs gegenwärtige und ehemalige
Vorstandmitglieder des Umweltinstituts München, weil es die Kampagne
„Pestizidtirol“ organisiert hatte.
Und auch den Buchautor Alexander Schiebel sowie seinen Verleger Jacob
Radloff würde Schuler gern auf der Anklagebank sehen. Der Vorwurf: Die
selbsternannten „Pestizidrebellen“ hätten den Südtiroler Bauern und der
Provinz schweren Schaden zugefügt.
Im Apfelgeschäft ist Südtirol ein gewichtiger Player: 7.000 Erzeuger gibt
es, 10 Prozent der in der EU verzehrten Äpfel kommen aus der Region. Das
soll auch so bleiben. Auch deshalb landet wieder einmal ein Konflikt um die
Landwirtschaft vor Gericht in Bozen.
## „Wunder von Mals“
Denn in der Alpenregion hatte sich von 2014 an das „Malser Wunder“
ereignet: Die 5.000-Einwohner-Gemeinde Mals im Vinschgau hatte damals mit
einem kommunalen Volksentscheid den Einsatz von Pestiziden auf ihrem
Territorium praktisch unmöglich gemacht.
Es war ein erstes Fanal gegen die Apfel-Monokultur, die mittlerweile die
Täler Südtirols prägt und die mit kräftigem Einsatz von Pestiziden gegen
Pilze und Insekten einhergeht. Die Südtiroler Landesregierung reagierte
jedoch umgehend und schränkte die kommunalen Kompetenzen im Umweltschutz
drastisch ein.
Umgehend reagierten 130 Landwirte mit einer Klage gegen den Volksentscheid.
Vor dem Verwaltungsgericht in Bozen bekamen sie recht, da die Gemeinde für
ein Pestizidverbot „nicht zuständig“ sei. Die Gemeinde Mals allerdings
legte vor dem Staatsrat in Rom Berufung ein, über die noch nicht
entschieden ist.
## Bürgermeister vor Gericht gezerrt
Zugleich zerrte die Staatsanwaltschaft Bozen Bürgermeister Ulrich Veith vor
Gericht, weil der mit dem Referendum 25.000 Euro öffentliche Gelder
veruntreut habe. Der Rechnungshof Bozen allerdings wies diese Klage ab und
sprach Veith frei.
Nun soll offenbar mit den neuen Klagen die Kritik an „Pestizidtirol“
mundtot gemacht werden. Selbst über den Begriff „Monokultur“ regt Landesrat
Schuler sich in seiner Klageschrift auf. Hier betont er, hoher
Pestizideinsatz sei nun einmal ein Spezifikum des Apfel- ebenso wie des
Weinanbaus. Den Autor des Buchs „Das Wunder von Mals“ hat Schuler auf dem
Kieker, weil dieser von den Gefahren der Pestizide, ja von „Tötung durch
vorsätzliches Ignorieren von Gefahren“ spricht.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wollen da weder Schuler noch die
Bozener Staatsanwälte gelten lassen. Anders sah das der Leitende
Oberstaatsanwalt in München: Er schmetterte ein Rechtshilfeersuchen der
Bozener Kollegen gegen das Umweltinstitut ab.
Gefährlich können die Verfahren den beklagten Umweltaktivist*innen vor
allem deshalb werden, weil ihnen im Fall einer Verurteilung neben einer
Geldstrafe die Übernahme der Verfahrenskosten droht. Bis zu 1.600 Landwirte
haben sich den verschiedenen Klagen Schulers als Nebenkläger angeschlossen.
Sie könnten anschließend in Zivilverfahren Zahlungen in Millionenhöhe von
Karl Bär oder Alexander Schiebel einfordern – und sie so ökonomisch
ruinieren.
Dennoch lässt sich die Gemeinde Mals vorerst nicht beirren: Der Kampf für
pestizidfreie Landwirtschaft soll fortgesetzt werden.
8 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/pestizidrebellen-vor-gerich…
[2] /Gemeinde-muss-Pestizide-zulassen/!5632670
[3] /Marketingexperte-ueber-Tourismus-in-Suedtirol/!5672249
## AUTOREN
Michael Braun
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Landwirtschaft
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Schwerpunkt Glyphosat
Greenpeace-Studie
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