# taz.de -- Apfelanbau in Südtirol: Pestizide bis hoch auf den Bergen | |
> Im italienischen Vinschgau wird viel Ackergift gespritzt, das auch die | |
> Natur trifft. Von dort stammen 10 Prozent der in Europa gegessenen Äpfel. | |
Bild: Apfelanbaugebiet Vinschgau in Südtirol | |
ROM taz | Unberührt wirkt die Natur, hoch oben auf den Bergen des Vinschgau | |
in Südtirol. Die saubere Luft, der weite Blick über die sattgrünen | |
Almwiesen und die mit Nadelholz bewachsenen Hänge: Hier ist die Welt noch | |
in Ordnung. | |
Ist sie das? Zweifel daran nährt jetzt [1][eine Studie der | |
Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) | |
und der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) zur Pestizidbelastung in | |
der scheinbaren Idylle]. Selbst in Gipfeln und Höhenlagen von 2.300 Metern | |
konnten die Forscher*innen noch Pestizide in Pflanzen und im Boden | |
nachweisen, obwohl dort oben keines der Schädlingsbekämpfungsmittel | |
ausgebracht wird. | |
Versprüht wird die Chemie dagegen reichlich unten in den Tälern. Dort | |
nämlich findet sich das größte zusammenhängende Apfelanbaugebiet Europas; | |
stolze [2][10 Prozent aller in Europa verzehrten Äpfel stammen aus dem | |
Vinschgau]. Damit sind sie ein echter Wirtschaftsfaktor, der pro Jahr mit | |
rund 700 Millionen Euro Umsatz zu Buche schlägt. | |
Diesem Erfolg wird mit synthetischen Pestiziden kräftig nachgeholfen. Seit | |
Jahren hält Südtirol innerhalb Italiens einen der Spitzenplätze beim | |
Einsatz der Chemie inne: Pro Hektar werden jährlich an die 45 Kilogramm | |
gespritzt, um Pilze, Bakterien und Unkraut zu bekämpfen. | |
## Anhaltende Kritik am Pestizideinsatz | |
Seit Jahren stößt der Chemieeinsatz auf Kritik. So sorgte im Jahr 2017 das | |
Umweltinstitut München mit Großplakaten, die der Südtiroler | |
Tourismuswerbung nachempfunden waren, für Aufmerksamkeit. Unter dem Motto | |
„Südtirol sucht saubere Luft“ wurde der dortige Pestizideinsatz | |
angeprangert. Auf dem Bild war ein Traktor zu sehen, der auf der Fahrt | |
durch eine Apfelplantage nach Kräften die Pflanzen einnebelte. | |
Die Südtiroler Landesregierung und die Apfelgenossenschaften [3][reichten | |
Klage gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München], gegen sechs | |
Vorstandsmitglieder des Instituts sowie gegen einen Buchautor ein. Der | |
Vorwurf: Verleumdung. Und sie fuhren 1.376 Landwirt*innen als | |
Nebenkläger*innen auf. | |
Bei einer Verurteilung hätten Bär und den anderen nicht nur bis zu drei | |
Jahre Haft, sondern auch Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe gedroht. | |
Der Prozess endete jedoch mit Freisprüchen für alle Angeklagten. Karl Bär | |
sitzt mittlerweile für die Grünen im Bundestag. | |
## Methoxyfenozid in fast der Hälfte der Proben | |
Mit der Studie aus Kaiserslautern und Wien ist die Diskussion wieder | |
eröffnet. Sie widerlegt etwa die Behauptung, die versprühten Chemikalien | |
würden weitgehend in den Plantagen bleiben und nicht in die Umgebung | |
diffundieren. Das Forschungsteam entnahm zahlreiche Bodenproben vom | |
Talboden auf 500 Höhenmetern bis hinauf zu den Gipfeln. | |
In fast der Hälfte aller Boden- und Pflanzenproben konnten sie das | |
Insektizid Methoxyfenozid nachweisen, das in Deutschland seit 2016 aufgrund | |
der Umweltschädlichkeit nicht mehr zugelassen ist. „Die Konzentrationen, | |
die wir fanden, waren zwar nicht hoch, aber es ist erwiesen, dass Pestizide | |
das Bodenleben schon bei sehr geringen Konzentrationen beeinträchtigen“, | |
erklärt Bodenexperte Johann Zaller von der BOKU. | |
Die Autor*innen der Studie ziehen mehrere Schlüsse aus ihren | |
Ergebnissen. Die Ausbringungsmethoden für die Pestizide müssten sich | |
verbessern. Es müssten jedoch auch neue Wege der ökologischen | |
Bewirtschaftung gesucht werden. Und: Südtirol müsse sich endlich | |
herbeilassen, die tatsächliche Pestizidbelastung flächendeckend zu messen. | |
13 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nature.com/articles/s43247-024-01220-1 | |
[2] /Pestizide-im-Obstanbau/!5907953 | |
[3] /Nach-Sieg-gegen-Land-Suedtirol/!5850682 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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