Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Beschwerdestelle in Hamburg: An der kurzen Leine
> Hamburgs Polizei hat eine neue Beschwerdestelle für polizeiliches
> Fehlverhalten eingerichtet. Diese ist extern gelegen. Aber nicht
> unabhängig.
Bild: Beschwerde ohne Beschwerdestelle: Demo gegen rassistische Polizeigewalt a…
„Niemand hat ein größeres Interesse als die Polizei selbst, Fehlverhalten
in den eigenen Reihen festzustellen“, sagt Herr Grote. Eine unabhängige
Beschwerdestelle braucht es deshalb nicht aus Sicht des Hamburger
Innensenators.
Logisch: Wenn es tatsächlich niemand Interessierteren gibt im ganzen großen
Lande, dann sollte man diesem Interessiertesten die Sache doch überlassen,
oder nicht? „Niemandem liegt mehr an meiner Familie als mir“, sagt der
Familienvater. Deshalb lässt man auch ihn am besten selbst regeln, was für
Probleme auch immer es gibt mit den frechen Gören und dem liederlichen
Weib. Diese Einstellung ist übrigens immer noch aktuell: „Die Eltern wissen
immer noch am besten, was für ihre Kinder gut ist.“ Die Kinder – das sind
wir. Die Polizei – das ist Vater Staat.
Im Innenverhältnis sind natürlich auch Polizist*innen ähnlichen Strukturen
unterworfen. Aber wo es aktuell ein paar öffentlich gewordene Missstände in
den Reihen der Familie gibt, wo ihr Ruf bedroht ist, da entschließt sich
der Vater zu handeln, denn niemand hat, ganz sicher, ein größeres Interesse
daran als: der Vater.
Eine externe und zentral gelegene Niederlassung der Beschwerdestelle, die
eine geschützte Kontaktaufnahme ermöglicht, soll jetzt also in der
Hamburger Innenstadt eingerichtet werden. Auch bisher gab es schon eine
Beschwerdestelle, aber die Adresse lautete: Bruno-Georges-Platz 1, Hamburgs
Polizeipräsidium.
Schriftlich oder telefonisch konnte man sich da beschweren. „Als
Verfasserin/Verfasser erhalten Sie von der Polizei gerne eine Antwort auf
Ihren Dank, Ihre Anregung oder Ihre Beschwerde“, heißt es auf der
Internetseite polizei.hamburg. Weiter hat man immer noch die Möglichkeit,
Polizist*innen direkt anzuzeigen – bei der Polizei. Oder eine
Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen – bei der Polizei. Nun, in Zukunft
aber kann man von der „geschützten Kontaktaufnahme“ Gebrauch machen.
Ich spaziere also zukünftig in diese Beschwerdestelle hinein, Maske auf,
Sonnenbrille, und bringe meine Beschwerde vor – bei der Polizei. Aber einer
anderen. Nicht der am Bruno-Georges-Platz, sondern der in der Innenstadt.
Und damit die Unabhängigkeit und Anonymität gewahrt ist, ist diese andere,
vom Bruno-Georges-Platz 1 unabhängige Polizei, direkt beim Unabhängigsten
und – nach Senator Grote – am zweitmeisten an der Feststellung
polizeilichen Fehlverhaltens Interessierten „angebunden“ – Hamburgs
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Wie die dann in dieser Beschwerdestelle
arbeitenden Polizist*innen beim Polizeipräsidenten „angebunden“ sein
werden, was dieses „Angebundensein“ eigentlich bedeutet, das weiß ich
nicht. Es ist ja auch noch nicht so weit.
Es gibt auf die Pressemeldungen dazu jedenfalls schon jetzt einen ganzen
Haufen Empörter. Die einen beschweren sich darüber, dass diese neue
Beschwerdestelle gar nicht unabhängig sei, weil sie ja eine
Beschwerdestelle der Polizei sei. Haben sie denn nicht verstanden, dass es
sich um eine ganz andere, eine unabhängige Polizei handelt, die nur beim
Polizeipräsidenten angebunden ist? (Mittlerweile scheint mir eine kleine
Schnur oder eine Hundeleine im Spiel zu sein.)
Und die anderen, die mir etwa in der Zeitung Die Welt fast die Mehrzahl zu
sein scheinen, beschweren sich darüber, dass es überhaupt eine
Beschwerdestelle geben soll, denn eine Beschwerdestelle stelle eine
Beleidigung von Polizist*innen dar, die über jeden Zweifel erhaben seien,
und wenn doch mal nicht, dennoch in sämtlichen Handlungen im Recht, weil
sie ja „nur noch angespuckt“ würden.
Als meine kleine Schwester mich dazumal angespuckt hat, habe ich sie auch
blutig geschlagen, mein Vater hatte vollstes Verständnis. „Dir fehlt
Respekt“, hat er meiner kleinen Schwester gesagt und sie im Kartoffelkeller
eingesperrt, damit sie eine Lehre draus zieht. Als sie sich dann bei ihm
beschwert hat, hat er sie gleich noch mal eingesperrt und sie sich selbst
angezündet, aber das ist eine andere Geschichte und hat damit nichts zu
tun.
28 Sep 2020
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
Fremd und befremdlich
Polizeigewalt
Polizei Hamburg
Beschwerdestelle
Hamburg
Andy Grote
IG
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Polizeigewalt
Polizei Hamburg
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Polizist klagt wegen Beleidigung: Du Schülerlotse!
In Hamburg muss ein Ladenbesitzer vor Gericht. Er hat einen Polizisten bei
einem Einsatz in seinem Laden als „Schülerlotse“ bezeichnet.
Neue Hinweisstelle für Rassismus: Ein Ohr für die Opfer
Die Hinweisstelle Memo erfasst rassistische Gewalt in Hamburg. Anders als
die Beschwerdestelle der Polizei ist sie nicht staatlich eingebunden.
Der Ethikrat: Status-Scham
Darf man sich wegen der Rumpeligkeit der Wohnung schämen, wenn einen
erfolgreichere Menschen besuchen? Der Ethikrat findet schon die Frage
abwegig.
Prozess in Hamburg nach Polizeigewalt: Klageerfolg zu erwarten
In der Berufung sieht auch das Oberlandesgericht Johannes M. als Opfer von
Polizeigewalt. Der hatte die Stadt nach einem Polizeieinsatz verklagt.
Polizeieinsatz in Hamburg: Im Würgegriff der Staatsgewalt
Was darf die Polizei? Videos über eine gewaltsame Auseinandersetzung
zwischen acht Polizisten und einem Jugendlichen führen zu aufgeregter
Debatte.
Racial Profiling bei den Behörden: „Das Selbstbild der Polizei hat Risse“
Bei den Sicherheitsbeamten regiert oft ein Dominanzgefühl, sagt der
Soziologe Rafael Behr. Er spricht sich für unabhängige Beschwerdestellen
aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.