| # taz.de -- Prozess in Hamburg nach Polizeigewalt: Klageerfolg zu erwarten | |
| > In der Berufung sieht auch das Oberlandesgericht Johannes M. als Opfer | |
| > von Polizeigewalt. Der hatte die Stadt nach einem Polizeieinsatz | |
| > verklagt. | |
| Bild: Hat gute Chancen auf ein bisschen Wiedergutmachung: Johannes M | |
| Hamburg taz | Als die Richterin noch einmal die Details darüber durchgeht, | |
| was am 13. September 2009 auf dem Schanzenfest geschehen ist, kämpft | |
| Johannes M. mit den Tränen. „Der Stress ist zu groß“, sagt sein Anwalt | |
| Dieter Magsam im Saal des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG). | |
| Kommende Woche ist es elf Jahre her, [1][dass sich M.s Leben durch einen | |
| Schlag auf seinen Kopf vollends änderte]. Doch noch immer wurde nicht | |
| abschließend juristisch geurteilt, dass er ein Opfer von Polizeigewalt ist. | |
| In dem am Mittwoch begonnenen Berufungsverfahren ließ das Gericht | |
| allerdings deutlich durchblicken, dass es seiner Klage folgen wird. | |
| M. hatte [2][im September 2009] mit Freund*innen auf dem Schanzenfest vor | |
| der Roten Flora gefeiert. In der Nacht begann die Polizei, die nicht | |
| angemeldete Veranstaltung zu räumen. Es kam zu Auseinandersetzungen. M. | |
| lief davor weg, in die Eiffestraße hinein, und blieb stehen. Dann, daran | |
| erinnere er sich noch, kam eine „schwarze Wand“ auf ihn zu – dunkle | |
| Uniformen, die ihn an „Darth Vader“ erinnerten. | |
| Er bekam einen Schlag auf den Kopf. Wer ihn ausführte, daran kann sich M. | |
| nicht mehr erinnern. Er erlitt schwere Kopfverletzungen, von denen er sich | |
| nie erholt hat. M. musste seine Ausbildung abbrechen und ist auf eine | |
| kleine Rente angewiesen. | |
| ## Schwere Verletzung durch Tonfa-Schlagstock | |
| [3][Bereits im März hatte das Landgericht geurteilt], dass ihm die Stadt | |
| Hamburg Schadensersatz zahlen muss. Sie, konkret die Hamburger Polizei, | |
| leitete damals den Einsatz und setzte dabei auch die Beweis- und | |
| Festnahmeeinheit „Blumfeld“ ein. Eine Person dieser Einheit zertrümmerte | |
| mit einem Tonfa-Schlagstock M.s. Kopf, befand das Landgericht damals. | |
| Doch die Stadt ging in Berufung. Und das, so das OLG, sei auch gut | |
| nachvollziehbar. Das Landgericht hatte darauf verzichtet, die | |
| Polizist*innen der Einheit zu vernehmen. Verstehen konnte das auch das OLG | |
| nicht. Selbst wenn das Landgericht die Aussagen für unglaubwürdig gehalten | |
| hätte, hätte es diese Ansicht, auch aufgrund der Abwägung mit den anderen | |
| Beweismitteln, danach immer noch würdigen können. Das OLG sieht darin einen | |
| klaren Verfahrensfehler. | |
| Hätte die Stadt Hamburg in der aktuellen Verhandlung auf die Vernehmung der | |
| Polizist*innen bestanden, wäre das Verfahren sofort erneut ans Landgericht | |
| überwiesen worden. Da es jedoch sehr wahrscheinlich gewesen wäre, dass das | |
| Verfahren wieder mit einer Berufung vor dem OLG gelandet wäre, verzichtete | |
| die Stadt auf die Befragung der Polizist*innen. Es lagen ohnehin Protokolle | |
| von ihnen vor. | |
| Alle Polizist*innen hatten ausgesagt, entweder keinen Tonfa an diesem Abend | |
| bei sich gehabt zu haben oder aber ihn nicht benutzt zu haben. Auch will | |
| niemand Kolleg*innen dabei beobachtet haben. | |
| Das Gericht ließ kaum Zweifel daran, dass es von diesen Aussagen genauso | |
| wenig halte wie die Kolleg*innen am Landgericht. Wer sonst hätte diese | |
| Verletzung verursachen können? Laut einem Gutachten eines Sachverständigen | |
| sei es zudem kaum denkbar, dass ein anderer Gegenstand diese Art der | |
| Verletzung hervor gerufen habe. | |
| M.s Anwalt Dieter Magsam zeigte sich nach der Verhandlung zufrieden. M. | |
| dagegen konnte sich kaum freuen. „Derzeit will ich nur noch, dass die | |
| Geschichte ein Ende hat.“ | |
| Am 9. Oktober will das Gericht sein Urteil verkünden. Über die Höhe der | |
| Entschädigung würde danach verhandelt. | |
| 10 Sep 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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