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# taz.de -- Polizeieinsatz gegen Demonstranten: Pfefferspray und Schläge
> Eine Gruppe kurdischer Demonstranten fuhr ohne Ticket, eine
> Zugbegleiterin stoppte den Metronom. Am Bahnhof Bardowick kam es zum
> Polizeieinsatz.
Bild: Stehen vor Zügen nicht immer nur rum, wie bei dieser Übung in Uelzen: B…
Göttingen taz | Nach einer Fahrkartenkontrolle in einem Regionalzug ist es
am vergangenen Donnerstag in der Ortschaft Bardowick im Kreis Lüneburg zu
Auseinandersetzungen zwischen meist kurdischen Aktivisten und der Polizei
gekommen.
Die überwiegend jungen Leute befanden sich auf einem von ihnen als „langer
Marsch“ bezeichneten Demonstrationsmarathon für die Freilassung des seit
1999 in der Türkei inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan. Sie waren am
Vormittag von einem Camp in Lüneburg aufgebrochen und wollten zu weiteren
Kundgebungen fahren.
Für viele Medien war die Sachlage in Bardowick schnell klar und die
Schuldigen schnell ermittelt: „80 jugendliche PKK-Anhänger attackieren
Zugpersonal und Polizisten“, [1][schrieb beispielsweise die Rheinische
Post.]
Die meisten Berichte stützten sich dabei auf die Darstellungen der
Bundespolizei und der Polizeiinspektion Lüneburg. Danach hätten die mehr
als 80 „Reisenden“, die am Vormittag in Lüneburg in einen Metronom-Zug
gestiegen waren, bei der Kontrolle in der Bahn keine Fahrscheine vorzeigen
können. „Weiterhin begannen die Reisenden die Zugbegleiterin anzufeinden
und es kam zu Pöbeleien gegenüber der Mitarbeiterin der Metronom“, heißt es
in der Mitteilung der Bundespolizei.
Auf dem Bahnhofsgelände seien „große Teile der Personen“ weiter
unkooperativ gewesen und hätten Polizeibeamte durch Treten und Schlagen
angegriffen. Einige Beamte sollen leichte Verletzungen erlitten haben. Die
Polizei sei deshalb gezwungen gewesen, „unmittelbaren Zwang sowie in einem
Fall auch Pfefferspray einzusetzen“.
Gegen alle auf dem Bahnhof eingekesselten Personen seien Strafverfahren
wegen „Erschleichen (sic!) von Leistungen“ eingeleitet worden, zudem
mehrere Verfahren wegen Körperverletzung und Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte. Die Überprüfung der Personalien habe zudem ergeben,
„dass sich etwa ein Dutzend der Reisenden unerlaubt in Deutschland aufhält
(Verstoß gegen das Ausländergesetz), darunter auch drei Jugendliche“. An
dem Einsatz waren demnach mehr als 200 Bundespolizisten sowie auch Beamte
der Landespolizei beteiligt.
Unstrittig ist, dass die meisten Demonstranten für den betreffenden Zug
keine Fahrkarten hatten. Nach Angaben der Organisatoren des „langen
Marsches“, einem Bündnis kurdischer Organisationen, waren die Teilnehmer
davon ausgegangen, dass sie diese nicht benötigten. In den Tagen zuvor
hätten sie nach Absprache mit der Polizei die längeren Marsch-Etappen auch
ohne Ticket mit dem Zug absolvieren können.
„Die Zugfahrten wurden bisher eng mit der Polizei koordiniert, so auch die
Abfahrtszeiten und Sitzplatzreservierungen“, sagt auch Thorben Peters,
stellvertretender Landeschef der Linken und selber in Bardowick vor Ort.
„Die Polizei fuhr bisher immer mit, um den sicheren Transport zu
gewährleisten. Bisher konnten die Demoteilnehmer in Begleitung der Polizei
kostenlos fahren.“
Peters zufolge gab es bereits in den ersten Minuten nach Zugabfahrt in
Lüneburg eine Kontrolle. Die Gruppe habe angeboten, die Tickets
nachzukaufen, die Zugbegleiterin habe dennoch den Zug stoppen lassen. Eine
Metronom-Sprecherin sagte dazu, die Teilnehmer hätten erklärt, dass ihre
Fahrt von der Bundespolizei genehmigt sei. „Doch das ist gar nicht möglich,
weil die Polizei dazu nicht das Recht hat.“
Nach dem Halt des Zuges in Bardowick seien sie von der Polizei „auf engstem
Raum eingekesselt“ worden, schreiben kurdische Gruppen in einer
„Gegendarstellung“. Auf Diskussionsangebote der Jugendlichen hätten Beamte
mit rassistischen Aussagen wie „Wir sind hier nicht in Absurdistan“
reagiert. Spontan gekaufte Fahrkarten seien von den Beamten nicht
akzeptiert worden. Stattdessen sei nach kurzer Zeit „hörbar das
polizeiliche Kommando 'Helme aufsetzen und draufhauen!’“ erfolgt.
Polizisten seien in die Gruppe gestürmt und hätten willkürlich auf sie
eingeprügelt.
Mehrere junge Leute seien aus der Menge gezerrt worden – darunter auch eine
schwerbehinderte Frau und eine sie umarmende Freundin. Ihr werde nun wegen
der Umarmung Gefangenenbefreiung und Widerstand zur Last gelegt. Auch eine
65-Jährige sei zu Boden gerissen, eine weitere mehrfach in die Hüfte
getreten worden.
## Bisher keine Anzeigen gegen Polizisten
Linken-Politiker Peters bestätigt diese Angaben im Wesentlichen. Die
Polizei habe die wartenden Demonstranten vom Bahnsteig gedrängt und
eingekesselt. „Dabei rissen sie auch einige Teilnehmende aus dem Kessel,
drückten diese brutal zu Boden, teilweise mit Knie im Nacken.“ Mehrere
Menschen seien verletzt worden – „ausschließlich aus Reihen der
Demonstrierenden, darunter eine Person mit Behinderung“.
Nach Informationen der taz hat noch kein Demonstrant Anzeige gegen
Polizisten erstattet. Von den Kurden veröffentlichte Videos können die
Situation allerdings nicht vollends aufklären.
Meyer zufolge gab es keinen ersichtlichen Anlass für die Gewalt seitens der
Polizei. Lediglich eine Demonstrantin habe „in ihrem emotionalen
Ausnahmezustand“ jemanden getreten. Ansonsten hätten sich alle Teilnehmer
friedlich verhalten.
Dass das zumindest anfangs der Fall war, legt ein [2][Bericht der
Landeszeitung Lüneburg ] nahe. „Jedes eintreffende Polizeifahrzeug wird
klatschend begrüßt, es erklingen kurdische Gesänge und Parolen“, ist da zu
lesen. „Es hat fast schon Happening-Charakter unter Aufsicht der Polizei,
die die festgesetzten Männer und Frauen zudem mit Mineralwasser versorgt.“
16 Sep 2020
## LINKS
[1] https://rp-online.de/panorama/deutschland/bardowick-80-jugendliche-pkk-anha…
[2] https://www.landeszeitung.de/lokales/108016-grosseinsatz-am-bahnhof-in-bard…
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Polizeigewalt
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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