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# taz.de -- Polizist klagt wegen Beleidigung: Du Schülerlotse!
> In Hamburg muss ein Ladenbesitzer vor Gericht. Er hat einen Polizisten
> bei einem Einsatz in seinem Laden als „Schülerlotse“ bezeichnet.
Bild: In München findet man das Schülerlotsen-Dasein nicht ehrrührig: Bayeri…
Hamburg taz | Der Hamburger Polizeibeamte G. fühlt sich beleidigt: durch
den auf ihn und seine Kolleg:innen angewendeten Begriff des
„Schülerlotsen“. Am Dienstag dieser Woche wollte die Staatsanwaltschaft
eigentlich die Anklage verlesen. Doch weil der Richter am Ende keinen
passenden Schlüssel hatte, musste der Prozessbeginn vertagt werden.
Der eigentliche Vorfall ereignete sich im Frühjahr dieses Jahres.
Betreiber:innen des Anarchisten-Ladens in der Balduinstraße auf St.
Pauli hatten Crêpes durch die Eingangstür nach draußen verkauft, um darüber
einen Teil der Kosten für ihren Laden einzuspielen. Die Polizei, die im
dortigen Teil St. Paulis regelmäßig zwecks Vergrämung der
Drogenkleindealer-Szene patrouilliert, bekam das mit – und dazu auch den
Eindruck, dass das gegen die gültige Verordnung zur Eindämmung der Pandemie
verstoßen könnte.
Schon bald waren 20 Beamt:innen vor Ort, kamen jedoch nicht in den Laden
rein. Die Anarchisten machten einfach nicht auf. So erzählt es der
Angeklagte [1][Alexander Dumbsky] der taz.
Dumbsky ist Ladenmitbetreiber, Musikverleger, lokale Berühmtheit und
Ex-Drummer der Punk-Band [2][Die Goldenen Zitronen]. Er kam zum Geschehen
hinzu und befand angesichts der vielen Polizist:innen, dass der Einsatz
nicht mehr mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen
und deswegen unrechtmäßig sei.
Dies überzeugte den Polizeibeamten G. nicht. Im Gegenteil: Dieser soll
gesagt haben, so erzählt Dumbsky weiter: Das, was Recht sei oder nicht,
bestimme letztlich die Polizei. „Das macht selbst Libertäre für einen
kurzen Moment sprachlos“, erinnert sich Dumbsky. Dann sei er in lautes
Lachen ausgebrochen.
Anschließend sei dann auch die vermeintliche Beleidigung „Schülerlotse“
gefallen – eine wertvolle Tätigkeit mit eingeschränkten Kompetenzen zur
Verkehrslenkung. Für G., der für sich und seine Kollegen kurz zuvor
reklamiert haben soll, sogar Recht setzen zu dürfen, eine wohl nicht mehr
hinnehmbare gedankliche Degradierung.
G. zeigte Dumbsky dafür an. Das Gericht setzte dann im August dieses Jahres
den Prozesstermin fest. Dabei vertat sich Richter Palke aber in der Auswahl
des Saals: Aufgrund verschärfter Coronabestimmungen hätten dort nur maximal
acht Zuschauer:innen die Chance zur Teilnahme am Verfahren gehabt.
Nachdem alle am Prozess Beteiligten geneigt waren, eine größere
Öffentlichkeit zuzulassen, bemühte sich Richter Palke am morgen des
Prozesses spontan um einen größeren Raum und bekam durch die Wachmeisterei
schlussendlich den Saal 237 zugewiesen. Dieser ist ein Hochsicherheitssaal
mit allem Knick und Knack: schussfestem Glas, hinter dem die Angeklagten
meist aus organisierter Kriminalität oder islamistischen Terrorzirkeln
sitzen, einem Fangnetz an der Decke und einer Stahltür, durch die aber nur
kommt, wer den passenden Schlüssel hat. Daran ist Richter Plake dann – zur
eigenen Überraschung – mit seinem Transponderschlüssel gescheitert.
Rund 25 Menschen mussten also unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der
Prozessbeginn wurde nun auf den 23. November verschoben. Stattfinden wird
er im Strafjustizgebäude des Gerichts am Sievekingplatz 3. Welcher größere
Saal diesmal getestet wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
28 Oct 2021
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ale_Dumbsky
[2] /Goldene-Zitronen-im-Konzert/!5588658
## AUTOREN
Aram Ockert
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