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# taz.de -- Immunitätspass für Corona: Der Ethikrat ist dagegen
> Immunitätstests auf Corona sind unpräzise, sagt das Expertengremium. Ob
> ein Pass ethisch und rechtlich zulässig sei, darüber streitet sich der
> Rat.
Bild: Immuntests sind unpräzise, sagt der Ethikrat
Als der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor einigen Monaten die
Idee ins Spiel brachte, man könne Menschen nach durchgemachter
Covid-Erkrankung doch offiziell bescheinigen, analog zum Impfausweis quasi,
[1][dass sie nun gegen das Coronavirus immun] und folglich weder eine
Ansteckungsgefahr für andere noch sich selbst darstellten, da schlugen die
Wellen der öffentlichen Empörung hoch.
Diskriminierend, unethisch, gefährlich und ungerecht sei es, wenn einige
wenige plötzlich privilegiert würden und [2][inmitten der Pandemie
Freiheiten genössen], die anderen verwehrt blieben; eine falsche
Sorglosigkeit werde suggeriert, womöglich würden Menschen dem Fehlanreiz
erliegen und sich absichtlich infizieren – so lauteten die Vorwürfe.
Spahn wandte sich daraufhin an den Ethikrat: Ein Gremium aus 24 Expertinnen
und Experten aus den Bereichen Recht, Medizin, Philosophie, Biologie,
Theologie und der Pflege, das Regierung und Parlament in ethischen
Kontroversen berät. Am Dienstag nun präsentierte der Ethikrat eine 55
Seiten starke Stellungnahme – um in der Quintessenz mitzuteilen, dass sich
die Frage nach der Einführung von Immunitätsbescheinigungen – jedenfalls
zum jetzigen Zeitpunkt – verbiete.
Denn erstens, so das einstimmige Votum des Rats, gebe es bislang [3][kein
gesichertes medizinisches Wissen darüber], ob, wie lange und in welchem
Ausmaß Menschen nach durchgemachter Erkrankung tatsächlich vor einer
neuerlichen Infektion geschützt seien und ob sie das Virus weitergeben
könnten. Zweitens böten die derzeit frei verkäuflichen Tests zum Nachweis
einer Immunität eine bloß „zweifelhafte Verlässlichkeit“.
## Das Risiko sozialer Ausgrenzung
Sie müssten strenger reguliert werden, forderte der Ethikrat. Die
Bevölkerung sei über die zweifelhafte Qualität der verfügbaren Tests besser
aufzuklären, aber auch über den großen Nutzen eines „gemeinwohlorientierten
Infektionsschutzes“. Die Eigenschaften des Coronavirus wiederum müssten, so
der Ethikrat, „zielgerichtet und koordiniert“ erforscht werden.
Was aber, wenn diese praktischen Hürden, die Immunitätspässe derzeit noch
als untauglich erscheinen lassen, eines Tages genommen sind? Wer sich
hierzu Orientierung beziehungsweise eine eindeutige Positionierung der
Ethik-Experten erhofft hatte, wurde enttäuscht: In der Frage, ob die viel
diskutierten Bescheinigungen dann weiterhin gesellschaftlicher Fluch oder
doch eher ein Segen wären, sind die Mitglieder des Ethikrats genauso
gespalten wie der Rest der Bevölkerung.
Die eine Hälfte der Ratsmitglieder lehnt aus ethischen und rechtlichen
Gründen staatlich kontrollierte Immunitätsbescheinigungen auch für den Fall
kategorisch ab, dass sich Immunität in der Zukunft verlässlich nachweisen
lässt; die andere Hälfte könnte sich ihre Einführung dagegen durchaus
vorstellen, „stufenweise, anlassbezogen und bereichsspezifisch“, wie es
hieß.
So komme der „Rückerlangung individueller Freiheitsrechte eine besondere
Bedeutung“ zu, schreiben die Befürworter, „insbesondere, wenn sie auch
einen dem Gemeinwohl dienenden Beitrag leisten können“. Gemeint ist etwa,
dass Personen, die immun sind, erleichterten Zugang zu Pflegeeinrichtungen,
Krankenhäusern, Kindergärten oder Schulen haben könnten, weil sie für
dortige Risikogruppen keine Gefahr darstellen.
Risiken wie soziale Ausgrenzung oder ein Anreiz zur Selbstinfektion, die
die Pass-Gegner beklagen, werden auch von den Pass-Befürwortern erkannt.
Doch diesen Risiken könne vorgebeugt werden – etwa „durch eine sorgfältige
und kontextbezogene Prüfung der Auswahl rückgewährter Freiheitsrechte“.
Möglich sei beispielsweise, „mit der Ausstellung einer
Immunitätsbescheinigung bestimmte Pflichten zu verbinden“.
22 Sep 2020
## LINKS
[1] /Regierung-plant-Immunitaetsnachweis/!5679535
[2] /Die-steile-These/!5681487
[3] /Antikoerper-Studie-des-RKI-zu-Corona/!5707380
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
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