# taz.de -- Neue linke Zeitung „Domani“ in Italien: Hoffnung auf Morgen | |
> Mitten in der Coronakrise ist in Italien eine neue, linke Tageszeitung | |
> erschienen: „Domani“. Sie ist linker als „Repubblica“ und weniger | |
> krawallig. | |
Bild: Erfüllt sich mit „Domani“ einen Lebenstraum: Carlo De Benedetti | |
ROM taz | Das muss man wohl verwegen nennen. Am 15. September ging in | |
Italien mit Domani („Morgen“ – im Sinne des morgigen Tags) mitten in der | |
Covidkrise eine neue Tageszeitung an den Markt, mit einer Redaktion, die | |
eher links als rechts steht, mit dem jungen Chefredakteur Stefano Feltri, | |
der vom Fünf-Sterne-nahen Anti-Establishment-Blatt Il Fatto quotidiano | |
kommt – und mit dem 85-jährigen Carlo De Benedetti als Finanzier, der sich | |
seinen Alterstraum 10 Millionen Euro kosten lässt. | |
20 Seiten schlank, aufgeräumt, mit Präferenz für die lange Form und den | |
Hintergrund auf Kosten aktueller Stücke und Meldungen: So präsentiert sich | |
die neue Gazette. Wo sie ihren Platz sieht, erklärt Feltri im Editorial – | |
in der Zukunft. „Gemeinsam mit den Lesern“, so der Chefredakteur, habe | |
Domani „den Anspruch, ein anderes Schicksal gegenüber dem zu schaffen, das | |
von den Entscheidungen und Fehlern der Vergangenheit hervorgebracht wurde“. | |
Das heißt, ein klares Nein zu „25 Jahren populistischer Politik“, ein Ja | |
dagegen zur liberalen Demokratie und zum freien Markt, bei hoher | |
Aufmerksamkeit „für die Ungleichheiten, das wahre Hindernis für eine | |
effiziente und zudem gerechte Ökonomie“, führt Feltri aus. | |
Und man meint, man höre den Finanzier De Benedetti sprechen. Der | |
Multimillionär, der sein Geld auf den verschiedensten Geschäftsfeldern von | |
der Mobiltelefonie zur Teilezulieferung im Automobilbau, von Pflege- zu | |
Energiekonzernen verdient hatte, war über Jahrzehnte hinweg als Eigner der | |
Repubblica-Gruppe auch einer der wichtigsten Zeitungsverleger. Das | |
Flaggschiff La Repubblica durfte für sich beanspruchen, größte Tageszeitung | |
und Leitmedium im linksliberalen, gegen Silvio Berlusconi stehenden | |
politischen Spektrum zu sein. | |
## Die Stunde der Rache | |
Doch dann übergab er die unternehmerische Führung der Medienbeteiligungen | |
seinen Söhnen, und die fusionierten mit der Turiner La Stampa, die dem | |
Agnelli-Clan (Fiat) unter John Elkann gehört. Als dann im April 2020 die | |
De-Benedetti-Nachkommen ihre Anteile komplett an Elkann abtraten, als der | |
bei Repubblica sofort einen neuen, alles andere als linken Chefredakteur | |
einsetzte, war für De Benedetti die Stunde der Rache gekommen und das | |
Projekt Domani geboren. | |
Das sieht man der Zeitung an. Sie will die linke, kritische Leserschaft | |
ansprechen, die sich in der neuen, zur Mitte gewendeten Repubblica nicht | |
wiederfindet, mit der klaren Ansage „unparteiische Zeitungen gibt es | |
nicht“. Unabhängig sei das Blatt aber sehr wohl. Der Finanzier habe zwar | |
die 10 Millionen Euro eingeschossen, die aber sollen in eine Stiftung | |
gehen, „die Ressourcen und Autonomie garantiert“. Wenigstens die erste | |
Nummer liefert kluge Analysen, etwa zum Niedergang der Linken in der einst | |
roten Toskana, die am nächsten Sonntag ihr neues Regionalparlament wählt. | |
Linker als die Repubblica, ruhiger im Ton und weniger auf Krawall gebürstet | |
als Il Fatto quotidiano: Mit diesem Rezept sucht Domani genügend Leser zu | |
gewinnen. Ob diese Rechnung bei stetig sinkenden Auflagenzahlen der | |
Tageszeitungen aufgeht, steht völlig in den Sternen. Wenigstens auf der | |
Rechten war mit der 2016 gegründeten Verità eine neue Tageszeitung | |
erfolgreich – und das Domani-Team hofft, jetzt einen solchen Erfolg von | |
(gemäßigt) links wiederholen zu können. | |
21 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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