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# taz.de -- Niedersächsische AfD auf Rechtskurs: Bitte unauffällig bleiben!
> Die Landespartei rät ihren Mitgliedern, radikale Positionen zu
> verschweigen, um Waffenscheine und Jobperspektiven nicht zu verlieren.
Bild: Muss die Freude über seine Wahl nicht verbergen, aber vielleicht rechte …
Hamburg taz | Die AfD Niedersachsen sorgt sich um eine mögliche Beobachtung
durch das Bundes- oder Landesamt für Verfassungsschutz. Mit der Wahl von
Jens Kestner zum Landesvorsitzenden am 12. September hat der Landesverband
[1][den Weg für eine weitere Entwicklung nach rechts geebnet]. Interne
Handlungsleitfäden, die der taz vorliegen, sollen den Funktionsträger*innen
und Mitgliedern der niedersächsischen AfD helfen, als „Beamte, Soldaten und
Angestellte des öffentlichen Dienstes“ keine beruflichen Probleme zu
bekommen und als „Jäger, Schützen und sonstige Legalwaffenbesitzer“ ihre
Waffen zu behalten. Der Tenor der Leitfäden: nach außen möglichst
vorsichtig auftreten und Rechtsschutz suchen – auch bei den Gewerkschaften.
In den zwei Leitfäden mit jeweils knapp fünf Seiten wird deutlich: Ein
Hinterfragen der eigenen Positionen, welche zur Beobachtung durch die
Verfassungsschutzämter führen könnten, ist nicht vorgesehen. Die
niedersächsische AfD folgt dem Kurs des Thüringischen Landtagsfraktions-
und Landesvorsitzenden [2][Björn Höcke] weiter in die politische
Fundamentalposition. Das Datum der internen Handreichung offenbart, dass
die nicht genannten Autor*innen schon vor der Abwahl der
Landtagsfraktionschefin Dana Guth als Landesvorsitzende am vorvergangenen
Sonntag diesen Kurs unterstützten.
In dem Leitfaden für „Beamte, Soldaten und Angestellte des öffentlichen
Dienstes“ weist die AfD auf das „politische Spannungsfeld zwischen
beruflicher Treue und parteipolitischem Engagement“ hin. Offenbar hält sie
es zudem für nötig, ihre Mitglieder noch mal daran zu erinnern, dass sie
auch wirklich mit ihrem „gesamten Verhalten zur freiheitlich-demokratischen
Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ und für „deren Erhaltung“
einzutreten haben.
Die „verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung“ dürf…
insbesondere von Beamten und Soldaten nicht zu aktiv „bekämpft und
diffamiert“ werden. Denn sonst könnten bei Soldat*innen disziplinarische
Maßnahmen erfolgen wie etwa die Kürzung der Dienstbezüge, ein
Beförderungsverbot, die Herabsetzung in der Besoldungsgruppe oder das
Entfernen aus dem Dienstverhältnis. Bei Angestellten des öffentlichen
Dienstes seien Abmahnungen bis zur fristlosen Kündigung möglich.
## Vorsicht mit Forderungen nach einem Systemwechsel
Die Verfasser*innen des Leitfadens raten deshalb, selbst bei „harschen
Anfeindungen durch den politischen Gegner“ sachlich zu bleiben und den
Gegner nicht zu verunglimpfen. In einem bestehenden Dienstverhältnis sollte
die Aussage, „dass das Demokratieprinzip in Deutschland abgeschafft werden
soll“ nicht fallen. Pauschale Forderungen nach einen Systemwechsel seien
ebenso zu unterlassen.
Ausbleiben sollte darüber hinaus, auf dem Feld der Migrationspolitik
bestimmte Menschengruppen generell zu verurteilen. Mit anderen Worten:
„Pauschalverurteilungen von Flüchtlingen als ‚Asylbetrüger‘ sollten
unterbleiben“. Und weil eine menschenverachtende Haltung vielleicht
trotzdem bei dem einen oder anderen Gesprächspartner durschschimmern
könnte, auch wenn er sich Mühe gibt, Signalwörter zu vermeiden, raten die
Autor*innen einfach direkt, „jegliches Gespräch im beruflichen Umfeld über
Politik zu vermeiden“.
Außer rhetorischen Hinweisen gibt der Landesverband den Tipp, bei dem
Vorwurf eines Treuepflichtverstoßes sofort einen Anwalt hinzuziehen, selbst
bei einem Personalgespräch. Die Kosten dafür solle die Allgemeinheit
mittragen, denn als eine günstige Alternative zur Rechtsschutzversicherung
sei der Beitritt zu einer Gewerkschaft zu empfehlen. Die ständigen
Anfeindungen der AfD gegen die Gewerkschaften hindert die Rechten nicht
daran, deren Rechtsschutz für Mitglieder ausnutzen zu wollen.
In dem speziellen Leitfaden für „Jäger, Schützen und [3][sonstige
Legalwaffenbesitzer]“ weist die AfD darauf hin, dass im „Rahmen der
Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ seit Februar auch eine Abfrage beim
Verfassungsschutz über die Betroffenen erfolgen kann. Bisher sei das wegen
technischer Probleme noch nicht ganz umgesetzt, aber die Auskünfte würden
zukünftig vollumfänglich erfolgen.
## Reden ist Silber...
Der Entzug einer Waffenerlaubnis oder eines Jagdscheines könnte sowohl
Anhänger*innen des „Flügels“ treffen als auch Mitglieder des
[4][Landesverbandes der Jungen Alternative]. Beide Strukturen wurden
aufgelöst, der Landesverfassungsschutz stuft sie als verfassungsfeindlich
ein.
Die anonymen Tippgeber*innen warnen ihre Parteikolleg*innen außerdem vor
Denunziationen aus dem Kreise der Jägerschaft und Schützenvereine. Deswegen
sollten politische Gespräche „allenfalls mit engen Vertrauten“ geführt
werden. Ein Ratschlag sei noch besonders zu beachten: Sollten aus dem
Umfeld der Partei tatsächlich verfassungsfeindliche Äußerungen bekannt
werden“, einfach widersprechen, sich distanzieren und dokumentieren.
20 Sep 2020
## LINKS
[1] /AfD-Landesparteitag-in-Braunschweig/!5709535
[2] /Bjoern-Hoecke-im-Sommerinterview/!5704352
[3] /Rechtsextreme-und-Waffen/!5625053
[4] /Radikale-AfD-Jugend/!5606139
## AUTOREN
Andreas Speit
andrea Röpke
## TAGS
AfD Niedersachsen
Verfassungsschutz
Waffen
Rechtsextremismus
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Holocaust
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