# taz.de -- R2G in Berlin und Moria: Menschlichkeit mit Hintertürchen | |
> Berlin will Geflüchteten aus Moria die Familienzusammenführung mit | |
> Angehörigen in Berlin erleichtern. Doch die Sache hat einen Haken. | |
Bild: Demo für die Aufnahme Geflüchteter im März in Berlin | |
Es passiert nicht oft, dass man den Eindruck hat, Politiker hätten | |
Überzeugungen, für die sie auch gegen Widerstände einstehen. Beim Thema | |
Moria beziehungsweise Geflüchtete in Griechenland scheint es bei führenden | |
Köpfen von Rot-Rot-Grün so zu sein. | |
Seit Wochen versuchen sie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU und | |
bekannt für seine Bekenntnisse zu „christlicher Nächstenliebe“) davon zu | |
überzeugen, dass er seinen Widerstand gegen das Berliner Landesprogramm zur | |
humanitären Aufnahme von 300 Kindern und Müttern aus dem Geflüchtetenlager | |
auf der griechischen Insel Lesbos aufgibt. Und weil sie inzwischen wissen, | |
dass sie bei ihm auf Granit stoßen, haben sie am Donnerstag mit ihrer | |
Entschließung zu Moria im Abgeordnetenhaus auf ein paar juristische | |
Winkelzüge zurückgegriffen, die ihnen der Republikanische Anwaltsverein | |
eingegeben hat. | |
Die JuristInnen hatten vorige Woche rechtliche Spielräume vorgestellt, die | |
das Land zur Aufnahme von Geflüchteten nutzen kann, ohne dabei auf | |
Seehofers Einverständnis warten zu müssen. Dazu gehört etwa die Forcierung | |
der Familienzusammenführung für Geflüchtete aus Moria mit Angehörigen in | |
Berlin: Sie soll erleichtert werden durch den Verzicht auf die Bedingung, | |
dass die Angehörigen für den Lebensunterhalt der Neuankömmlinge sorgen | |
müssen – sonst eine große Hürde. | |
## Halber Mut | |
Dies soll der Senat nun tatsächlich umsetzen. Leider scheint die | |
Abgeordneten auf halbem Weg der Mut verlassen zu haben. Laut Beschluss ist | |
nämlich nur „zu prüfen“, ob auf die Sicherung des Lebensunterhalts | |
verzichtet werden kann, das Einwanderungsamt wird nur „gebeten“, dies zu | |
tun. Wer weiß, wie die frühere Ausländerbehörde für gewöhnlich tickt, kann | |
sich ausmalen, was die Betonköpfe dort mit dieser Bitte tun werden: sie | |
ignorieren. | |
So sieht die schwache Formulierung verdächtig nach einem Hintertürchen aus, | |
nach dem Motto: Wir hätten ja mehr für Geflüchtete getan, aber die | |
Verwaltung hat – leider, leider – nicht mitgezogen. Gut möglich, dass dies | |
zumindest Teilen der SPD gar nicht so unrecht wäre, die wie immer nicht | |
weiß, ob sie staatsmännisch oder menschlich agieren soll. Etwa Frank | |
Zimmermann, Sprecher für Europa, der am Donnerstag verlauten ließ: „Berlin | |
steht für Humanität und europäische Solidarität. Mehr denn je ist aber ein | |
abgestimmtes Handeln der EU erforderlich.“ | |
Aber keine Bange, R2G: Die interessierte Öffentlichkeit wird aufmerksam | |
verfolgen, ob hier Lippenbekenntnisse zu Papier gebracht wurden oder ob | |
Berlin wirklich Geflüchtete in nennenswerter Zahl von den Inseln holt. Denn | |
es stimmt ja: [1][„Wir haben Platz“!] | |
18 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://seebruecke.org/events/moria-brennt-grossdemo/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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