# taz.de -- Häusliche Gewalt und Corona: Frauen suchen öfter Hilfe | |
> Über tausend Beratungen pro Woche verzeichnet das Hilfetelefon „Gewalt | |
> gegen Frauen“ seit Mitte Mai. Es fehlen Plätze in Frauenhäusern. | |
Bild: Beim Hilfetelefon rufen im Lockdown mehr Frauen denn je an | |
BERLIN taz | Seit dem Corona-Lockdown werden beim [1][Hilfetelefon „Gewalt | |
gegen Frauen“] deutlich mehr Betroffene beraten als zuvor. Das ergibt die | |
Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der | |
stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Katja Suding. Beim Hilfetelefon | |
können sich Betroffene telefonisch unter der Nummer 08000 116 016 beraten | |
lassen, aber auch über Chats und E-Mails. | |
Während das Hilfetelefon zu Beginn des Lockdowns Mitte März noch 797 | |
Beratungen pro Woche durchführte, wurden es in den Folgewochen immer mehr | |
Anrufe. Vom 11. bis 17. Mai erreichte die Zahl der Beratungskontakte mit | |
1.182 ihren bisherigen Höchstwert in diesem Jahr. Seit Mitte Mai hat sich | |
die Zahl mit ca. 1.000 bis 1.100 wöchentlichen Beratungen auf einem hohen | |
Niveau eingependelt. | |
„Parallel zum Anstieg der Beratungskontakte sind auch die Beratungen im | |
Bereich [2][häuslicher Gewalt und Gewalt in (Ex-)Paarbeziehungen] um etwa | |
18 Prozent angestiegen“, erklärt Stefanie Keienburg vom Bundesamt für | |
Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gegenüber der taz. Insbesondere | |
im Vergleich zum Vorjahr wird der deutliche Anstieg der Hilfegesuche | |
deutlich: Damals lag die Anzahl der Beratungskontakte pro Woche im | |
Durchschnitt bei 859. | |
Expert*innen gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der [3][von Gewalt | |
betroffenen Frauen] deutlich höher liegt. Insbesondere für die Zeit des | |
Lockdowns sei anzunehmen, dass viele Fälle von häuslicher Gewalt nicht | |
bekannt wurden. Sogar ein Telefonat sei für viele Frauen im Lockdown | |
schwieriger, weil sich oft jemand im Nebenzimmer aufhalte, erklärte die | |
Leiterin des Frauenhauses im fränkischen Schwabach, Andrea Hopperdietzel, | |
im Mai [4][gegenüber der taz]. | |
## Auch mehr Plätze für Frauen mit Behinderungen sind nötig | |
Frauenhäuser erwarten deshalb, dass gewaltbetroffene Frauen sich erst | |
jetzt, also nach dem Ende des Lockdowns, an sie wenden. Ihnen zu helfen | |
wird schwierig: Nach Berechnungen auf Grundlage der Istanbul-Konvention, | |
dem Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, fehlen in | |
Deutschland knapp 15.000 Plätze in Frauenhäusern. Vorhanden sind ungefähr | |
7.000. | |
„Wir dürfen diese Frauen nicht alleinlassen und müssen sie wirksamer | |
schützen“, fordert Katja Suding. Die Frauenhilfe in Deutschland müsse | |
krisenfest aufgestellt werden, so Suding. „Konkret wollen wir, dass die | |
Kapazitäten von Frauenhausplätzen schnellstmöglich erhöht und in einem | |
länderübergreifenden Online-Register erfasst werden“, sagt die | |
FDP-Politikerin. Wichtig sei auch, dass ausreichend barrierefreie Plätze | |
für Frauen mit Behinderung und Frauen mit Kindern zur Verfügung stünden. | |
Im Juni hatte auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bereits | |
eingestanden, dass es Probleme gibt. „Es gibt weiße Flecken auf der | |
Landkarte“, konstatierte sie nach dem vierten Treffen des Runden Tisch | |
„Gemeinsam [5][gegen Gewalt an Frauen]“. Giffey strebt deswegen an, einen | |
gesetzlichen Anspruch auf einen Platz im Frauenhaus zu schaffen – | |
allerdings erst in der nächsten Legislatur. | |
31 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hilfetelefon.de/ | |
[2] /Debatte-Gewalt-in-Partnerschaften/!5418290 | |
[3] /Soziale-Auswirkungen-von-Corona/!5693532 | |
[4] /Haeusliche-Gewalt-und-Corona/!5682407 | |
[5] /Anwaeltin-ueber-haeusliche-Gewalt/!5667349 | |
## AUTOREN | |
Franziska Schindler | |
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