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# taz.de -- Tödliche Schüsse in Wisconsin: Eskalation mit Ansage
> Bei Protesten gegen Polizeigewalt werden in Kenosha zwei Menschen
> erschossen. Zuvor hatte eine Miliz aufgerufen, bewaffnet auf die Straße
> zu gehen.
Bild: Videosequenz von den Protesten gegen die Polizeischüsse auf Jacob Blake …
Berlin taz | In Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin ist die Gewalt in der
Nacht zum Mittwoch eskaliert. Zwei Menschen wurden erschossen und ein
dritter schwer verletzt, als mindestens ein bewaffneter Mann kurz vor
Mitternacht in Gruppen von Protestierenden feuerte. Die Identität des
Schützen war zunächst noch unbekannt. Allerdings existieren Handyvideos von
ihm, sodass sich der Sheriff von Kenosha County, David Beth, zuversichtlich
äußerte, man werde den Mann bald stellen.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Mann zu einer Gruppe der „Kenosha Guard“
gehört, einer lokalen Miliz, die auf Facebook dazu aufgerufen hatte, am
Abend bewaffnet gegen Plünderungen, Zerstörungen und Brandstiftungen
vorzugehen. Die Polizei wollte sich zu dieser Vermutung zunächst nicht
äußern. Möglich ist auch, dass der Schütze dem Aufruf der Miliz auf eigene
Faust gefolgt ist, ohne ihr aber persönlich anzugehören.
Auf [1][Videoaufnahmen] war zu sehen, wie schwer bewaffnete Mitglieder der
Miliz sich in der Nähe der Proteste aufhalten und mit Anwohner*innen
diskutieren. Auf Twitter ist auch ein Video aufgetaucht, das
Milizmitglieder vor ihrem „Einsatz“ zeigt – in dem entsprechenden Posting
wird suggeriert, dass es sich bei einem von ihnen, der sich selbst als Kyle
R. identifiziert, um den späteren Schützen handelt. Tatsächlich ist ein
Mann mit gleichem Outfit in späteren Videos zu sehen, wie er nach Schüssen
mit einer umgehängten Waffe davonläuft.
Jener Kyle R. ist auf Social Media als Anhänger von „Blue Lives Matter“
bekannt, jener Pro-Polizei-Bewegung gegen die Schwarzen „Black Lives
Matter“-Proteste. In einem Interview mit dem Rechtsaußen-Magazin „The
Blaze“ soll er über die Miliz gesagt haben, sie verfüge nicht über nicht
tödliche Waffen, nur über tödliche. Ob er aber tatsächlich der Todesschütze
aus der Dienstagnacht ist, müssen die polizeilichen Ermittlungen klären.
## Wut nach den Schüssen auf Jacob Blake
Sherriff Beth äußerte sich zum Auftauchen der Milizen und den
anschließenden Schüssen mit den Worten: „Leute haben mir gesagt: Warum
setzt ihr nicht Bürger ein? Genau deshalb. Genau deshalb setzt man keine
Bürger mit Gewehren ein, um Kenosha zu beschützen.“
Seit am Wochenende der unbewaffnete 28-jährige Schwarze Jacob Blake von
Polizisten [2][siebenmal in den Rücken geschossen] worden war, waren
wütende Protestierende in Kenosha auf die Straße gegangen. Die Proteste
waren schnell in Gewalt umgeschlagen, zahlreiche Häuser und Autos wurden in
Brand gesetzt, Polizisten mit Flaschen, Feuerwerkskörpern und Steinen
beworfen.
Bereits am Dienstag hatte der demokratische Gouverneur von Wisconsin, Tony
Evers, den [3][Notstand über die Stadt] ausgerufen und die Einsatzkräfte
der Nationalgarde verdoppelt. Für die Nacht galt eine Ausgangssperre ab 20
Uhr, die allerdings von den Protestierenden weitgehend ignoriert wurde.
In einem bewegenden Auftritt vor Journalist*innen äußerten sich am Dienstag
Jacob Blakes Eltern zu den Ereignissen. Sichtlich erschüttert nannte sein
Vater Jacob Blake senior die Schüsse auf seinen Sohn „versuchten Mord“:
„Sie haben sieben Mal auf meinen Sohn geschossen. Sieben Mal. Als ob er
nichts wert sei. Aber mein Sohn ist etwas wert. Er ist ein Mensch, und er
ist etwas wert.“
## Womöglich querschnittsgelähmt
Noch immer gibt es keine offizielle Stellungnahme zum genauen Tathergang,
der zu den Schüssen auf Blake führte. Auf einem Handyvideo ist zu sehen,
wie Blake, gefolgt von mehreren Polizisten, von denen mindestens einer die
Waffe auf ihn hält, zu seinem Auto geht. Als er die Tür öffnet, fallen die
Schüsse. Im Auto sollen sich Blakes drei Kinder befunden haben.
Nach Angaben der Familie traf mindestens einer der Schüsse die Wirbelsäule
und es ist wahrscheinlich, dass Jacob Blake querschnittsgelähmt bleiben
wird. Seine Mutter, Julia Jackson, sagte vor Reporter*innen, sie habe in
der Stadt die Spuren großer Zerstörung durch die Proteste gesehen. Das, so
sagte sie, würde ihr Sohn niemals wollen. Sie bete für die Heilung des
Landes.
Kenosha hat rund 100.000 Einwohner*innen. Donald Trump war 2016 der erste
republikanische Präsident seit 44 Jahren, der den Wahlbezirk hatte gewinnen
können. Jetzt forderte er Gouverneur Evers auf, „das Problem schnell zu
beenden“ – wobei er nicht die Gewalt der Polizei oder der Milizen meinte,
sondern die Proteste.
Auch in anderen Städten, darunter Los Angeles und Minneapolis, war es
[4][zu Protesten und Ausschreitungen] gekommen. Nach den jüngsten Schüssen
von Kenosha ist zu erwarten, dass sie die Proteste erneut auch auf weitere
Städte ausdehnen werden.
## Trump zündelt weiter
In dem gleichzeitig stattfindenden [5][Republikaner-Parteitag] hat das
Thema bis zum Dienstagabend nur insofern Eingang gefunden, als viele
Redner*innen vor „Anarchie und Chaos“ warnten, sollte Trumps Herausforderer
Joe Biden die Wahl gewinnen.
Trump hatte sich schon in seinem Wahlkampf 2016 als „Law and
Order“-Kandidat präsentiert. Zu den zahlreichen Protesten nach dem Tod von
George Floyd Anfang Mai fiel ihm vor allem ein, demokratische
Bürgermeister*innen und Gouverneur*innen anzuklagen, sie gingen nicht hart
genug gegen „Antifa“ und Anarchisten auf den Straßen vor.
In die Stadt Portland ließ er sogar gegen den Willen der lokalen und
bundesstaatlichen Behörden Bundeskräfte entsenden, die dann Schlagzeilen
machten, als sie Ende Juli [6][ohne Kennzeichnung Menschen festnahmen] und
in Autos ohne Nummernschilder zerrten.
26 Aug 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/i/status/1298484500972933120
[2] /Polizeigewalt-in-Wisconsin/!5709113
[3] /Polizeigewalt-in-Wisconsin/!5710188
[4] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5689218
[5] /Parteitag-der-US-Republikaner/!5710195
[6] /Trump-kuendigt-weitere-Polizeieinsaetze-an/!5701539
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
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