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# taz.de -- Verfassungsschutz in Niedersachsen: Mehr Befugnisse, weniger Kontro…
> Die rot-schwarze Koalition will mehr V-Mann-Einsätze und die Überwachung
> von Kindern erlauben. Auskunftsrechte sollen beschnitten werden.
Bild: Nach diversen Skandalen hatte der Verfassungsschutz Zügel angelegt bekom…
Hannover taz | „Es hat“, sagt Helge Limburg (Grüne) in seiner Widerrede zum
Gesetzentwurf der Landesregierung, „damals, 2014, für Rot-Grün doch gute
Gründe gegeben, den Einsatz von V-Männern einzuschränken.“ Gründe, über …
man sich republikweit und in allen Parteien einig gewesen sei. Die Tatsache
nämlich, dass der Verfassungsschutz mit seinen V-Männern im NSU-Umfeld zur
Finanzierung rechtsextremer Strukturen beigetragen hatte – ohne dadurch
irgendetwas von der jahrelangen Mordserie zu verhindern.
In Niedersachsen hatte es allerdings [1][noch ein paar mehr gute Gründe
gegeben,] dem Verfassungsschutz Zügel anzulegen: Diverse Datenskandale zum
Beispiel. Der damals auch schon amtsinhabende Innenminister Boris Pistorius
(SPD) pries die Verfassungsschutzreform der rot-grünen Koalition als
fortschrittlichstes Regelwerk im gesamten Bundesgebiet.
Nun ist die Landesregierung aber Rot-Schwarz und Pistorius muss kleinere
Brötchen backen: Als „moderate Änderungen“ und „notwendige Anpassungen�…
versucht er den aktuellen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
nachrichtendienstlicher Bestimmungen“ bei der ersten Beratung im
Niedersächsischen Landtag zu verkaufen. Das sieht die Opposition natürlich
anders. Während der CDU der Entwurf immer noch nicht weit genug geht,
protestieren Grüne und FDP, sowie – [2][wenig überraschend – die AfD, die
ja in Teilen selbst im Visier der Behörde] steht.
Die Kritik entzündet sich vor allem an einer Einschränkung der
Auskunftsrechte gegenüber Betroffenen. Künftig sollen Bürger*innen, wenn
sie wissen möchten, was der Verfassungsschutz über sie gespeichert hat, in
ihrer Anfrage mitteilen, warum sie glauben, ins Visier des
Verfassungsschutzes geraten zu sein.
Das sei ja aber ein geradezu absurder Zwang zur Selbstbezichtigung,
kritisiert unter anderem Stefan Birkner (FDP). In dem Gesetzentwurf ist
nämlich nicht einmal festgehalten, dass der Verfassungsschutz die durch
eine solche Anfrage gewonnene Erkenntnis nicht verwerten darf.
Möglicherweise macht man also den Verfassungsschutz damit überhaupt erst
auf sich aufmerksam.
Gleichzeitig, darauf weist der AfD-Abgeordnete Klaus Wichmann hin, muss die
Behörde dann auch nur über den in der Anfrage beschriebenen konkreten
Sachverhalt Auskunft geben – ob sie darüber hinaus reichende Erkenntnisse
mitteilt, bleibt ihrem Ermessen überlassen.
Die Regierungsparteien argumentieren dagegen, dass der bisherige allgemeine
Auskunftsanspruch weiter gefasst gewesen sei als in jedem anderen
Bundesland und auf Bundesebene. Das habe dazu geführt, dass bestimmte
Anwaltskanzleien sich darauf spezialisiert hätten, den Verfassungsschutz
mit Anfragen zu bombardieren, um so die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes
teilweise lahmzulegen und Erkenntnisse über Beobachtungsstrategien zu
gewinnen. Diese Missbrauchsgefahr sehe er auch, räumt Stefan Birkner (FDP)
ein. Die Neufassung schieße aber zu weit übers Ziel hinaus.
Beobachter wie die Initiative „Digitalcourage“ aus Braunschweig und das
Netzwerk „Freiheitsfoo“ argwöhnen, dass dieses übers Ziel hinausschießen
System hat und ursprünglich sogar noch viel weiter ging. Sie verweisen dazu
etwa auf den Tätigkeitsbericht der Landesdatenschutzbeauftragten, die
erklärte, der Ursprungsentwurf „wäre geeignet gewesen, einen weitgehend
kontrollfreien Rechtsrahmen für den Verfassungsschutz zu schaffen“.
Das betrifft vor allem den Einsatz von V-Leuten, der nicht länger von der
G10-Kommission, dem parlamentarischen Kontrollgremium, genehmigt werden
sollte. Dagegen intervenierte die Landesdatenschutzbeauftragte erfolgreich.
Gestrichen wurde zudem der Passus im Gesetz, der den Einsatz von V-Leuten
auf Beobachtungs- oder Verdachtsobjekte von „erheblicher Bedeutung“
beschränkt.
Die Grünen interpretieren diese Streichung als Versuch, V-Mann-Einsätze
wieder erheblich auszuweiten. Der FDP-Abgeordnete Birkner sieht darin eher
„politisches Blendwerk“. Wenn am Ende weiterhin die G10-Kommission
entscheide, worin liege dann der Sinn dieser Streichung?
## Safia S. muss als Begründung herhalten
Ein weiterer Punkt, an dem sich vor allem die Grünen stören, ist die
erleichterte Beobachtung und Erfassung von Minderjährigen ab 14 Jahren. Für
die Landesregierung ist dies die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass in
salafistischen Kreisen die Indoktrinierung und Instrumentalisierung von
Kindern früh einsetzt.
Die Koalition verweist [3][auf den Fall der 15-jährigen Safia S.,] die im
Hauptbahnhof auf einen Polizisten einstach. Allerdings: In solchen Fällen
war die Beobachtung auch bisher schon möglich. Es mussten nur genügend
Anhaltspunkte vorliegen. Die gab es auch im Fall Safia S., die der
Verfassungsschutz durchaus auf dem Radar hatte. Er hatte allerdings die
Gefahr unterschätzt.
Und in anderen Fällen, merkt der Grünenabgeordnete Helge Limburg an, wären
wohl eher Jugendschutz und Sozialarbeit gefragt als der Geheimdienst. Diese
Diskussion muss nun in den Fachausschüssen weitergeführt werden.
17 Sep 2020
## LINKS
[1] /Panne-beim-Verfassungsschutz/!5689644&s=Verfassungsschutz+Niedersachse…
[2] /Niedersaechsischer-AfD-Landesverband/!5685244&s=Verfassungsschutz+Nied…
[3] /Nach-IS-Messerattentat-von-Hannover/!5499869&s=Safia+S/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Verfassungsschutz
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Bürgerrechte
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