# taz.de -- Abschiebungen aus Deutschland: Lageberichte unter Verschluss | |
> Sie sind Basis für asylpolitische Entscheidungen. Doch die | |
> Bundesregierung will Berichte zur Sicherheitslage in anderen Ländern | |
> nicht veröffentlichen. | |
Bild: Was Abzuschiebende in Afghanistan angeblich erwartet, steht im Lageberich… | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung will Lageberichte zur Situation in anderen | |
Staaten weiterhin unter Verschluss behalten. Dabei hängt viel am Inhalt der | |
Dokumente – auf ihrer Grundlage wird zum Beispiel entschieden, in welche | |
Länder Deutschland abschiebt. Fragwürdig ist die Haltung der | |
Bundesregierung auch, weil Aktivist:innen die Freigabe der Dokumente | |
letztlich immer wieder erzwingen. | |
„Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, wie die | |
Bundesregierung die Sicherheitslage und Gefährdungen in Ländern einschätzt, | |
in die abgeschoben wird“, sagt die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke | |
(Linke). Sie hat in einer Schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung eine | |
Erklärung dafür gefordert, warum die Berichte der Öffentlichkeit nicht | |
zugänglich gemacht werden. | |
Es gehe darum, „außenpolitische Interessen zu wahren und | |
Informationsquellen zu schützen“, schreibt die Bundesregierung in ihrer | |
Antwort, die der taz vorliegt. „Eine grundsätzliche Veröffentlichung der | |
Lageberichte“, sei deshalb weiterhin „nicht beabsichtigt“. | |
Die Dokumente, die vom Auswärtigen Amt verfasst werden, sind vor allem | |
Grundlage für die großen asylpolitischen Weichenstellungen, etwa die Frage | |
danach, ob ein Staat als sicheres Herkunftsland eingestuft wird. Auch | |
Richter*innen und Anwält*innen, die in juristische Asylstreitigkeiten | |
involviert sind, erhalten Einsicht. | |
Der breiten Öffentlichkeit bleiben die Berichte zwar offiziell | |
vorenthalten, allerdings gelangen sie meist dennoch an die Öffentlichkeit – | |
wenn auch über einen Umweg. Die gemeinnützige Internetplattform | |
FragDenStaat fordert auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes die | |
Herausgabe der meisten Berichte an, die Bundesregierung ist dann | |
verpflichtet, dem nachzukommen. Die Dokumente sind auf fragdenstaat.de | |
einsehbar, lediglich einzelne Stellen bleiben aus Geheimhaltungsgründen | |
auch dann geschwärzt. Dabei geht es meist aber nur um wenige Zeilen. | |
## Will die Bundesregierung Diskussionen abwürgen? | |
All das spricht aus Sicht von Ulla Jelpke dafür, die Berichte direkt zu | |
veröffentlichen und die tatsächlich geheimhaltungsbedürftigen Passagen | |
gesondert aufzulisten. Jelpke erhofft sich davon größere Transparenz über | |
die Grundlagen der deutschen [1][Abschiebepolitik]. Ihre Vermutung: Dass | |
die Lageberichte unter Verschluss bleiben, unterbinde die Diskussion über | |
deren Inhalt. | |
An dem, was in einzelnen Berichten steht, gibt es tatsächlich immer wieder | |
Kritik. So etwa von Pro Asyl. Dessen Geschäftsführer, Günter Burkhardt, | |
sagt: „Die Berichte sind teils beschönigend und zu verallgemeinernd.“ | |
Dadurch, dass Berichte nur über Umwege und dank FragDenStaat einsehbar | |
sind, sei es schwierig, fundierte Kritik zu äußern, so Burkhardt. Auf den | |
letzten beiden Innenministerkonferenzen habe es etwa Überlegungen gegeben, | |
[2][nach Syrien abzuschieben] – ohne dass der Öffentlichkeit der | |
entsprechende Lagebericht Syrien überhaupt bekannt gewesen wäre. „Die | |
Fakten müssen auf den Tisch“ so Burkhardt. Das sei auch eine Frage des | |
Prinzips: „In einer Demokratie sollte es selbstverständlich sein, dass die | |
Einschätzungen der Regierung nachvollziehbar sind.“ | |
Ähnlich äußert sich Arne Semsrott von FragDenStaat. Auch er ist sich | |
sicher, dass die Berichte breiter diskutiert würden, wenn sie offiziell von | |
der Bundesregierung veröffentlicht würden. Die derzeitige Situation | |
benachteilige zudem Helfer:innen, die sich für Geflüchtete einsetzen. | |
„Insbesondere kleine Initiativen, etwa solche, die Erstberatungen für | |
Geflüchtete durchführen, haben oft keine Einsicht in die Berichte“, sagt | |
er. Das erschwere deren Arbeit. Passagen, die tatsächlich geheim bleiben | |
müssen, könne die Regierung von Anfang an schwärzen, findet Semsrott – wie | |
es ja bereits geschieht, wenn FragDenStaat die Herausgabe erzwingt. | |
21 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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