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# taz.de -- Staatliche Kunstsammlungen Dresden: Das Werk der eigenen Hände
> Im Japanischen Palais wird die Kunst des Handwerks zelebriert. Eine
> Ausstellung zeigt 100 Objekte aus der eigenen Sammlung.
Bild: Die 3.500 Kunstblumen von Theresa Rothe im Japanischen Palais in Dresden
Die Verbindung von Kunst und Handwerk hat nicht erst [1][das Bauhaus]
erneut entdeckt. Als der sächsische Kurfürst August I. im Jahre 1560 nach
derjenigen in Wien die zweite kurfürstliche Kunstkammer im
deutschsprachigen Raum einrichten ließ, diente diese nicht nur
Ausstellungszwecken, sondern auch der Produktion.
Bildende Kunst, Kunsthandwerk und wissenschaftlich-mathematische
Instrumente standen nebeneinander. Werkzeuge, Material und Bücher wurden an
regionale Gewerke ausgeliehen. Gelegentlich soll der Kurfürst – nicht zu
verwechseln mit August dem Starken eineinhalb Jahrhunderte später – auch
selber an der Drehbank gestanden und Elfenbein gedrechselt haben.
Elfenbein, pfui, dürfte er heute nicht mehr! Aber die Saat ist aufgegangen.
Der engen Verwandtschaft von Kunst und Handwerk folgend, haben die
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden jetzt in ihren reichen Beständen
„gekramt“. Unter dem Titel „Inspiration Handwerk“ hat Kuratorin Noura
Dirani, sonst Referentin für transkulturelle Methodik, im Japanischen
Palais 110 Exponate zu einer Ausstellung zusammengefügt. Am Freitag wurde
sie offiziell eröffnet.
Der Ansatz ist ein anderer, als ihn etwa das [2][Grassi-Museum] für
angewandte Kunst in Leipzig verfolgt. In Dresden geht es um
Verbindungslinien vom Handwerk ins Bildkünstlerische, um die fließenden
Grenzen zwischen beiden. Abgesehen davon, dass jegliche Kunstausübung die
Beherrschung des Handwerks voraussetzen sollte.
## Erst der „Auftakt zu einer langjährigen Beschäftigung
Die Komposition in sechs Räumen ist aber mehr als eine Hommage an das
Kunsthandwerk. Generaldirektorin Marion Ackermann versteht auch im
übertragenen Sinn ihr Handwerk. Diese noch relativ limitierte und
selektierte Ausstellung soll nämlich erst den „Auftakt zu einer
langjährigen Beschäftigung“ mit dem Thema signalisieren. Auch die sie
begleitenden Werkstätten für Publikum und künstlerische Gäste sollen kein
Provisorium bleiben.
Es klingt, als wollten die berühmten Staatlichen Kunstsammlungen mit mehr
als zweieinhalb Millionen Besuchern jährlich eine neue Handwerkssparte
eröffnen. Zugleich wird damit ein geschickter Akzent zur künftigen Nutzung
des Japanischen Palais am Elbufer gesetzt, dessen Schicksal politisch
immer noch nicht entschieden ist. Denn es gab schon Kräfte, die hier ein
Casino oder ein sächsisches „Nationalmuseum“ einrichten wollten.
Solche Interessen bedient die Generaldirektorin auf subtile Weise, wenn sie
mit der Ausstellung ausdrücklich auf „die Rolle des Kunsthandwerks für die
Geschichte Sachsens“ hinweist. Mit Regionalkolorit werden die Besucher
empfangen. Meisterschülerin Theresa Rothe von der Dresdner Hochschule für
Bildende Künste hat 3.500 Kunstblumen zu einer prächtigen raumhohen
Installation arrangiert.
Die Arbeit steht im Zusammenhang mit der Kunstblumenmanufaktur von Heide
und Gerald Steyer, die im zweiten Raum gewürdigt wird. Ihr Unternehmen ist
der Vorläufer des VEB Kunstblume in Sebnitz nahe der Sächsischen Schweiz,
dessen Rückübernahme nach 1990 an der Treuhand scheiterte. Als eine der
letzten verbliebenen europäischen Kunstblumenmanufakturen musste das
betagte Paar inzwischen aufgeben, nahm aber bewegt am Presserundgang teil.
## Handweberei und der traditionelle Blaudruck
Den Steyers und drei weiteren Kunsthandwerkerinnen hat Donata Wenders mit
dominanten großflächigen Videoinstallationen ein Denkmal gesetzt.
Pathetisch als „Ode an das Handwerk“ bezeichnet, zeugen sie von einer in
die Defensive geratenen Kunst der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen.
Anachronistisch wirken die Handweberei oder der traditionelle Blaudruck.
Unwillkürlich denkt man bei den gezeigten Teppichen, Textilien oder Schuhen
an die Massenimporte aus Billiglohnländern. Hier aber spricht die
Künstlerin von der Liebe zum Werk der eigenen Hände, hier geht es um
Zuwendung zum einzelnen, unverwechselbaren Exemplar.
Es ist laut Kuratorin Dirani auch erklärtes Ziel der Ausstellung, zum
Nachdenken darüber anzuregen, „welche Rolle das Hand-Werk in Zeiten
verstärkter Technisierung noch spielt“. Für das dafür nötige Kopf-Werk ist
am Ende des Rundgangs ein kleines Auditorium, eine kleine Arena für
Gespräche und Veranstaltungen eingerichtet worden.
## Mitmachmuseum zeigt verschiedene Techniken
Zeitgenössische Handwerksprodukte kann man in einem „Arts and Crafts
Sustainability Shop“ erwerben. Oder man wagt sich gleich selber in der
Werkstatt an die Handwerkskunst. In einer Art Mitmachmuseum werden Kurse in
verschiedenen Techniken erteilt.
Zentraler Raum des nicht immer plausiblen historischen und inhaltlichen
Brückenschlags ist die „zeitgenössische Kunstkammer“. 2.600 Jahre alt sind
die ältesten antiken Gefäße, die jüngsten Batiktücher gerade mal sechs
Jahre. Behälter, gestaltete Schutzverpackungen oder kleine Werkzeuge sind
zu sehen. Eine Schreinerwerkstatt gibt es aber nur im Puppenstubenformat.
Das Zentrum des Raumes bilden die symmetrischen und glatt geschliffenen
Marmorplastiken von Peter Makolies. Zwei große Kopien von Deckenfresken aus
den Paraderäumen des Schlosses weisen höchstens auf das Handwerk der
Restauratoren bei der Rekonstruktion hin, lassen aber inhaltliche Bezüge
offen.
Als ein Alleinstellungsmerkmal der Ausstellung führt Generaldirektorin
Ackermann die Überwindung des Eurozentrismus an. So ungewöhnlich erscheinen
die Objekte von allen Kontinenten nicht. Was „Inspiration Handwerk“
vorführt, ist die spielerische Freiheit der Gestaltung, die Abkehr vom
heute dominanten Nützlichkeitsdenken.
8 Sep 2020
## LINKS
[1] /Neuerscheinung-zum-Bauhausjubilaeum/!5647047
[2] /Ausstellung-Bikes-in-Leipzig/!5431592
## AUTOREN
Michael Bartsch
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Kunst
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