# taz.de -- NDR-Hörfunkdirektorin im Gespräch: Nichtlineare Radiozukunft | |
> Katja Marx, Hörfunkdirektorin des NDR, zeigt sich zuversichtlich über die | |
> Zukunft des Radios und freut sich über Verstärkung beim Pandemie-Podcast. | |
Bild: Prof. Dr. Sandra Ciesek, ist die neue Stimme im Corona-Podcast des NDR | |
taz: Frau Marx, am 1. September kehrt der [1][Podcast mit Christian | |
Drosten] aus der Sommerpause zurück. Geht es mit ihm weiter wie bisher? | |
Katja Marx: Wir haben das Konzept des Podcasts etwas verändert. Es wird | |
jede Woche eine neue Folge geben: immer im Wechsel zwischen Christian | |
Drosten und Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische | |
Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Sie ist Virologin und Ärztin | |
und damit näher an der medizinischen Praxis dran als er. Wir haben lange | |
gemeinsam mit Christian Drosten überlegt, was wir verändern wollen. Die | |
erste Folge machen beide gemeinsam, und da werden wir das Konzept dann auch | |
erläutern. | |
Was kann man aus dem Erfolg des Podcasts für andere gesellschaftliche Lagen | |
oder Schwerpunktthemen ableiten? | |
Interviewer könnten daraus lernen, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen, | |
deren Antworten man nicht schon vorher kennt. Experten können daraus | |
lernen, auch mal zuzugeben, dass man nicht alle Antworten weiß. Der Podcast | |
wurde inzwischen 60 Millionen mal abgerufen. Ein Grund für den Erfolg ist, | |
dass wir hier jemanden auf der Suche nach Antworten begleiten, der noch | |
dabei ist, sich die Fakten zu erschließen. Das kann für uns Hörer viel | |
interessanter sein als eine vorgefertigte Meinung. | |
Im Juni hat der NDR bekannt gegeben, dass er im Laufe der kommenden vier | |
Jahre mit 300 Millionen Euro weniger auskommen muss. Wie viel weniger Geld | |
hat der Hörfunk zur Verfügung? | |
Ganz grob gesagt: zehn Prozent. Wenn wir über Kürzungen reden, reden wir | |
auch darüber, dass wir priorisieren und zum Beispiel in nonlineare Formate | |
investieren, mit denen wir Menschen ansprechen, die wir mit linearen | |
Formaten schon lange nicht mehr erreichen. Ein Beispiel: Wir haben im Juni | |
den Literaturpodcast „Eat Read Sleep“ aufgelegt. Der wendet sich an alle | |
Menschen, die sich – ich fasse das mal bewusst so weit –, für Lesestoff | |
interessieren, sich aber vielleicht keine Buchrezension im linearen Radio | |
anhören würden. | |
Sie haben angekündigt, das Radioprogramm von NDR Info umzubauen. Was genau | |
ändert sich? | |
Ab 1. Januar 2021 werden wir das Versprechen, das mit dem Begriff | |
Informationsradio gegeben wird, rund um die Uhr einlösen. Das bedeutet, | |
dass es im Nachtprogramm keine Musikformate mehr geben wird. Wir werden auf | |
NDR Info dann die ARD-Infonacht senden. | |
Der SWR hat gerade zwei neue Apps veröffentlicht, die es unter anderem | |
möglich machen, in einem Liveprogramm zurückzuspulen und Songs, die einem | |
nicht gefallen, durch andere ersetzen zu lasen. Sind das zukunftsträchtige | |
Ideen? | |
Ja, solche Entwicklungen interessieren uns sehr. Die Apps sind gleich so | |
entwickelt worden, dass sie für alle anderen in der ARD auch nutzbar sind. | |
Etwas auszuprobieren, was die Möglichkeiten erhöht, Medien autonom zu | |
nutzen, finde ich richtig. Meine Vision ist: Ich steige in drei Jahren in | |
mein Auto, und die ARD-Audiothek fragt mich über Sprachsteuerung: Katja, | |
was möchtest du hören? | |
Am 10. September wird im „Schuppen 52“ [2][im Hamburger Hafen der Deutsche | |
Radiopreis verliehen], bei dessen Organisation der NDR federführend ist. | |
Dieses Mal läuft die Veranstaltung pandemiebedingt anders ab. Was erwartet | |
die Fernsehzuschauer? | |
Eines ist wie immer: Die Nominierten stehen im Mittelpunkt. Alle 30 | |
nominierten Radiomacherinnen und Radiomacher sind vor Ort. Wir haben ein | |
ausgefeiltes Hygienekonzept – mit drei Aktionsflächen, sodass ausreichend | |
Abstand zwischen Moderatorin Barbara Schöneberger, den Laudatorinnen und | |
Laudatoren sowie den Musikacts gewährleistet ist. Es wird nach zehn Jahren | |
mit jeweils 1.000 Gästen die erste Preisverleihung ohne Publikum. Und | |
wissen Sie was? Ich finde das in der aktuellen Situation gar nicht so | |
schlimm. Wir als Radiomacher sind es gewohnt, dass wir unser Publikum nicht | |
sehen. | |
Haben Sie auch über andere Formen der Preisverleihung nachgedacht? | |
Wir haben unter anderem darüber diskutiert, ob sich ein Konzept mit einer | |
reduzierten Zahl von Gästen umsetzen ließe. Im Raum wäre das gemäß der in | |
Hamburg geltenden Bestimmungen zwar möglich, aber bei Ein- und Auslass | |
hätte es zu lange Schlangen gegeben. | |
Der Grimme-Preis hat sich für eine Reportage entschieden, in der der | |
Moderator die Preisträger trifft. | |
Das haben wir verworfen, weil die Bedeutung der Preisverleihung für Hamburg | |
groß ist. Es ist der einzige große Medienpreis, der noch in Hamburg | |
verliehen wird. Außerdem ist es für die nominierten Radioleute aus ganz | |
Deutschland etwas Besonderes, mal aus ihrem Sprengel herauszukommen. Die | |
freuen sich auf Hamburg. | |
28 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
René Martens | |
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