# taz.de -- Bayrischer Verfassungsschutzbericht: Niederlage gegen Rechte | |
> Der bayrische Verfassungsschutz darf seinen Jahresbericht für 2019 nicht | |
> mehr publizieren. Ein rechter Verein hatte gegen seine Nennung geklagt. | |
Bild: Joachim Hermann und Burkhard Körner während der PK zum Verfassungsschut… | |
BERLIN taz | Die juristische Niederlage trifft den bayrischen | |
Verfassungsschutz hart: Das Innenministerium unter Joachim Herrmann (CSU) | |
darf den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 in der aktuellen | |
Fassung nicht weiter publizieren. Das Verwaltungsgericht München gab einer | |
Klage der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) gegen ihre | |
Erwähnung in dem Bericht statt. | |
Der Name des 1981 gegründeten Vereins klingt seriös, ebenso die | |
Selbstdarstellung, wonach er sich „vor allem mit der deutschen und | |
europäischen Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts“ befasst. Doch schon | |
die weit rechten Gründer Alfred Schickel und Hellmut Diwald ließen ahnen, | |
wie der nächste Satz zu interpretierten ist: Man widme sich den „bisher | |
vernachlässigten“ und „kaum berücksichtigen Themen“ und der | |
„Geschichtsfälschung“. | |
„Seit Jahrzehnten ist der Verein einer der wichtigsten Stichwortgeber des | |
[1][deutschen Geschichtsrevisionismus]“, sagte der Rechtsextremismusexperte | |
Robert Andreasch der taz. „Mit ihrer vermeintlichen Forschung haben sie die | |
neofaschistische Szene munitioniert.“ Es seien „unfassbar viele Artikel der | |
extremen Rechten erschienen, in denen die Propaganda der ZFI und ihrer | |
Referenten aufgegriffen wurde.“ | |
Schon früh wies die Rechtsextremismusforschung darauf hin, dass die ZFI die | |
[2][NS-Verbrechen] relativiert und die Zahlen der ermordeten Juden und Roma | |
sowie die deutsche Kriegsschuld herunterspielt. Das Leid der Deutschen | |
durch Vertreibung hebt sie derweil hervor. Aktueller Vereinsvorsitzender | |
ist Gernot Facius, ein mindestens rechtskonservativer Publizist. | |
## Einst gute Verbindungen zur CSU | |
Gegründet wurde die Forschungsstelle als Gegenprojekt zum renommierten | |
Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ). Ihre Ausrichtung störte in der | |
CSU damals wenig: Mitbegründer war der einstige bayerische Innenminister | |
Alfred Seidl. Auf Vorschlag des damaligen Ministerpräsidenten Max Streibl | |
wurde ZFI-Gründer Schickel 1989 das Bundesverdienstkreuz verliehen. | |
Verbindungen gab es auch zum langjährigen Ingolstädter Oberbürgermeister | |
Alfred Lehmann. | |
Nun ist dem Verfassungsschutz seine frühere Bewertung des Vereins zum | |
Verhängnis geworden. All die Jahre hatte die Behörde Kritik abgewiegelt. In | |
einer Kleinen Anfrage des SPD-Politikers Florian Ritter zur ZFI erkannte | |
die Behörde 2007 keine „rechtsextremistischen Bestrebungen“. Die neue | |
Bewertung, die jetzt zur erstmaligen Erwähnung im Verfassungsschutzbericht | |
führte, wollte der Richter nun begründet bekommen. | |
Was die Behörde vorbrachte, hielt er für zu unzureichend. Somit darf die | |
Forschungsstelle nicht als rechtsextremistische Organisation aufgeführt | |
werden, die antisemitische und die NS-Zeit verherrlichende Inhalte | |
verbreite. „Das Ei hat der Verfassungsschutz sich selbst gelegt“, sagte | |
SPD-Politiker Ritter der taz. Das Innenministerium wartet nun die | |
schriftliche Urteilsbegründung ab. | |
22 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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