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# taz.de -- taz-Sommerserie „Sommer vorm Balkon“: Sieben auf einen Streich
> Entspannt durchs Weltkulturerbe radeln lässt es sich in Berlin am
> Wannsee: Und da gibt’s derzeit mehr zu sehen als „nur“ Schlösser.
Bild: Schloss Cecilienhof in Potsdam
Gleich nur ein paar Minuten entfernt erst einmal baden gehen? Oder am
Seeufer die Thermoskanne mit dem Kaffee auspacken? Oder doch zunächst ein
paar Meter radeln, Atmosphäre tanken, diese ominösen „Blickachsen“ auf
dieses und jenes Schloss suchen und finden? Oder gleich in eine
Ausstellung?
Wer am Bahnhof Wannsee mit seinem Rad aus der S-Bahn steigt, hat die Qual
der Wahl. Dabei soll es doch ein ganz ruhiger Tag werden, ganz entspanntes
Radeln im Weltkulturerbe im Südwesten der Stadt, rumcruisen zwischen
Schlössern, Wasser und Gärten.
Radeln wir also los, auf der Königstraße, der B1, die den Großen vom
Kleinen Wannsee trennt, lehnen auf der Brücke zumindest kurz am Geländer,
um einen Blick auf das angeblich am intensivsten genutzte Segelrevier
Europas zu werfen. Es ist ein Freitag und ruhiger als am Wochenende, auch
wenn schon mal Gegröle und laute Musik von einem der immer zahlreicher
werdenden Mietflöße dröhnt. Einige hundert Meter weiter geht es rechts am
Seeufer entlang an Segelvereinen vorbei, bis rechts an der Ecke
Colomierstraße ein blühender Garten in Sicht ist: Max Liebermanns Villa am
Wannsee.
Es ist kurz nach zehn, das Haus hat gerade geöffnet, der Garten ist noch
leer und der Birkenweg auf der Rückseite zum Wannsee hinunter ebenfalls.
Dort allein am Ufer zu sitzen oder auf dem großen Anleger, das hat etwas
von einem zeitweiligen „Ich auf meinem Landsitz“-Gefühl, für das in der
Nachbarschaft ansonsten ein siebenstelliger Betrag fällig wäre.
Um den Reiz von Haus und Garten wissen auch andere, es wird voller. Also
zum Rad geschlendert, weitergeradelt, am Flensburger Löwen vorbei direkt an
die Havel. Ein erstes Bad wäre jetzt nicht schlecht. Aber nicht gleich hier
am Heckeshorn, wo auch schon Betrieb herrscht. Lieber 900 Meter weiter, wo
vom Uferweg plötzlich unvermutet ein Pfad abgeht, der zur DLRG-Station
Tiefehorn abgeht. Eine Öffnung im Schilf, eine Wiese, ein Steg, kein Mensch
– der Vorteil eines Tags abseits vom Wochenende.
Ein paar Kilometer weiter kommt der erste Höhepunkt dessen in Sicht, was
ganz offiziell als Unesco-Weltkulturerbe geadelt ist. Das Schloss auf der
Pfaueninsel ist wegen Renovierung noch auf Jahre geschlossen – aber es geht
heute ja eh nicht ums intensive Anschauen, sondern nur ums Draufgucken vom
Ufer aus. Kurz dahinter die Heilandskirche auf der Brandenburger Seite der
Havel – mit dem gelb-schwarz gemusterten Wassertaxi lässt sich bis zu
fünfmal am Tag für 4 Euro übersetzen.
Auf der Sacrower Seite ließe sich nun auch gut weiterradeln und in einem
weiten Bogen über Krampnitz von der brandenburgischen Seite wieder in
Schlösser und Gärten eintauchen. Aber wir sind ja heute nicht im
Kilometersammeltempo unterwegs und cruisen deshalb ganz entspannt auf die
Glienicker Brücke zu.
Ballen sich irgendwo auf der Welt noch mehr Schlösser als an diesem
früheren Agentenaustauschort? Links der Straße das Schloss Glienicke,
rechts davon das Jagdschloss gleichen Namens, 500 Meter auf der anderen
Seeseite das Babelsberger Schloss. Die Bauten könnte man nun auch anschauen
wollen, aber es ist damit teils so wie bei dem auch nur dreieinhalb
Kilometer entfernten und noch berühmteren Schloss Sanssouci: von außen
schöner als innen.
## Fotos von Till Brönner
Das Hineingehen lohnt sich stattdessen gleich auf der anderen Seite der
Glienicker Brücke, in die Villa Schöningen, um die sich unter anderen
Springer-Konzernchef Matthias Döpfner verdient gemacht hat. Da sind derzeit
in einer bis 20. September laufenden Ausstellung freitags bis sonntags
Fotos zu sehen von einem, den man in eine ganz andere Kategorie einsortiert
hat: Trompeter Till Brönner hat eindrucksvoll das Ruhrgebiet porträtiert.
Ein Höhepunkt, der eine ganze Wand füllt: ein intensiver Blick auf die
Südtribüne im Stadion von Borussia Dortmund. Das kostet 9 Euro Eintritt,
ist das Geld aber wert.
Das Gartencafé nebenan – mit Jazzkonzerten an Samstagnachmittagen –
bewirtschaftet spannenderweise der Kajak- und Radverleih „Potsdam per
Pedales“, sonst am Griebnitzsee und am Potsdamer Hauptbahnhof zu Hause.
Gleich gegenüber gibt es am Ufer schon schöne Badestellen, mehr Platz ist
einen Kilometer weiter am Heiligen See im Neuen Garten. Der direkte Zugang
ist an diesem Freitag wie schon seit Ende vergangenen Jahres wegen
Brückenarbeiten gesperrt. Darüber könnte man sich ärgern, doch der Umweg
über Tizianstraße und einen Verbindungskanal, den Hasengraben, führt an
einem kleinen Imbissstand mit Bratwurst und Kaffee für kleines Geld vorbei.
Das lässt sich nun, gegenüber dem Imbisszelt am Ufer sitzend, der direkte
Blick auf das Marmorpalais auf der anderen Seeseite genießen – jenes
Schloss, mit dem vor einiger Zeit auch die S-Bahn für Ausflüge ins Umland
warb. Auch so eines, das – natürlich rein subjektiv – von außen weit
stärker beeindruckt als von innen.
Das kann man vom nächsten Schloss nicht sagen, das ja äußerlich eher ein
Landhaus mit viel Backstein, dunklem Fachwerk und auffällig vielen
Schornsteinen ist. So viel Geschichte auf wenigen Quadratmetern wie im
Schloss Cecilienhof, Ort der Postdamer Konferenz von 1945, gibt es nicht
oft, umso mehr durch die jüngst überarbeitete Ausstellung. Aber das ist
weniger etwas für so einen sonnigen, warmen Tag – und trotz der immer mal
wieder berichteten Rückforderungen der Hohenzollernfamilie, die sogar im
Brandenburger Wahlkampf 2019 ein Thema waren, dürfte das Ganze auch noch an
einem der nächsten nebligen Herbsttage zu besichtigen sein.
Nein, Halt ist erst wieder am nächsten Schloss, dem luftigsten und
höchstgelegenen auf der heutigen Tour. Das Belvedere auf dem Pfingstberg
bürgt ja schon mit seinem Namen für gute Aussicht, unser Anstieg beginnt am
Parkausgang über die Straße „Am Pfingstberg“. Entspanntes Cruisen lässt
sich das Hinaufradeln jetzt doch nicht mehr nennen, das sind schon ein paar
Höhenmeter.
Oben am Belvedere wären jetzt wieder ein paar Euro Eintritt fällig, um über
breite Treppen in jene Höhen und Türme steigen zu können, die den
namengebenden tollen Ausblick bieten. Wenn das Portemonnaie schon leerer
ist – auch egal: Allein schon draußen an diesen steilen Mauern zu stehen,
auf der Eingangstreppe zu sitzen und ein Wasserbassin zu sehen, das den
ganzen Innenhof des Schlosses einnimmt, hat bereits seinen Reiz.
Das wievielte Schloss ist das nun an diesem Tag? Pfaueninsel, zweimal
Glienicke, Babelsberg, Mamorpalais, Cecilienhof, das siebte also.
## Russisches Museumsdorf
Aber der Tag ist ja noch nicht vorüber: Über die Weinmeisterstraße am Fuß
des Pfingstberges, auf dem noch so manche Nobelvilla steht, wären es nun am
gleichfalls sehenswerten russischen Museumsdorf Alexandrowka keine drei
Kilometer zum Park Sanssouci, wo doch vor allem die weniger bekannte, dafür
umso sehenswertere Bildergalerie … Bloß kann man da nicht mehr baden, und
bevor es dann doch zu viel Schloss wird, geht es gleich nach der Abfahrt
vom Pfingstberg wieder in den See.
Wer nun nicht mehr weiter herumcruisen mag und noch ein paar Euro in der
Tasche hat, kann an der Meierei nebenan in das schon erwähnte
Linienwassertaxi steigen, sich bis zum Potsdamer Hauptbahnhof malerisch
übers Wasser tragen und via S-Bahn nach Hause bringen lassen.
Wer’s anders mag: Von der Glienicker Brücke geht es auch schön auf
schattigem Waldweg am Griebnitzsee entlang zurück in Richtung Wannsee. Dort
ließe sich dann in der Chausseestraße noch auf ein bisschen Kultur in die
Galerie Mutter Fourage einkehren, die bis Ende August den
Liebermann-Zeitgenossen und Wannsee-Maler Philipp Franck zeigt, am
Wochenende, aber freitags ist auch bis 18 Uhr geöffnet.
Das ist ja das Nette an den Ferien daheim, am „Sommer vorm Balkon“, solche
Dinge jenseits überlaufener Wochenenden erleben zu können. Gleich sieben
Schlösser vor der Nase gehabt zu haben, ohne Stau, Parkplatz, Anstehen, nur
mit dem Rad und Proviant im Rucksack, und das alles für wenig Geld – das
muss eine teure Fernreise erst mal toppen.
25 Aug 2020
## AUTOREN
Stefan Alberti
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