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# taz.de -- Digitalisierung der Bauernhöfe: Mit dem Laptop auf den Acker
> In der Landwirtschaft schreitet die Digitalisierung und Vernetzung voran.
> Farming 4.0 soll die Umwelt schonen. Sorge bereitet noch der Datenschutz.
Bild: Viel Überprüfung beim Ernteeinsatz möglich: GPS-Technik im Mähdrescher
Der EU-Kommission ist es offenbar ein großes Anliegen: Wir sollten unsere
Ernährungsweise und auch die landwirtschaftliche Produktion so anpassen,
dass wir nicht immer weiter die Umwelt zerstören und die Ressourcen
ausbeuten. Das ist die Botschaft der kürzlich vorgestellten [1][„Farm to
Fork“-Strategie] der Kommission. Das heißt, dass der Verbraucher weniger
Fleisch essen sollte aber auch, dass in der Landwirtschaft umgedacht werden
muss. Denn derzeit werden zu viele Pflanzenschutz- und Düngemittel
ausgebracht, der Ausstoß klimaschädlicher Gase ist hoch. Auch der Einsatz
von Antibiotika in der Tiermast gilt als unverhältnismäßig, um das Tierwohl
ist es nicht gut bestellt.
Die Politik verspricht sich hier vor allem durch digitale Lösungen Abhilfe.
Erst im Juli hat sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf einer
Deutschlandreise über die Entwicklungen in Sachen „Smart Farming“
informiert. Schließlich will ihr Ministerium in den kommenden Jahren rund
100 Millionen Euro in [2][Fördermaßnahmen und Programme] investieren. 50
Millionen Euro sind beispielsweise in 14 Experimentierfelder geflossen, die
Fragen rund um die Messung von Bodenbeschaffenheit und Tierwohl,
Vernetzungen, Datenerhebung aber auch Datenschutz untersucht.
Auch die EU-Kommission fördert massiv entsprechende Forschungsprojekte.
Schließlich ließen sich laut einem wissenschaftlichen Gutachten des
Europaparlaments vom Dezember 2016 mit Bits & Bytes auf den europäischen
Äckern 10 Prozent Dieselkraftstoffe bei der Feldarbeit einsparen, die
Bodenerosion könnte von derzeit 17 Tonnen pro Hektar auf eine Tonne
schrumpfen, Herbizide könnten um bis zu 80 Prozent, Nitratrückstände durch
Überdüngung im Boden um 30 bis 50 Prozent reduziert werden.
Das geht etwa mithilfe von sensorgestützten Systemen, die je nach
Bodenbeschaffenheit die passgenaue Menge an Stickstoffdünger berechnen.
Denn ein Acker ist nicht homogen. Es gibt Stellen, die sind fruchtbarer,
andere weniger. Wenn man hier überall die gleiche Menge an Dünger
ausbringt, werden einige Stellen überdüngt – Nitrat wird in Boden und
Grundwasser ausgewaschen, Ammoniak entweicht in die Umgebung. An anderen
Stellen kann es hingegen zu wenig Dünger sein, wodurch der Ertrag leidet.
„Ein passender Dünge-Algorithmus sorgt dafür, dass Landwirte keine
Ertragseinbußen haben und die Gesellschaft von der guten Wasserqualität
profitiert“, sagt Kurt-Jürgen Hülsenbergen, Wissenschaftler am Lehrstuhl
für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der TU München. Er hat ein
System entwickelt, bei dem ein Sensor am Traktor das Licht misst, das von
den Ackerpflanzen reflektiert wird. Anhand der Reflexion kann der
Ernährungsstatus der Pflanzen berechnet werden. Die Düsen stellen sich dann
automatisch so ein, dass die richtige Menge Dünger auf die Pflanzen
gelangt. Andere Traktoren sind mit GPS-Antennen ausgestattet und nutzen
Satellitendaten für das genaue Düngen, einen reduzierten Pestizideinsatz
oder effizienteres Säen.
## Roboter und Drohnen
Neben Landmaschinen wie Traktor, Schlepper und Mähdrescher werden auch
Feldroboter und Drohnen entwickelt. Spezielle Drohnen können mittels
Hyperspektralkameras den Stand des Pflanzenwachstums, Pilzbefall oder
Überschwemmungen überwachen.
Am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig wird erforscht, wie man
tonnenschwere Landmaschinen durch kleine, autonome Roboter ersetzen kann.
Denn: Nur dieser kann ein Feld bewirtschaften, auf dem verschiedene
Pflanzen in amorphen „Spots“ anstatt in Reihen als Monokultur wachsen. Beim
„Spot-Farming“ werden Rübe, Mais oder Getreide gezielt dort angepflanzt, wo
sie die besten Bedingungen zum Gedeihen vorfinden. Kleine, wendige
Feldroboter, die über GPS navigieren und sich mit Sensoren
Umweltinformationen beschaffen, können eine Einzelpflanzenbetreuung
realisieren, wie man es aus dem Gewächshaus kennt.
Das „Internet der Dinge“ eröffnet auch im Tierstall Chancen. In der
Schweine- und Geflügelproduktion sorgen etwa Klimaanlagen für ein besseres
Wohlbefinden der Tiere indem sie automatisch lüften oder heizen. Mit
Sensoren ausgestattete Halsbänder können Kühe erkennen, die auffällig viel
liegen oder wenig trinken und fressen. Hier wird der Bauer über das
Smartphone alarmiert.
Computer- und Sensortechnik ist bereits seit 1980 auf Bauernhöfen zu
finden. Allerdings hat sich die Etablierung in den letzten Jahren rapide
weiterentwickelt, digitale Technologien werden heute von vielen Landwirten
genutzt. In Deutschland sind es laut einer Umfrage des Digitalverbandes
Bitkom vom vergangenen April 8 von 10 landwirtschaftliche Betriebe. Bei
rund jedem zweiten Hof sind GPS-gesteuerte Landmaschinen im Einsatz und
auch in jedem zweiten Tierstall findet man intelligente Fütterungssysteme.
Dabei sehen fast drei Viertel der Betriebe in der Digitalisierung
grundsätzlich eine Chance, etwa weil Kosten gesenkt werden.
17 Prozent betrachten die Digitalisierung jedoch als Risiko. Und damit sind
sie nicht allein. Auch Branchenbeobachtern bereitet die weitreichende
Vernetzung Kopfzerbrechen, da große Agrarfirmen wie Bayer oder Deere aber
auch Amazon und Google derzeit [3][immense Mengen an Daten aus der Cloud
sammeln.] „Das kann dazu führen, dass einzelne Konzerne aufgrund ihrer
datenbasierten Marktmacht einseitig beispielsweise die Konditionen von
Lieferverträgen bestimmen und den Landwirten eine selbstbestimmte
Entscheidung abnehmen“, sagt Paul Vogel von der Universität Würzburg.
Forscher betonen daher, dass man den Ausbau der Digitalisierung auf
wissenschaftlicher Basis fördern und einen monopolisierten Zugriff auf die
Daten verhindern muss. Hierbei sollten alle Akteure bestimmen, wie die
Informationen aus der landwirtschaftlichen Cloud genutzt werden dürfen.
Forscher im Fraunhofer-Leitprojekt „Cognitive Agriculture“ (kurz: COGNAC)
sind etwa dabei zu untersuchen, wie man eine zentrale,
herstellerunabhängige Plattform organisieren kann. Vogel sieht eine solche
„Agrar-Masterplattform“ als Schritt in die richtige Richtung. „Sie wäre …
vielversprechender Ausgangspunkt für die Stärkung der Datenhoheit der
Landwirte“, so der Würzburger Wissenschaftler.
22 Aug 2020
## LINKS
[1] /Digitalisierung-in-der-Landwirtschaft/!5635237
[2] /Entwicklung-der-Arbeitswelt/!5667609&s=Digitalisierung+landwirtschaft/
[3] /Digitalisierung-der-Landwirtschaft/!5563597
## AUTOREN
Kathrin Burger
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